Normalerweise würde sie sich darüber keine Gedanken machen – der Captain machte eine Menge Mist und hatte bewiesen, dass er auch in der Lage war, richtig scheiße zu bauen, aber …
Würde er sich wirklich umbringen? Würde der Fakt, dass er das Ziel nicht erreicht hatte, würde der Fakt, dass vier seiner besten Freunde tot waren, wirklich dazu führen, dass er sich das Leben nahm?
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich in Bewegung gesetzt hatte, merkte noch nicht mal, dass Gibbs und Ziva mitgekommen waren und nun vor dem Holodeck standen, sondern wurde sich ihrer Anwesenheit erst dann gewahr, als Gibbs sie an beiden Schultern packte und ihr eindringlich in die Augen sah.
„Commander?“, fragte er und sie schüttelte den Kopf: „Jetzt nicht. Ich muss erst etwas …“
Sie standen tatsächlich schon am Holodeck – wie lange hatte sie denn…
„Computer“, setzte sie an, „Öffne die Tür. Zugangsberechtigung Silverbird, Beta, Bravo, Delta.“
Damit glitten die mächtigen Schotten des Holodecks auseinander und gewehrten ihr, sowie Gibbs und Ziva Einlass.
Die Umgebung beruhigte sie schon einmal. Sie waren in einer kleinen, lauschigen Waldlichtung, in der Vögel zwitscherten, Insekten summten und sogar ein kleines Bachquellchen gluckerte. Und gerade, als sie dachte, dass es wohl doch nicht so schlimm sein würde, hörte sie Schwertergeklirr. Den beiden Special Agenten zunickend rannte sie los, eilte auf die Lichtung und sah Cal, wie er sich mit einem Schwert gegen etliche Ritter verteidigen wollte. Nun hatten einige der Ritter auch die Anderen entdeckt, stürmten auf sie zu und… die Sorge, die Agatha hierher getrieben hatte, schlug in Wut um, die sie an etwas auslassen wollte. Da kamen die Soldaten gerade recht. Mit Tritten und Faustschlägen, wirbelnden, wehenden Haaren, vorgetäuschen Körperattacken und Kopfstößen wehrte sie sich ihrer Angreifer, konnte hören, wie sie und ihre Begleiter angestrengt keuchten, schmerzvoll aufstöhnten oder Kampfschreie von sich gaben – dann war alles ruhig.
Bis auf den Captain, der mit erhobenem Schwert da stand und Agatha wild anblickte.
Die XO straffte ihre Gestalt, warf dem Captain einen Blick zu der deutlich sagte „Greif mich nicht an“, doch da stieß Cal einen Kampfschrei aus und war schon auf dem Weg zu ihr. Schnell griff sie sich eine Waffe, blockte den ersten Schlag ab, taumelte zurück.
Cal wirbelte um die eigene Achse, führte das Schwert mit gekonnter Präzision – wobei sie überlegte, wo er das wohl gelernt haben mochte – und als ihre Klingen funkenschlagend kollidierten stieß er mit gehetztem Atem das Wort „Warum“ aus, ehe er zurücksprang und das Schwert wieder herumwirbelte. Erneut kollidierten die Klingen – Funken sprangen – und Cal keuchte „Konnten“. Wieder ein Rückzug, wieder ein Angriff, wieder ein Wortfetzen: „Wir“
Er sprang zurück, griff wieder an und die XO konnte die Wut und Verzweiflung spüren. Sie blockte seine Schläge ab, als er das Schwert fallen ließ und mit den Fäusten auf sie losging.
Sie wusste, dass er sie nicht besiegen konnte, also ließ sie ihn herankommen, um ihn mit Fußtritten auf Distanz zu halten.
Und dann ließ sie ihn nah herankommen, tauchte unter einem Schlag hinweg, kam wieder in die Stehende und schlang beide Arme um ihn, um ihn festzuhalten.
„Warum konnten wir sie nicht retten?!“, konnte der Captain nun einen komplett ausformulierten Satz von sich geben und sie lächelte. Es war ihr klar gewesen, dass er sie nicht verletzen oder töten wollte, sondern dass er sich abreagieren musste. Und nun, wo sie ihn festhielt, verließ ihn seine Kraft, er sackte in ihren Armen zusammen und weinte herzergreifend.
Gibbs und Ziva sahen sich an – auch ihnen war klar gewesen, was mit dem Captain los war und sie ahnten, dass er auf diese Art und Weise mit dem Verlust klar kommen wollte. Der Wut freien Lauf zu lassen, das war etwas, das sie beide auch durchgemacht hatten, als sie den Tod von Shannon, respektive von Tali, verarbeiten mussten. Damals hatte Ziva einem Klassenkameraden von sich den Kiefer gebrochen und sich dann mit dem Boxsack, den sie in der Trainingshalle der Davids gefunden hatten, so intensiv beschäftigt, dass nach ein paar Wochen ein neuer Sack fällig war. Dann hatte sie sich des Buches versichert, das Tali zuletzt gelesen hatte und nahm jedes Wort auf. Und sie musste lachen. Niemals hätte sie gedacht, dass die Werke dieses Satirikers eine solche Wirkung auf sie gehabt hätten, aber… sie taten es. Und so ertappte sie sich auch heute noch dabei, Buchhandlungen nach Kurzgeschichtensammlungen dieses Satirikers zu durchsuchen. Auch Gibbs hatte eine ähnliche „Karriere“ hinter sich, wenngleich es kein Werk eines Satirikers war, das ihn an Shannon und Kelly erinnerte. Das gemeinsame Schluchzen Cals und Agathas drang an ihre Ohren und sie beschlossen, die Beiden alleine zu lassen.
Wenig später
„General Landry“, setzte Agatha Silverbird an, „Sir, hiermit bedauere ich, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Colonel Samantha Carter, Teal’C, Brigardier General Jonathan O’Neill, Vala, Colonel Cameron Mitchell, sowie die Crewmitglieder der GEORGE HAMMOND nicht mehr am Leben sind.“
Es wunderte Daniel nicht, dass die Stimme der hübschen Rothaarigen bei diesen Worten bebte und als der General sie entsetzt anblickte – und dann ihn, zur Bestätigung – nickte er dem General nur zu.
