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Schweinehunde unter sich - Star Trek / NCIS and so much more (later on)

CaptainCalvinCat

Commander
Red Shirt
This is a German fanfic and I wrote it nearly 13 years ago. It's a crossover between NCIS, Star Trek (or else I wouldn't have posted it here ^^) and it's starting as a normal case for the NCIS. I wish all of you a good time. Live long and prosper.



Kapitel 1

Eine Leiche in einer Waldlichtung




Wenn es gute Momente für einen Waldlauf gab, dann waren es Momente wie diese.

Die Sonne schien vom blauen Himmel, ein paar Cirruswölkchen gaben ein schönes Bild ab und die Aussentemperatur lag bei angenehmen 23 Grad Celsius.

Prima Bedingungen, um sich in die Büsche zu schlagen und einen kleinen Lauf zu veranstalten.

Petty Officer Laura McConnaugh joggte für ihr Leben gerne und tat dies jede freie Minute.<

Wäre man voyeuristisch veranlagt gewesen, könnte man nun en Detail die Schweißtropfen beschreiben, die den Weg über ihre Haut nahmen, oder wie sich durch den Schweiß das Top, das sie trug, näher an ihren Körper drückte, aber – wie gesagt, das täte man nur, wenn man voyeuristisch veranlagt wäre.

Jeden Morgen lief McConnaugh diese Route, jeden Morgen dieselbe Strecke und jeden Morgen – peinlich genau – die entsprechende Zeit. Ein-einhalb Stunden joggte sie, 45 Minuten hin, 45 Minuten zurück, duschen und dann angemessen gekleidet zum Dienst auf dem Navy-Yard.



Sie fuhr ihren Ford Shelby GT 500 KR, wie eigentlich jeden Morgen, auf den Parkplatz am Navy Yard und machte sich auf den Weg zu ihrer Arbeitsstelle – leider hatte es nie zum Offizier zur See gereicht, sie war Aufgrund unterschiedlicher Faktoren nie zum Seedienst zugelassen worden. Stattdessen arbeitete sie in der Schreibstube für den Captain.

Naja, selbst dieser Job hatte seine Vorteile.



Als sie das Büro Captain Stones betrat, war eigentlich alles wie immer. Das Büro war in Stille getaucht – das würde sich aber noch ändern, wusste McConnaugh. Spätestens, wenn das Gurgeln des Kaffees, der durch die Maschine lief, zu hören war, würde die Stille verschwunden sein. Und spätestens, wenn der Geruch des Kaffees sich verbreitete, würde er den typischen Bürogeruch, dieser Mischung aus Teppichausdünstungen und Rasierwasser, Parfum und anderen Gerüchen, die einander überlagerten, verdrängt haben. Noch war es nicht soweit, aber noch war sie auch die einzige Person, die in diesem Büro war. Der Captain war natürlich auch noch nicht im Büro. Wahrscheinlich – so vermutete sie – schlief er noch mit seiner mehr als perfekten Frau in diesem mehr als perfekten Bett und träumte den mehr als perfekten Traum. Sie hatte das „Glück“ gehabt, einmal auf einer Party des Captains eingeladen gewesen zu sein und – ehrlich gesagt – war die Party langweilig gewesen und die ‚anregende Gesellschaft’ noch langweiliger. Und seine Frau? Man stelle sich ein Supermodell vor, entsprechende Kurven, verlängere die Beine plus X und füge dieser perfekten äußerlichen Hülle den Grips einer Kernphysikerin oder sonstigen Physiknobellpreisempfängerin hinzu. Dazu einen subtilen Witz und eine Schlagfertigkeit, die fast schon ans Unmögliche grenzte. Das alles war die Frau des Captains und der Captain war jeden Tag aufs neue in dieses überirdisch schöne Geschöpf verliebt.

Eine Frau mit Witz, Aussehen, Welt, Kultur, Art, menschlicher Anteilnahme – sie spendete für wohltätige Zwecke – und McConnaugh konnte dazu nur eines sagen: „Langweilig.“



Für McConnaugh war diese Frau der Inbegriff dessen, was Fanfiction-Autoren, zu denen sie selbst ebenfalls gehörte, als Mary Sue abtaten, der unmöglichen, der Perfekten Frau mit Körper und Grips, die unfehlbar ist, die einfach nur „Über“ ist.