Binnen einer Nanosekunde war Landry erbleicht, taumelte nach hinten und ließ sich in den Sessel sinken. Der Anthropologe konnte sehen, dass seinem Vorgesetzten gerade etliche Gedanken durch den Kopf schossen.
Er sefzte, nahm auf einem der Gästestühle platz und blickte den General an.
„Sir“, sagte er dann, „Sam, Teal’C, Jack, Vala und Cam waren… mutig. Sie haben Ihr Leben gegeben, um…“
Daniel brach ab – aus zweierlei Gründen.
Einerseits ließ ihn seine Stimme im Stich, zum anderen warf der Angesprochene ihm in diesem Moment einen unverwandten Blick zu, als sei er eine Erscheinung aus einem bösen Albtraum, eine Unverwandtheit, die nach ein paar Sekunden wieder aus den Zügen des Befehlshabers verschwand. Innerhalb dieser Zeit schien er um Jahre gealtert zu sein und starrte den Anthropologen an.
„Wir… müssen die notwendigen Vorkehrungen treffen, um sie beerdigen zu können.“, schluckte er und Daniel nickte.
„Ja, ich glaube, da sie ihr Leben als Helden gegeben haben, spricht nichts gegen eine Beisetzung mit allen militärischen Ehren.“
Nun war es an Landry, zu nicken: „Natürlich, Doktor Jackson.“
Agatha und Cal schlenderten durch die Gänge des SGC. Sie hatten sich nach dem sie von General Landry „debrieft“ worden waren, aus der Konversation abgeseilt und beschlossen, ihre Erinnerungen an die Zeit im SGC aufzufrischen. Als sie vor dem großen, runden Tor standen, wegen dem dieser Bunker zu später Blüte gefunden hatte, schauten sie einander an.
„Sag mal, hast Du gewusst, dass es nicht funktionieren würde, Gathy?“, fragte der Captain und sie schaute ihn an, versuchte, sich die braunen Augen, die vor nicht-vergossenen Tränen glitzerten, einzuprägen: „Meinst Du, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dir den Rücken gestärkt? Nein, Liebling. Ich hatte, genau so wie Du, gehofft, dass wir die Zeitlinie hätten ändern können.“
„Und wir haben versagt.“, murmelte Cal und ließ sich auf der Rampe, die zum Tor führte, nieder. Sie schenkte ihm ein Lächeln, leise, teils melancholisch, teils aufmunternd, ließ sich neben ihm nieder und stubste ihn an: „Meinst du?“
Damit deutete sie auf Daniel Jackson, der sich im Kommandoraum des SGC immer noch mit General Landry unterhielt.
„In den Aufzeichnungen stand, dass SG-1 stirbt.“, sagte sie und Cal nickte: „Und das ist passiert. Ich bezweifel, dass Landry nochmal ein SG-1-Team ernennen wird.“
„Ich glaube, davon können wir ausgehen.“
Sekunden später öffneten sich die mächtigen Feuerschutztüren und ein SG-Team betrat den Gate-Raum. Der Anführer schaute die beiden Sternenflottenoffiziere an. „Würden Sie bitte die Rampe freimachen? Wir wollen durch.“, sagte er mit einem leisen Hauch von Ironie in der Stimme.
Agatha blickte zu Cal, der nickte. Beide standen auf und es war ihr, der rothaarigen XO klar, dass, selbst, wenn das Front-Team sterben würde, dies ein Job war, der gemacht werden musste.
„Meine Damen und Herren“, erklang in diesem Moment die routinierte Stimme Landrys, „Ich bedauere, Ihnen allen mitteilen zu müssen, dass General Jonathan „Jack“ O’Neill, Colonel Samantha Carter, Teal’C, Colonel Cameron Mitchell und Vala, heute gefallen sind. Sie waren die Ersten, die dieses Tor in regelmäßigen Missionen durchschritten, sie waren die Wegbereiter und sie waren das große Aushängeschild dieses Kommandos. Ich möchte Sie nun bitten, eine Schweigeminute einzulegen.“
Der Mann neben Cal bellte ein „TEEEN HUT!“, nahm Haltung an, eine Handlung, die die anderen Offizere des SG-Teams, das der offenbar kommandierte, ihm gleichtaten. Auch Cal und Agatha nahmen Haltung an und die XO konnte einen kurzen, verstohlenen Blick in den Kommandoraum erhaschen, wo auch Daniel stramm stand. Die Augen des Anthropologen waren starr nach vorne gerichtet und doch konnte sie in ihnen Trauer, Wut und Schmerz erkennen.
Auch wenn sie es nicht sah, es war ihr doch so, als würde wirklich das komplette SGC für eine Minute aufhören, zu arbeiten, als würde das komplette Universum sich diese 60 Sekunden nehmen, um den Verlust des wohl größten SG-Teams aller Zeiten zu betrauern, der Helden, die so viel für das Universum getan, ihm soviel zu geben hatten.
Und dann, nach einer Minute war es vorbei.
Die Arbeit im SGC wurde wieder aufgenommen, neben Cal seufzte der Mann tief durch, klopfte dem Captain auf die Schulter und sagte: „Eine verdammte Schande. Es war ein richtig gutes Team.“
„Ja“, nickte der Captain, „Die Besten.“
„Danke Cal“, lächelte Jack und wandte sich zu seinem Team um. Sam, Teal’C, Cameron und Vala hatten Position eingenommen, warfen einen Blick auf das Kommandozentrum, in dem sich gerade General Hammond vorbeugte.
Das Tor begann, seine Arbeit aufzunehmen, rotierte, das wohl gigantischste Kombinationsschloss der Galaxis. Naquadah-Kristalle leuchteten rot auf, als ein Kontakt hergestellt wurde.
„Weißt du,“ sagte Vala in diesem Moment zu Sam, „Ich finde es schade, dass wir ihn hierlassen müssen.“
Sam nickte: „Ich kann dich durchaus verstehen. Aber – irgendwann sind wir alle wieder vereint.“
Das Tor eruptierte aus sich heraus, Jack blinzelte einmal kurz mit den Augen gegen die Helligkeit des sich bildenden Ereignishorizontes an.
„Godspeed, SG-1.“, sprach Hammond ins Mikrophon und Jack salutierte ihm zu. Dann wandten sie sich zum Tor um, gingen los. Bevor er sich in den Ereignishorizont begab, wandte er sich um, schaute Cal an und salutierte ihm ebenfalls zu.
„Cal?“, fragte Agatha und der Captain zuckte zusammen.
„Hm, was?“
„Warum salutierst Du Colonel Muldoon zu?“
Der Captain räusperte sich, nahm seine Hand herunter und nickte dem Colonel zu, der ihn ein wenig verblüfft anblickte, sich dann zum Tor wandte und den Ereignishorizont betrat.
„Och, das… ist nur… so’n Soldatending.“, sagte er dann und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Die XO blickte zu ihm: „Alles in Ordnung?“
Kurz schien es, als würde der Captain überlegen, sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter, dann nickte er: „Ja – es ist alles in Ordnung.“
Einige Tage später stand eine Delegation des Stargate-Commands vor den Gräbern von Sam, Jack und Cameron. In just diesen Sekunden wurde der tapfere Krieger Teal’C auf Chulak zur letzten Ruhe gebettet. Die Hak’tyl Istha, eine Jaffa-Amazone, sowie Jaffa-Master Bra’tac Teal’Cs Sohn Ryac wohnten der Zeremonie bei, betrachteten mit wie in Stein gemeißelten Mienen, wie der Leichnahm des edlen Kriegers verbrannt wurde.
Die Beerdigung Valas übernahm die Sternenflotte – man hielt es für passend, das jemand, der den Großteil seines Lebens im All herumvagabundiert war und dabei seinen Spaß hatte, auch seine letzte Ruhestätte dort finden sollte. Valas Vater nahm an der Zeremonie teil, verlor einige Worte und als Cal den Befehl gab, den zum Sarg umgebauten Photonentorpedo abzufeuern, brachen alle emotionalen Dämme, die der alte Mann aufgebaut hatte. Bordcounselor Andrea Gaid bemühte sich um ein Gespräch mit Valas Vater und er nahm den Termin an. Gleichzeitig wurden die mit Steinen gefüllten Särge von Captain Stone und Angela Stone zur letzten Ruhe gebettet.
Und während Gibbs dem in die Dunkelheit gleitenden Sarg Captain Stones hinterherblickte, war er sich sicher, dass in den nächsten Tagen alles wieder eine gewisse Normalität annehmen würde. Der Mörder war bekannt, auch das „Warum“ – zwar fehlten die Beweise, aber was sollte man ob der Situation machen? Der leitende Chefermittler war sich sicher, dass auch Vance die Sache ähnlich sah. Und dennoch – irgendetwas an der Sache beschäftigte ihn noch und während man Erde und Blumen auf die Särge des Ehepaares Stone fallen ließ, schwor er sich, noch einmal bei Mad Cow Middleton vorbei zu schauen, ganz, wie er es vorgehabt hatte.
Hoffentlich würde er noch etwas finden.
McGee folgte mit den Augen dem ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in die tiefe der Erde hinabgelassenen Sarg und sah, wie neben ihm eine ältliche Frau auftauchte und ihn ansah: „Sind Sie ein guter Freund von Laura?“
Der Romancier betrachtete sie kurz, ehe er nickte. Was sollte er auch sonst anderes sagen? Dass er sie ‚in Real’ – wie man in der Internetsprache gerne sagte – erst ein paar Stunden vor ihrem Tod kennengelernt und vorher nur mit ihr auf einer Fanfiction-Homepage über diverse Charaktere diskutiert hatte? Das konnte er nicht bringen.
Weiterhin fiel dem Schritsteller in ihm der leicht französische Akzent auf, den die Frau aufwies.
„Timothy McGee“, stellte er sich vor und sie lächelte: „Ich bin Madame Leontine, die Hauswirtin von Laura.“
McGee wandte sich zu ihr um, schaute sie an, wollte etwas sagen, doch er merkte, wie die Stimme leicht brach, als er die Worte „Mein aufrichtiges Beileid“ sprach.
„Ihnen auch.“, sagte sie und warf einen leicht-melancholischen Blick auf das Grab: „Aber es freut mich, dass sie dann doch jemanden hatte. Sehen Sie, sie lebte recht zurückgezogen und nur für ihre Bücher.“
Der Romancier merkte, wie seine Stimme dunkler wurde, als er versuchte, nicht sofort in Tränen auszubrechen: „Aber sie hatte Sie, Madame. Ich bin sicher, sie waren ihr eine gute Freundin.“
Leontine förderte ein Stofftaschentuch mit der linken Hand zutage, wischte sich über die Augen und nickte dann: „Ja – ich versuchte es zumindest.“
Sie atmete tief durch und schaute ihn an: „Sie wissen nicht rein zufällig, wohin ich ihre Sachen bringen kann?“
Und obwohl es pietätlos war, über solche Angelegenheiten am Grab zu sprechen, schoss ein „Ich nehm sie“ aus Tims Mund.
Als er am Abend einen Anruf von Gibbs erhielt, war er gerade mitten in der Lektüre eines sehr interesanten Buches.
„McGee?“, meldete er sich und hörte die Stimme Gibbs, der ihn zum Hauptgebäude von MadCow beorderte.
„Moment“, sagte er, doch da hatte der Special Agent schon aufgelegt.
Mit einem leise gefluchten ‚Verdammt’ legte der Romanautor ein Lesezeichen ins Buch, zog sich um und eilte zur Tür, wobei er kurz nochmal einen Blick auf die Stelle warf, die er gerade gelesen hatte.
Er wusste nicht, wieso, aber irgendwie klangen diese Worte nicht besonders vertrauenerweckend.
Es war Nacht.