Und unter Fanfictionautoren galt es eigentlich als unschicklich, eine Mary Sue zu erfinden.



Und wo sie gerade an eine Mary Sue dachte, fiel ihr dieser wunderschöne Rotschopf auf, die da gerade zur Tür hereinkam. Ihr folgte das klassische Gegenstück zu einer wunderschönen Frau, ein Typ der zwar recht groß und recht gut gebaut war, aber offenbar nicht sonderlich helle zu sein schien.

Dieser Typ lächelte sie an, trat auf sie zu und lehnte sich, seitlich, auf ihren Schreibtisch.

Dabei riss er einige Gegenstände um, was er bemerkte und, beim Versuch, die Sache zu beheben, die Sache dadurch verschlimmerte, das er es versuchte.



McConnaugh rollte mit den Augen, schaute den Mann an und lächelte dann gezwungen-freundlich: „Wie kann ich Ihnen helfen?“

Ihr Gegenüber lächelte ebenfalls, leider nicht freundlich und auch nicht sonders hübsch und sprach dann mit einer Stimme, die mit viel Fantasie an ein quietschendes Garagentor erinnerte: „Ich bin auf der Suche nach Captain Stone.“
„Der Captain ist zur Zeit nicht am Platz, aber wenn Sie warten möchten? Ich nehme an, dass sie einen Termin haben?“, fragte sie mit zusammengekniffenen Augen und der Mann mit der Garagentorstimme drehte wandte sich an die junge Frau, die mit einem Gegenstand von der Größe einer Playersschachtel im Raum herumfuchtelte. Naja, sie „fuchtelte“ nicht, sie bewegte den Gegenstand so, als würde sie etwas scannen – als wäre es ein Gerät, mit dem man Wärmeveränderungen ausfindig machen könne.

Stirnrunzelnd betrachtete sie die Frau, was der Mann offenbar merkte, sich wieder zu ihr umwandte und erklärte: „Das is’n Taschenrechner.“


Stirnrunzelnd wandte sich McConnaugh an den Typen und lächelte: „Taschenrechner, ja?“

„Neuestes Modell.“, erklärte der Mann lächelnd und wandte sich an seine Gefährtin: „Bianca, hast Du inzwischen was herausgefunden?“
‚Bianca’ wandte ihm ihren Kopf zu und kicherte: „Du wirst es nicht glauben – zwei mal zwei bleibt vier. Auch hier.“

Er schien ein wenig enttäuscht von diesem Ergebnis, atmete tief durch und schaute dann anschließend McConnaugh an: „Es tut mir leid, wenn wir sie gestört haben sollten.“

„Kein Problem.“, lächelte McConnaugh, wenn auch ein wenig genervt, „Ich bin aber sicher, der Captain kommt gleich.“

Der Mann schüttelte den Kopf: „Ähm, nicht weiter notwendig.“

Damit nickte er ihr zu, verließ den Raum, ebenso die Frau mit den Modelmaßen.

Nun war es an McConnaugh, den Kopf zu schütteln.


Die Frau bückte sich kurz, schaltete den PC an, richtete sich auf und aktivierte den Monitor. Die Passwortanfrage beantwortete sie mit dem entsprechenden Codewort – „Gary 7“ – und machte sich an die erste Aufgabe des Tages.

Kaffee kochen.

Normalerweise gingen die hohen Tiere ja alle in den Officers Club ausserhalb des Yards, einen knappen Kilometer von hier, aber Stone war da anders. Er bevorzugte den Kaffee, den sie zubereitete und das empfand sie als Lob, schließlich gab sie sich für den Kaffee auch Mühe.

Anschließend wandte sie sich wieder ihrem Rechner zu und lud Termine aus dem E-Mail Account in den Terminplaner, druckte diesen aus und machte sich auf den Weg zum Büro ihres Bosses.

Sie öffnete die Tür, legte die Akten auf den Tisch, kehrte zu ihrem Arbeitsplatz zurück und arbeitete weiter.