Das ehemalige Firmengelände von „Mad Cow Middleton“ war nicht erleuchtet. Wie auch? Schließlich war die Firma insolvent und daher niemand in der Lage, eventuelle Stromrechnungen zu zahlen.
Die feingliedrigen Hände Ziva Davids rieben sich dunkle Tarnfarbe ins Gesicht. Dies geschah auf Anordnung ihres Chefs und sie konnte die Beweggründe verstehen. Schließlich war es ja durchaus möglich, dass sich trotz augenscheinlicher Leere des Geländes immer noch Feinde im Areal befanden, mit denen man verfahren musste.
Sie hörte neben sich das Klacken einer sich sichernden Pistole, dann wie jemand das Magazin aus der Waffe nahm und es nach einigen Sekunden der Inspektion wieder in die Pistole einrasten ließ. Ihr war klar, dass es sich hierbei um ihren Boss handelte – dafür musste sie sich nicht einmal umdrehen.
„Alles okay?“, fragte er in der typischen militärischen Knappheit und Effizienz des Leroy Jethro Gibbs. Nun drehte sie sich doch um, betrachtete ihn kurz, nickte und hob das Scharfschützengewehr an, das er ihr vor ein paar Minuten gegeben hatte.
Ein Lächeln lief über die vollen Lippen der Israeli, als sie daran dachte, wie schnell das alles gegangen war. Gibbs hatte anscheinend keine 5 Minuten gebraucht, um den Einsatz von Vance genehmigen zu lassen. Es war immer wieder faszinierend, wieviele Strippen der Special Agent doch zu ziehen vermochte.
„Alles okay.“, antwortete sie, genau wie er ein Musterbeispiel an militärischer Effizienz.
Dann wandte sie sich um, nahm das Scharfschützengewehr und warf einen Blick durch das Fernrohr.
Kurz nahm sie alle Details in sich auf und gab dann den Bericht an Gibbs weiter:
„Bewegung im Obersten Stockwerk“
Damit blickte sie zu ihrem Chef, der kurz überlegte und ihr dann auf die Schulter klopfte.
Sie verstand den Befehl, behielt die Person weiter im Blick, während der Rest des Teams sich leise und mit unerhörter Vorsicht und Geduld, auf das Gelände zubewegte.
Kurz blickte sie zu ihren Mitstreitern, dann wandte sie ihren Blick wieder ihrem Ziel zu. Ihr Finger schwebte über dem Abzug, bereit, im Befehlsfall zu feuern.
„Pass auf dich auf, DiNozzo.“, dachte sie sich und hoffte, dass ihr Kollege dieser Aufforderung nachkommen würde – ohne sie je gehört zu haben.
Etliche Minuten lang geschah nichts. Sie behielt die Person im Auge, die im obersten Stockwerk auf und ab schlenderte, zwischendurch stehen blieb, sagte ihren Kollegen bescheid, wenn sie durch den Restlichtverstärker sehen konnte, ob die Person in ihre Richtung gewand stand oder nicht und hoffte, dass die Nacht ohne große Schwierigkeiten über die Bühne gehen würde. Als die Wolkendecke, die sich über Washington D.C. gelegt hatte, aufbrach, wurde das Gelände im silberhellen Mondenschein so stark erleuchtet, wie von einem Scheinwerfer. Und nach all dem, was sie bisher mit den Leuten von der Sternenflotte erlebt hatte, warf sie lieber noch einmal sicherheitshalber einen Blick auf die Lichtquelle – nicht, dass sie ein Raumschiff war, das zur Landung ansetzen würde.
Und selbst der Mond war nicht unbedingt ein Garant dafür, dass…
Der Mond nahm ab.
Eigentlich ist dies etwas, das im Zyklus der Erde und des sie begleitenden Trabanten, häufiger vorkommt, aber den geneigten Zuschauer würde eher der Fakt verblüffen, dass dieses Ereignis nicht über den Zeitraum von mehreren Tagen, sondern von einigen, wenigen Sekunden eintrat. Und als der Mond seine typische Sichelform angenommen hatte, metamorphierte das Bild zu einer fliegenden Untertasse, die erst um 90 Grad gekippt hoch am Himmel stand, dann „geradezog“ und zur Landung ansetzte. Die französischen Polizisten wären fassungslos gewesen, hätte Cruchot das alles nicht genau geplant.
„Ziva, konzentrier dich!“ , ermahnte sie sich selbst, aber sie stellte fest, dass sie es sich nicht verübeln konnte. Der Vergleich zu dem Klassiker „Louis unheimliche Begegnung mit den Ausserirdischen“ war einfach zu augenfällig.
Vielleicht sollte man die Xindi auch mit Wasser gießen? Sie konnte sich nicht helfen, ein amüsiertes Lächeln lief über ihre Lippen. Gerade sie, sie die sie Tony immer für seine Filmreferenzen aufzug, fand für die Situation eine eben solche.
„Ziva!“, hörte sie die Stimme Gibbs, „Wir gehen rein.“
Die Israeli ließ ihr Funkgerät einmal kurz knacken, Zeichen, dass sie verstanden hatte, und wartete dann ab, die Person im oberen Stockwerk im Auge behaltend.
Plötzlich schien Bewegung und Leben in sie zu kommen, denn sie wandte sich um…
Ziva legte an, zielte und drückte ab.
Das Geräusch des Schusses wurde durch den Schalldämpfer auf ein Minimum reduziert und sie atmete tief durch, stellte Kontakt zu Gibbs her: „Person getroffen.“
Sie musste ein paar Sekunden warten, bis die Antwort ihres Chefs aus dem Funkgerät erklang: „Ziel gefunden.“
Pause.
„Ziva? Weißt Du, wen Du da gerade getroffen hast?“
Was sollte die Frage, woher sollte sie das wissen? Es war ja nun nicht so, als ob…
„Danke für den Treffer in den Rücken, Zivalein“, erklang die Stimme Cals, „Wenn ich keine Schusssichere Weste angehabt hätte, hätte das übel enden können.“
Würde er sich wirklich umbringen? Würde der Fakt, dass er das Ziel nicht erreicht hatte, würde der Fakt, dass vier seiner besten Freunde tot waren, wirklich dazu führen, dass er sich das Leben nahm?
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich in Bewegung gesetzt hatte, merkte noch nicht mal, dass Gibbs und Ziva mitgekommen waren und nun vor dem Holodeck standen, sondern wurde sich ihrer Anwesenheit erst dann gewahr, als Gibbs sie an beiden Schultern packte und ihr eindringlich in die Augen sah.
„Commander?“, fragte er und sie schüttelte den Kopf: „Jetzt nicht. Ich muss erst etwas …“
Sie standen tatsächlich schon am Holodeck – wie lange hatte sie denn…
„Computer“, setzte sie an, „Öffne die Tür. Zugangsberechtigung Silverbird, Beta, Bravo, Delta.“
Damit glitten die mächtigen Schotten des Holodecks auseinander und gewehrten ihr, sowie Gibbs und Ziva Einlass.
Die Umgebung beruhigte sie schon einmal. Sie waren in einer kleinen, lauschigen Waldlichtung, in der Vögel zwitscherten, Insekten summten und sogar ein kleines Bachquellchen gluckerte. Und gerade, als sie dachte, dass es wohl doch nicht so schlimm sein würde, hörte sie Schwertergeklirr. Den beiden Special Agenten zunickend rannte sie los, eilte auf die Lichtung und sah Cal, wie er sich mit einem Schwert gegen etliche Ritter verteidigen wollte. Nun hatten einige der Ritter auch die Anderen entdeckt, stürmten auf sie zu und… die Sorge, die Agatha hierher getrieben hatte, schlug in Wut um, die sie an etwas auslassen wollte. Da kamen die Soldaten gerade recht. Mit Tritten und Faustschlägen, wirbelnden, wehenden Haaren, vorgetäuschen Körperattacken und Kopfstößen wehrte sie sich ihrer Angreifer, konnte hören, wie sie und ihre Begleiter angestrengt keuchten, schmerzvoll aufstöhnten oder Kampfschreie von sich gaben – dann war alles ruhig.
Bis auf den Captain, der mit erhobenem Schwert da stand und Agatha wild anblickte.
Die XO straffte ihre Gestalt, warf dem Captain einen Blick zu der deutlich sagte „Greif mich nicht an“, doch da stieß Cal einen Kampfschrei aus und war schon auf dem Weg zu ihr. Schnell griff sie sich eine Waffe, blockte den ersten Schlag ab, taumelte zurück.
Cal wirbelte um die eigene Achse, führte das Schwert mit gekonnter Präzision – wobei sie überlegte, wo er das wohl gelernt haben mochte – und als ihre Klingen funkenschlagend kollidierten stieß er mit gehetztem Atem das Wort „Warum“ aus, ehe er zurücksprang und das Schwert wieder herumwirbelte. Erneut kollidierten die Klingen – Funken sprangen – und Cal keuchte „Konnten“. Wieder ein Rückzug, wieder ein Angriff, wieder ein Wortfetzen: „Wir“
Er sprang zurück, griff wieder an und die XO konnte die Wut und Verzweiflung spüren. Sie blockte seine Schläge ab, als er das Schwert fallen ließ und mit den Fäusten auf sie losging.
Sie wusste, dass er sie nicht besiegen konnte, also ließ sie ihn herankommen, um ihn mit Fußtritten auf Distanz zu halten.
Und dann ließ sie ihn nah herankommen, tauchte unter einem Schlag hinweg, kam wieder in die Stehende und schlang beide Arme um ihn, um ihn festzuhalten.
„Warum konnten wir sie nicht retten?!“, konnte der Captain nun einen komplett ausformulierten Satz von sich geben und sie lächelte. Es war ihr klar gewesen, dass er sie nicht verletzen oder töten wollte, sondern dass er sich abreagieren musste. Und nun, wo sie ihn festhielt, verließ ihn seine Kraft, er sackte in ihren Armen zusammen und weinte herzergreifend.
Gibbs und Ziva sahen sich an – auch ihnen war klar gewesen, was mit dem Captain los war und sie ahnten, dass er auf diese Art und Weise mit dem Verlust klar kommen wollte. Der Wut freien Lauf zu lassen, das war etwas, das sie beide auch durchgemacht hatten, als sie den Tod von Shannon, respektive von Tali, verarbeiten mussten. Damals hatte Ziva einem Klassenkameraden von sich den Kiefer gebrochen und sich dann mit dem Boxsack, den sie in der Trainingshalle der Davids gefunden hatten, so intensiv beschäftigt, dass nach ein paar Wochen ein neuer Sack fällig war. Dann hatte sie sich des Buches versichert, das Tali zuletzt gelesen hatte und nahm jedes Wort auf. Und sie musste lachen. Niemals hätte sie gedacht, dass die Werke dieses Satirikers eine solche Wirkung auf sie gehabt hätten, aber… sie taten es. Und so ertappte sie sich auch heute noch dabei, Buchhandlungen nach Kurzgeschichtensammlungen dieses Satirikers zu durchsuchen. Auch Gibbs hatte eine ähnliche „Karriere“ hinter sich, wenngleich es kein Werk eines Satirikers war, das ihn an Shannon und Kelly erinnerte. Das gemeinsame Schluchzen Cals und Agathas drang an ihre Ohren und sie beschlossen, die Beiden alleine zu lassen.
Wenig später
„General Landry“, setzte Agatha Silverbird an, „Sir, hiermit bedauere ich, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Colonel Samantha Carter, Teal’C, Brigardier General Jonathan O’Neill, Vala, Colonel Cameron Mitchell, sowie die Crewmitglieder der GEORGE HAMMOND nicht mehr am Leben sind.“
Es wunderte Daniel nicht, dass die Stimme der hübschen Rothaarigen bei diesen Worten bebte und als der General sie entsetzt anblickte – und dann ihn, zur Bestätigung – nickte er dem General nur zu.
Binnen einer Nanosekunde war Landry erbleicht, taumelte nach hinten und ließ sich in den Sessel sinken. Der Anthropologe konnte sehen, dass seinem Vorgesetzten gerade etliche Gedanken durch den Kopf schossen.