Als ihr Blick auf die Uhr fiel, war es kurz nach 12.

Captain Stone war immer noch nicht da, was sie nun langsam, aber sicher als Merkwürdig erachtete. Sie beschloss, ihn anzurufen.

Um viertel nach 12 hatte sie alle Kommunikationsmöglichkeiten zu Stone ausprobiert und alle Versuche, ihn zu erreichen, waren ergebnislos.

Zu Hause war er nicht, ans Handy ging er nicht, den Beeper ignorierte er. Das besorgte sie nun wirklich, also schaltete sie den Computer in den Standby-Modus, dank der Passwortabfrage konnte keiner an entsprechende Daten kommen, stand auf und ging zur Tür, um zum NCIS zu gehen.

Doch kaum, dass sie an der Tür war, ging selbige auf und ein extrem atemloser Captain Thaddeus Stone stand im Raum.

„Boss, ich hab mir schon Sorgen gemacht.“, sagte McConnaugh und zog die Jacke wieder aus. Thaddeus Stone schaute sie einen moment lang wie ein Gespenst an, fing sich dann wieder und lächelte.
„Ich war ein wenig … unterwegs.“, erklärte er, ging an ihr vorbei zu seinem Büro, während sie ein wenig unintelligent dreinblickend in der Tür stand und sich zu ihm umdrehte.

„Sie waren unterwegs, Sir?“, fragte sie verblüfft, „Knappe zwei Stunden waren Sie unterwegs, ohne bescheid zu geben?“

Stone wandte sich ihr zu – milder Spott funkelte in seinen Augen: „Habe ich irgendwo Ihre Ernennung zu meinem Kindermädchen verpasst?“

In diesem Moment merkte McConnaugh, dass sie nicht nur einen, sondern gleich zwei bis drei Schritte zu weit gegangen war, und nicht nur gegangen, sie war diese drei Schritte gesprungen.

„Natürlich nicht, Sir, es tut mir leid. Ich…“, setzte sie an und Stone lächelte nur: „Ist doch kein Thema. Was gibt es Neues für mich?“

„Nun, Sir“, jetzt war McConnaugh in ihrem Element, „Um 13 Uhr sind Sie mit dem SECNAV zum Mittagessen verabredet, 14 Uhr sollen Sie einen Lehrgang an der Academy abhalten und um 15 Uhr…“

„Bin ich hier weg.“, sagte Stone und schaute sie an, „Ich hab heute noch genug Anderes zu tun.“

DAS war wirklich ein Novum. Normalerweise war Thaddeus Stone ein Musterbeispiel an Pedanterie, nahm jeden Termin beim Wort und beim verabredeten Zeitpunkt, blieb länger, wenn die Arbeit liegengeblieben war, nahm jede, noch so kleine, Gelegenheit war, auf Fortbildungen zu gehen… und eben jener Thaddeus Stone stand nun vor ihr und behauptete tatsächlich, dass er noch Anderes zu tun hätte und eben nicht länger bleiben würde, als unbedingt notwendig – schlimmer noch, er ging einfach so.



Im Psychologiekurs an ihrer High School hatte sie gelernt, dass wenn jemand einen solch starken Charakterwandel durchmacht, dass er seine vertrauten Gewohnheitsmuster ablegte und sich Neue zulegte, eine gewisse Krise von dieser Person durchlebt wird - zumindest wäre dies eine Möglichkeit, diesen Wandel zu erklären.

Was mochte Captain Stone auf der Seele liegen, das er sich so verhielt? Gab es zu Hause Streit? Was beschäftigte ihren Boss?

Es war eine Frage, mit der sie sich noch einige Stunden beschäftigte, doch um 15 Uhr, als Stone ging, drehte er sich zu ihr um und lächelte ihr zu: „Wissen Sie was? Machen Sie heute auch eher Feierabend. Der Yard ist auch morgen noch da.“



Das war nun wirklich merkwürdig und es beschäftigte sie so sehr, das auch sie entgegen ihrer normalen Gewohnheiten nicht ihre normale Strecke joggte, sondern sich im, dem Yard gegenüberliegenden, Anacostia Park in die Büsche schlug.