Er sefzte, nahm auf einem der Gästestühle platz und blickte den General an.
„Sir“, sagte er dann, „Sam, Teal’C, Jack, Vala und Cam waren… mutig. Sie haben Ihr Leben gegeben, um…“
Daniel brach ab – aus zweierlei Gründen.
Einerseits ließ ihn seine Stimme im Stich, zum anderen warf der Angesprochene ihm in diesem Moment einen unverwandten Blick zu, als sei er eine Erscheinung aus einem bösen Albtraum, eine Unverwandtheit, die nach ein paar Sekunden wieder aus den Zügen des Befehlshabers verschwand. Innerhalb dieser Zeit schien er um Jahre gealtert zu sein und starrte den Anthropologen an.
„Wir… müssen die notwendigen Vorkehrungen treffen, um sie beerdigen zu können.“, schluckte er und Daniel nickte.
„Ja, ich glaube, da sie ihr Leben als Helden gegeben haben, spricht nichts gegen eine Beisetzung mit allen militärischen Ehren.“
Nun war es an Landry, zu nicken: „Natürlich, Doktor Jackson.“
Agatha und Cal schlenderten durch die Gänge des SGC. Sie hatten sich nach dem sie von General Landry „debrieft“ worden waren, aus der Konversation abgeseilt und beschlossen, ihre Erinnerungen an die Zeit im SGC aufzufrischen. Als sie vor dem großen, runden Tor standen, wegen dem dieser Bunker zu später Blüte gefunden hatte, schauten sie einander an.
„Sag mal, hast Du gewusst, dass es nicht funktionieren würde, Gathy?“, fragte der Captain und sie schaute ihn an, versuchte, sich die braunen Augen, die vor nicht-vergossenen Tränen glitzerten, einzuprägen: „Meinst Du, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dir den Rücken gestärkt? Nein, Liebling. Ich hatte, genau so wie Du, gehofft, dass wir die Zeitlinie hätten ändern können.“
„Und wir haben versagt.“, murmelte Cal und ließ sich auf der Rampe, die zum Tor führte, nieder. Sie schenkte ihm ein Lächeln, leise, teils melancholisch, teils aufmunternd, ließ sich neben ihm nieder und stubste ihn an: „Meinst du?“
Damit deutete sie auf Daniel Jackson, der sich im Kommandoraum des SGC immer noch mit General Landry unterhielt.
„In den Aufzeichnungen stand, dass SG-1 stirbt.“, sagte sie und Cal nickte: „Und das ist passiert. Ich bezweifel, dass Landry nochmal ein SG-1-Team ernennen wird.“
„Ich glaube, davon können wir ausgehen.“
Sekunden später öffneten sich die mächtigen Feuerschutztüren und ein SG-Team betrat den Gate-Raum. Der Anführer schaute die beiden Sternenflottenoffiziere an. „Würden Sie bitte die Rampe freimachen? Wir wollen durch.“, sagte er mit einem leisen Hauch von Ironie in der Stimme.
Agatha blickte zu Cal, der nickte. Beide standen auf und es war ihr, der rothaarigen XO klar, dass, selbst, wenn das Front-Team sterben würde, dies ein Job war, der gemacht werden musste.
„Meine Damen und Herren“, erklang in diesem Moment die routinierte Stimme Landrys, „Ich bedauere, Ihnen allen mitteilen zu müssen, dass General Jonathan „Jack“ O’Neill, Colonel Samantha Carter, Teal’C, Colonel Cameron Mitchell und Vala, heute gefallen sind. Sie waren die Ersten, die dieses Tor in regelmäßigen Missionen durchschritten, sie waren die Wegbereiter und sie waren das große Aushängeschild dieses Kommandos. Ich möchte Sie nun bitten, eine Schweigeminute einzulegen.“
Der Mann neben Cal bellte ein „TEEEN HUT!“, nahm Haltung an, eine Handlung, die die anderen Offizere des SG-Teams, das der offenbar kommandierte, ihm gleichtaten. Auch Cal und Agatha nahmen Haltung an und die XO konnte einen kurzen, verstohlenen Blick in den Kommandoraum erhaschen, wo auch Daniel stramm stand. Die Augen des Anthropologen waren starr nach vorne gerichtet und doch konnte sie in ihnen Trauer, Wut und Schmerz erkennen.
Auch wenn sie es nicht sah, es war ihr doch so, als würde wirklich das komplette SGC für eine Minute aufhören, zu arbeiten, als würde das komplette Universum sich diese 60 Sekunden nehmen, um den Verlust des wohl größten SG-Teams aller Zeiten zu betrauern, der Helden, die so viel für das Universum getan, ihm soviel zu geben hatten.
Und dann, nach einer Minute war es vorbei.
Die Arbeit im SGC wurde wieder aufgenommen, neben Cal seufzte der Mann tief durch, klopfte dem Captain auf die Schulter und sagte: „Eine verdammte Schande. Es war ein richtig gutes Team.“
„Ja“, nickte der Captain, „Die Besten.“
„Danke Cal“, lächelte Jack und wandte sich zu seinem Team um. Sam, Teal’C, Cameron und Vala hatten Position eingenommen, warfen einen Blick auf das Kommandozentrum, in dem sich gerade General Hammond vorbeugte.
Das Tor begann, seine Arbeit aufzunehmen, rotierte, das wohl gigantischste Kombinationsschloss der Galaxis. Naquadah-Kristalle leuchteten rot auf, als ein Kontakt hergestellt wurde.
„Weißt du,“ sagte Vala in diesem Moment zu Sam, „Ich finde es schade, dass wir ihn hierlassen müssen.“
Sam nickte: „Ich kann dich durchaus verstehen. Aber – irgendwann sind wir alle wieder vereint.“
Das Tor eruptierte aus sich heraus, Jack blinzelte einmal kurz mit den Augen gegen die Helligkeit des sich bildenden Ereignishorizontes an.
„Godspeed, SG-1.“, sprach Hammond ins Mikrophon und Jack salutierte ihm zu. Dann wandten sie sich zum Tor um, gingen los. Bevor er sich in den Ereignishorizont begab, wandte er sich um, schaute Cal an und salutierte ihm ebenfalls zu.