Noch etwas, das sie normalerweise nicht tat, war, in ihrer Uniform zu joggen.

Warum sie das alles tat, wusste sie auch nicht, sie wusste nur, das ihr der Charakterwechsel Captain Stones ein wenig Kopfzerbrechen bereitete. Naja, vielleicht würde man morgen mal darüber reden können.

Sie joggte weiter, kam nun in die Sektion C des Parks, eine mit Bäumen bewachsene Grünfläche und stockte, als sie etwas auf einer Lichtung schimmern sah.

„Was ist das denn?“, murmelte sie und trat näher.

Und dann schrie sie entsetzt auf.

Mitten auf der Waldlichtung befand sich Captain Stone, mit einem Schwert im Brustkorb.



Eine Leiche in einer Waldlichtung
 
Kapitel 2



eine Zigarettenschachtel mit höchst merkwürdigem Inhalt




Aufzugstüren haben ein ganz Charakteristisches Geräusch – dieses „Ding“, das einen daran erinnert, das jender Raum, in dem man sich befindet, keineswegs ein Konferenzraum ist, auch, wenn Leroy Jethro Gibbs ihn gerne als solchen verwendete. Aber, wenn der Lift hielt und die Tür sich mit diesem „ding“ öffnete, dann wurden lächelnde Freunde zu verknöcherten Feinden, wurden aus Leroy und Jenny wieder „Gibbs“ und „Madame Director“ aus Leroy und Leon wieder „Gibbs“ und „Director“ – kurz, dieses „ding“ verursachte regelmäßig einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum.

Ding!

Die Aufzugtüren glitten auseinander und Anthony DiNozzo verließ den Lift. Es gab Tage, an denen man lieber im Bett hätte bleiben sollen und heute war ein solcher Tag. Morgens früh war er von Lustbekundungen geweckt worden. Nicht, dass er selbst selbige ausgestoßen hätte, oder eine hübsche Frau neben ihm – nein, die Lustbekundungen kamen von draußen.
Verdammte Katzen. Es war Mai und wenn Katzen schnurrten hieß es meistens nur „Meow!“. Und das Katzen sehr schnell in ihre „Hitze“ kommen konnten, wusste er. Er hatte die Fernsehserie „Dark Angel“ oft genug gesehen und Jessica Alba war nicht nur als Max heiß, nein, sie verfiel drei Mal pro Jahr in einen Zustand, in dem sie – nach eigenem Bekunden – „vor Geilheit die Wände hochging“. Oh, er hatte diesen „Jessica Alba-Crush“ seinerzeit gehabt, aber wie so jede Schwärmerei für einen „Star“ ist, wuchs man irgendwann raus.
Und das hatte er getan, spätestens seit Ziva David den NCIS betreten hatte.
Na gut, vielleicht nicht direkt, nachdem sie ihn betreten hatte, schließlich trauerte er zu dem Zeitpunkt gerade um Catelyn „Kate“ Todd, aber, als er weiter mit ihr arbeitete, kam er nicht umher, festzustellen, dass Ziva David durchaus attraktiv war.

Die Finger der hübschen Frau huschten über die Tastatur und sie stieß dabei wilde, arabisch klingende Flüche aus.
„Funktioniert der Computer nicht, Ziva?“, fragte er grinsend und betonte das A ziemlich lange – so wie er es immer tat.
Augenblicklich fand er sich ein einer Art Scheinwerferlicht gefangen, denn ihre hübschen braunen Augen schauten ihn an und er war wie gelähmt.
„Ich verstehe den Computer nicht.“, klagte sie mit ihrer angenehmen Stimme, „Er meint, mein Passport sei fehlerhaft.“
„Passwort, Ziva“
Diese typische Korrektur ihrer leicht fehlerhaften Aussprache nahm Tony immer wieder gerne vor, besonders, wenn es eine Möglichkeit war, ihm selbst eine bessere Laune zu verschaffen. Und – bei Gott – das hatte er heute nötig.
„Dein Passwort ist fehlerhaft.“, sagte er erneut und trat um den Tisch herum und neben sie, „Lass mich mal sehen.“
Er klickte auf „Neuen Login“ und versuchte sich selbst an der Arbeitsstation einzuloggen.
„Dinozzo“ gab er als Benutzernahmen ein und wandte sich dann an Ziva: „Wenn Du kurz wegschauen könntest.“
Mit einem „hmpf“ kam sie dieser Aufforderung nach und Tonys Finger glitten über die Tastatur.

Er hatte damals ein neues Passwort ordern müssen, da das alte Passwort mit zuviel schlechten Erinnerungen verbunden war.
Genauergesagt hatte er aus diesem Grunde schon zwei Passwortänderungen beantragt, was bei den entsprechenden Stellen für einen Brief an ihn gesorgt hatte.
„Sorgen Sie gefälligst dafür, dass das nächste Passwort einen permanenten Charakter hat.“, war die Kernaussage dieses Briefes gewesen und er hatte doch nochmal die Chance bekommen, sein Passwort auszusuchen.
Und so gab er ein: „Z12I11V19A79“
Er drückte die Entertaste und sofort blinkte auf dem Bildschirm eine Nachricht.
„Passwort fehlerhaft.“
Stirnrunzelnd versuchte Tony es erneut, doch an der Bildschirmaussage änderte sich nichts.
„Tony, das würde ich nicht tun.“
Mit diesen Worten betrat Timothy McGee den Bullpen – also ihre Arbeitsstätte – und schaute zu Tony: „Offenbar haben wir einen Hackerangriff hinter uns – sämtliche Daten sind verschlüsselt worden, als wir es bemerkt haben. Jedes Passwort, jedes Kilobyte an Daten kann gerade von irgendwoher abfangen werden.“
„Ein Hackerangriff, McGoogle?“, echote Tony und schaute den Agenten an, „Warum hat uns unsere Firewall nicht davor geschützt?“
„Nun, offenbar hat der Angreifer eine fortschrittliche, sich mehrfach-kodierende Software verwendet, die es einfach macht, in jedes System einzudringen.“, gab der jüngere der beiden Agenten zurück und begann, auf die Tastatur seines Computers einzuhacken.
Das verwirrte Tony.
„Was tust du da, Bambino?“, fragte er, „Ich meine, wenn all unsere Informationen gerade abgezogen werden, ist es unsinnig, dem Hacker weitere Informationen zu geben.“
„Das schon, aber ich kann versuchen, mich quasi auf dem Rücken des Signales in die entsprechende Software einzuklinken. Vielleicht finde ich was.“
Dies erklären und weiterhacken war für McGee eines.
Und gerade als Tony eine erneute Frage stellen wollte, betrat Leroy Jethro Gibbs den Raum.
„Tony, Ziva, packt eure Sachen. Ein toter Marine im Anacostia-Park, Sektion C.“, sagte er mit der typischen Routine des erfahrenen Chefermittlers, „Ducky und Palmer sind schon vor Ort. Elfenkönig, du kümmerst dich um den Hackerangriff.“
„Verstanden, Boss.“, erwiderte McGee und tippte erneut auf die Tastatur ein, ein Musterbeispiel an Konzentration.

Mit dem Auto bräuchte man normalerweise 4 Minuten um zum Tatort zu gelangen – wohlgemerkt normalerweise, will heißen: Wenn Ziva David nicht fahren würde. Da sie jedoch diejenige war, die am Steuer saß, brauchte man für diese Strecke rund 2 Minuten 15. Zeitersparnisse ließen grüßen. Der Tote hätte es ihnen gedankt, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre.