„Cal?“, fragte Agatha und der Captain zuckte zusammen.
„Hm, was?“
„Warum salutierst Du Colonel Muldoon zu?“
Der Captain räusperte sich, nahm seine Hand herunter und nickte dem Colonel zu, der ihn ein wenig verblüfft anblickte, sich dann zum Tor wandte und den Ereignishorizont betrat.
„Och, das… ist nur… so’n Soldatending.“, sagte er dann und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Die XO blickte zu ihm: „Alles in Ordnung?“
Kurz schien es, als würde der Captain überlegen, sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter, dann nickte er: „Ja – es ist alles in Ordnung.“
Einige Tage später stand eine Delegation des Stargate-Commands vor den Gräbern von Sam, Jack und Cameron. In just diesen Sekunden wurde der tapfere Krieger Teal’C auf Chulak zur letzten Ruhe gebettet. Die Hak’tyl Istha, eine Jaffa-Amazone, sowie Jaffa-Master Bra’tac Teal’Cs Sohn Ryac wohnten der Zeremonie bei, betrachteten mit wie in Stein gemeißelten Mienen, wie der Leichnahm des edlen Kriegers verbrannt wurde.
Die Beerdigung Valas übernahm die Sternenflotte – man hielt es für passend, das jemand, der den Großteil seines Lebens im All herumvagabundiert war und dabei seinen Spaß hatte, auch seine letzte Ruhestätte dort finden sollte. Valas Vater nahm an der Zeremonie teil, verlor einige Worte und als Cal den Befehl gab, den zum Sarg umgebauten Photonentorpedo abzufeuern, brachen alle emotionalen Dämme, die der alte Mann aufgebaut hatte. Bordcounselor Andrea Gaid bemühte sich um ein Gespräch mit Valas Vater und er nahm den Termin an. Gleichzeitig wurden die mit Steinen gefüllten Särge von Captain Stone und Angela Stone zur letzten Ruhe gebettet.
Und während Gibbs dem in die Dunkelheit gleitenden Sarg Captain Stones hinterherblickte, war er sich sicher, dass in den nächsten Tagen alles wieder eine gewisse Normalität annehmen würde. Der Mörder war bekannt, auch das „Warum“ – zwar fehlten die Beweise, aber was sollte man ob der Situation machen? Der leitende Chefermittler war sich sicher, dass auch Vance die Sache ähnlich sah. Und dennoch – irgendetwas an der Sache beschäftigte ihn noch und während man Erde und Blumen auf die Särge des Ehepaares Stone fallen ließ, schwor er sich, noch einmal bei Mad Cow Middleton vorbei zu schauen, ganz, wie er es vorgehabt hatte.
Hoffentlich würde er noch etwas finden.
McGee folgte mit den Augen dem ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in die tiefe der Erde hinabgelassenen Sarg und sah, wie neben ihm eine ältliche Frau auftauchte und ihn ansah: „Sind Sie ein guter Freund von Laura?“
Der Romancier betrachtete sie kurz, ehe er nickte. Was sollte er auch sonst anderes sagen? Dass er sie ‚in Real’ – wie man in der Internetsprache gerne sagte – erst ein paar Stunden vor ihrem Tod kennengelernt und vorher nur mit ihr auf einer Fanfiction-Homepage über diverse Charaktere diskutiert hatte? Das konnte er nicht bringen.
Weiterhin fiel dem Schritsteller in ihm der leicht französische Akzent auf, den die Frau aufwies.
„Timothy McGee“, stellte er sich vor und sie lächelte: „Ich bin Madame Leontine, die Hauswirtin von Laura.“
McGee wandte sich zu ihr um, schaute sie an, wollte etwas sagen, doch er merkte, wie die Stimme leicht brach, als er die Worte „Mein aufrichtiges Beileid“ sprach.
„Ihnen auch.“, sagte sie und warf einen leicht-melancholischen Blick auf das Grab: „Aber es freut mich, dass sie dann doch jemanden hatte. Sehen Sie, sie lebte recht zurückgezogen und nur für ihre Bücher.“
Der Romancier merkte, wie seine Stimme dunkler wurde, als er versuchte, nicht sofort in Tränen auszubrechen: „Aber sie hatte Sie, Madame. Ich bin sicher, sie waren ihr eine gute Freundin.“
Leontine förderte ein Stofftaschentuch mit der linken Hand zutage, wischte sich über die Augen und nickte dann: „Ja – ich versuchte es zumindest.“
Sie atmete tief durch und schaute ihn an: „Sie wissen nicht rein zufällig, wohin ich ihre Sachen bringen kann?“
Und obwohl es pietätlos war, über solche Angelegenheiten am Grab zu sprechen, schoss ein „Ich nehm sie“ aus Tims Mund.
Als er am Abend einen Anruf von Gibbs erhielt, war er gerade mitten in der Lektüre eines sehr interesanten Buches.
„McGee?“, meldete er sich und hörte die Stimme Gibbs, der ihn zum Hauptgebäude von MadCow beorderte.
„Moment“, sagte er, doch da hatte der Special Agent schon aufgelegt.
Mit einem leise gefluchten ‚Verdammt’ legte der Romanautor ein Lesezeichen ins Buch, zog sich um und eilte zur Tür, wobei er kurz nochmal einen Blick auf die Stelle warf, die er gerade gelesen hatte.
Die weiße Hexe des Berges gab folgende Prophezeihungen:
1) Wenn sich die Götter wiederkehren, wird die Reisenden mit ihren Gefährten vereint sein.
2) Wenn die Reisenden der Versuchung nachgeben, werden sie in Flammen vergehen.
3) Der, dessen Weg nicht greifbar ist, greift vier Jahre nach der Zwillinge Tod und sechs Jahre vor der Flut nach der Macht auf Nippon.
4) Der Diebstahl des letzten Bildes wird durch die rechtmäßigen Erben enthüllt werden.
Er wusste nicht, wieso, aber irgendwie klangen diese Worte nicht besonders vertrauenerweckend.
Es war Nacht.
Das ehemalige Firmengelände von „Mad Cow Middleton“ war nicht erleuchtet. Wie auch? Schließlich war die Firma insolvent und daher niemand in der Lage, eventuelle Stromrechnungen zu zahlen.
Die feingliedrigen Hände Ziva Davids rieben sich dunkle Tarnfarbe ins Gesicht. Dies geschah auf Anordnung ihres Chefs und sie konnte die Beweggründe verstehen. Schließlich war es ja durchaus möglich, dass sich trotz augenscheinlicher Leere des Geländes immer noch Feinde im Areal befanden, mit denen man verfahren musste.
Sie hörte neben sich das Klacken einer sich sichernden Pistole, dann wie jemand das Magazin aus der Waffe nahm und es nach einigen Sekunden der Inspektion wieder in die Pistole einrasten ließ. Ihr war klar, dass es sich hierbei um ihren Boss handelte – dafür musste sie sich nicht einmal umdrehen.
„Alles okay?“, fragte er in der typischen militärischen Knappheit und Effizienz des Leroy Jethro Gibbs. Nun drehte sie sich doch um, betrachtete ihn kurz, nickte und hob das Scharfschützengewehr an, das er ihr vor ein paar Minuten gegeben hatte.
Ein Lächeln lief über die vollen Lippen der Israeli, als sie daran dachte, wie schnell das alles gegangen war. Gibbs hatte anscheinend keine 5 Minuten gebraucht, um den Einsatz von Vance genehmigen zu lassen. Es war immer wieder faszinierend, wieviele Strippen der Special Agent doch zu ziehen vermochte.
„Alles okay.“, antwortete sie, genau wie er ein Musterbeispiel an militärischer Effizienz.
Dann wandte sie sich um, nahm das Scharfschützengewehr und warf einen Blick durch das Fernrohr.
Kurz nahm sie alle Details in sich auf und gab dann den Bericht an Gibbs weiter:
„Bewegung im Obersten Stockwerk“
Damit blickte sie zu ihrem Chef, der kurz überlegte und ihr dann auf die Schulter klopfte.
Sie verstand den Befehl, behielt die Person weiter im Blick, während der Rest des Teams sich leise und mit unerhörter Vorsicht und Geduld, auf das Gelände zubewegte.
Kurz blickte sie zu ihren Mitstreitern, dann wandte sie ihren Blick wieder ihrem Ziel zu. Ihr Finger schwebte über dem Abzug, bereit, im Befehlsfall zu feuern.
„Pass auf dich auf, DiNozzo.“, dachte sie sich und hoffte, dass ihr Kollege dieser Aufforderung nachkommen würde – ohne sie je gehört zu haben.
Etliche Minuten lang geschah nichts. Sie behielt die Person im Auge, die im obersten Stockwerk auf und ab schlenderte, zwischendurch stehen blieb, sagte ihren Kollegen bescheid, wenn sie durch den Restlichtverstärker sehen konnte, ob die Person in ihre Richtung gewand stand oder nicht und hoffte, dass die Nacht ohne große Schwierigkeiten über die Bühne gehen würde. Als die Wolkendecke, die sich über Washington D.C. gelegt hatte, aufbrach, wurde das Gelände im silberhellen Mondenschein so stark erleuchtet, wie von einem Scheinwerfer. Und nach all dem, was sie bisher mit den Leuten von der Sternenflotte erlebt hatte, warf sie lieber noch einmal sicherheitshalber einen Blick auf die Lichtquelle – nicht, dass sie ein Raumschiff war, das zur Landung ansetzen würde.
Und selbst der Mond war nicht unbedingt ein Garant dafür, dass…
Der Mond nahm ab.
Eigentlich ist dies etwas, das im Zyklus der Erde und des sie begleitenden Trabanten, häufiger vorkommt, aber den geneigten Zuschauer würde eher der Fakt verblüffen, dass dieses Ereignis nicht über den Zeitraum von mehreren Tagen, sondern von einigen, wenigen Sekunden eintrat. Und als der Mond seine typische Sichelform angenommen hatte, metamorphierte das Bild zu einer fliegenden Untertasse, die erst um 90 Grad gekippt hoch am Himmel stand, dann „geradezog“ und zur Landung ansetzte. Die französischen Polizisten wären fassungslos gewesen, hätte Cruchot das alles nicht genau geplant.
„Ziva, konzentrier dich!“ , ermahnte sie sich selbst, aber sie stellte fest, dass sie es sich nicht verübeln konnte. Der Vergleich zu dem Klassiker „Louis unheimliche Begegnung mit den Ausserirdischen“ war einfach zu augenfällig.
Vielleicht sollte man die Xindi auch mit Wasser gießen? Sie konnte sich nicht helfen, ein amüsiertes Lächeln lief über ihre Lippen. Gerade sie, sie die sie Tony immer für seine Filmreferenzen aufzug, fand für die Situation eine eben solche.
„Ziva!“, hörte sie die Stimme Gibbs, „Wir gehen rein.“
Die Israeli ließ ihr Funkgerät einmal kurz knacken, Zeichen, dass sie verstanden hatte, und wartete dann ab, die Person im oberen Stockwerk im Auge behaltend.
Plötzlich schien Bewegung und Leben in sie zu kommen, denn sie wandte sich um…
Ziva legte an, zielte und drückte ab.
Das Geräusch des Schusses wurde durch den Schalldämpfer auf ein Minimum reduziert und sie atmete tief durch, stellte Kontakt zu Gibbs her: „Person getroffen.“
Sie musste ein paar Sekunden warten, bis die Antwort ihres Chefs aus dem Funkgerät erklang: „Ziel gefunden.“
Pause.
„Ziva? Weißt Du, wen Du da gerade getroffen hast?“
Was sollte die Frage, woher sollte sie das wissen? Es war ja nun nicht so, als ob…
„Danke für den Treffer in den Rücken, Zivalein“, erklang die Stimme Cals, „Wenn ich keine Schusssichere Weste angehabt hätte, hätte das übel enden können.“