Als sie am Tatort ankamen, war dieser schon großzügig mit jenem gelben Flatterband abgesperrt, dass den Tatort als eben solchen auswies. Gerade, als sie ankamen, lies der Leichenbeschauer, Donald Mallard, der von seinen Freunden nur Ducky genannt wurde, sein Adlerblick über das Schwert streifen.
„Eine sehr interessante Waffe!“, sagte er, mit Blick zu seinem Assistenten, dem Coroner James ‚Jimmy’ Palmer, der zu Füßen des älteren Ducky gerade die ersten Vermessungen vornahm. Typisches Standardprozedere eben.
„Was hast Du für mich, Duck?“
Diese Frage wurde von Gibbs gestellt, der mit langen, gemessenen Schritten über den grünen Rasen auf Ducky und Jimmy zukam, Ziva und Tony im Schlepp, an die er sich nun mit den Worten „DiNozzo, Tatortzeichnungen, David Tatortfotografie!“ wandte.
Sofort machten sich die beiden Agenten an ihre Arbeit.
Gibbs und Ducky kannten sich seit mindestens 10 Jahren und seit genau dieser Zeit war es eine unumstößliche Konstante, mit der der Leichenbeschauer seinen Monolog eröffnete.
Stets verwandte er die Floskel „Nun Jethro“ und er tat es, sehr zu Gibbs innerer Beruhigung, auch dieses mal.
„Nun Jethro“, setzte er also an, „dieser arme Mann wurde von hinten mit einem typischen Langschwert erstochen. Dieses wunderschöne Schmuckstück mißt in der Länge einen Meter vierzig und kann“, er richtete sich auf, „sowohl von nur einer Hand, wie auch als Beidhänder geführt werden – deswegen nennt man es auch Bastardhänder. Weißt du, Jethro, das erinnert mich an die Zeit als junger Student, als ich diesen Fechtkurs bei…“

„Ducky?“, machte Gibbs, ebenfalls nach alter Tradition, um den Älteren in seinem Redefluss zu mindern.
„Unser Opfer wurde von hinten erstochen. Es kann sein, dass er seinen Mörder nie gesehen hatte.“, sagte Ducky und Gibbs schaute ihn an: „Haben wir einen Namen?“

„Haben wir.“, meldete Palmer und hielt den neuen, tragbaren „AFIS“-Scanner hoch, „Unser Toter heißt Captain Thaddeus Stone.“

„Gibt es irgendwelche Zeugen?“, fragte Gibbs und schaute zu Ducky herüber, der auf eine junge Frau deutete: „Ihr Name ist Laura McConnaugh. Sie ist Petty Officer.“



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Mit solchen und ähnlichen Anweisungen, die einem Computerlaien ungefähr so sinnvoll wie “Tschitty-tschitty-bäng-bäng” erscheinen mögen, hackte Timothy “Tim” McGee auf seinen Computer ein.

Er versuchte seit geschlagenen drei Stunden diesem merkwürdigen Hackerangriff Herr zu werden, der da auf den Hauptrechner des NCIS geführt wurde und er merkte, wie wenig er diesem Angriff doch entgegen zu setzen hatte. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass diese Technik, die dort zum Einsatz kam, fortschrittlicher war, als es der momentane Wissensstand die Informatik betreffend in allen Ländern dieser Erde vereint sein konnte. Jedes mal, wenn er dachte, eine Firewall geknackt zu haben, tat sich eine neue auf und jedes mal, wenn er eine Firewall um den Computer aufbaute, wurde sie binnen Nanosekunden selbst geknackt.

Das war irgendwie komplett unverständlich für den damaligen Leiter der Cybercrime-Abteilung.

Hier stimmte doch definitiv etwas nicht.



Das tat es wirklich nicht, denn plötzlich hatte er das Gefühl, dass jemand da wäre. Er hob den Kopf und sah in zwei unglaublich schöne, grasgrüne Augen, die zu einer Frau mit feuerroten Haaren und einer Figur gehörten, die eindeutig Modelmaße hatte.

Beinahe wäre ihm die Kinnlade heruntergeklappt, aber – er war Gentleman, das schickte sich nicht. Allerdings würde er ihr eine Rolle in seinem neuen Roman, so er denn irgendwann mal einen schreiben würde, zukommen lassen.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er mit neugieriger Stimme.

Die Frau lächelte: „Ja, ich bin Silvia Esperanza und ich suche jemanden. Vielleicht kennen sie ihn? Er ist ungefähr zwei Meter groß, hat kurzes blondes Haar – einen Igelschnitt – und blaue Augen. Haben sie ihn gesehen?“

„Nein, habe ich nicht.“, erwiderte McGee und Silvia schaute ihn ein wenig enttäuscht an: „Schade, Agent McGee. Ich dachte, man hätte sich vielleicht ein wenig unterhalten können.“

Nun runzelte Tim die Stirn: „Sekunde, woher kennen Sie meinen Namen?“

„Sie hat gute Augen“, garagentorquietschte die Stimme eines jungen Mannes, der wie aus dem Boden gewachsen neben ihr auftauchte und mit einer Art Taschenrechner herumzufuchteln schien.

„Und Peter?“, fragte Silvia und der Angesprochene zuckte mit den Schultern: „Die Wurzel aus 49 ist und bleibt 7.“

Erneut schien Silvia enttäuscht, winkte zu McGee herüber und machte sich dann auf den Weg zum Aufzug. Der junge Mann verneigte sich, folgte ihr und schaute sie an: „Wer is’n das?“

„Das, Schatz, ist Timothy McGee.“

„Was?“, fragte Peter und drehte sich um: „Kann… kann ich ein Auto… AU!“

Der letzte Laut war darauf zurückzuführen, dass Silvia ihn am Arm griff und mit sich in den Aufzug zog.

Verdattert schaute McGee auf seinen Monitor, tippte, mehr oder weniger verdrossen auf die Entertaste seines ergonomisch-geformten Keyboards und staunte nicht schlecht, als der Computer plötzlich – ohne elektronisches Murren und datentechnisches Knurren – hochfuhr und seinen Dienst wieder aufnahm.

„Was ist denn jetzt los?“, fragte er sich.



„Was ist denn jetzt los?“, fragte sich an einem anderen Ort auch Petty Officer Laura McConnaugh, als sie den grauhaarigen Mann auf sich zukommen sah. Sie kannte ihn – nicht nur die regelmäßigen Auftritte in den Medien, die sich meistens auf ein trockenes „Kein Kommentar“ von ihm beschränkten, auch ein Artikel in der monatlich erscheinenden „Navy Yard Gazette“, einer eigentlich ganz gut recherchierten Zeitung, die sich wohltuend von den ganzen populär-journalistischen Ausflügen anderer Presseorgane in die Welt der „yellow-press“ abhob, hatten ihn, zumindest unter regelmäßigen Mitarbeitern des Navy Yard bekannt gemacht. Leroy Jethro Gibbs trat auf sie zu, nahm Verhörposition ein und stellte, in einer angenehmen Stimmfärbung die Fragen, die ihn interessierten.



Eigentlich war es die übliche Befragung. „Wo waren Sie zur Tatzeit?“, fragte er beispielsweise, oder „Wann haben Sie das Opfer zuletzt gesehen?“

Sie erklärte ihm alles – das sich Stone heute schon den ganzen Tag so merkwürdig verhalten habe, dass sie nicht wüsste, was da genau los wäre, was sie vermutet hatte… und natürlich sparte sie auch nicht die beiden merkwürdigen Zeitgenossen mit ihrem Taschenrechner aus dem Bericht nicht aus.



„Ein … Taschenrechner?“, fragte Gibbs und schaute McConnaugh verdattert an, „Was meinen Sie mit ‚Taschenrechner’?“

„Naja“, setzte Laura an und zuckte mit den Schultern, „Wie soll ich es sagen? Der Mann hatte einen Taschenrechner in der Hand. Er hatte ungefähr die Maße einer herkömmlichen Zigarettenschachtel oder Taschentuchpackung. Der Gegenstand war grau und musste offenbar eine Art Display oder so haben, denn der Mann mit der merkwürdigen Stimme schaute andauernd darauf.“

„Und Sie kamen nicht auf die Idee, nachzufragen, was das für ein Gegenstand sein könnte?“, mischte sich Tony ein, der gerade mit der Tatortskizze fertig war und langsam herübergeschlendert kam. Er hatte ein Telefon in der Hand und schaute Gibbs an: „Boss, ich hab einen Anruf für dich. Es ist McGeek.“



Am Ufer des Anacostia-Rivers, dort, wo man einen Blick darauf hat, wie der Anacostia in den ungleich breiteren Potomac-River einmündet, standen zwei Personen. Die eine, mit rotem Haar und grünen Augen, die klug in die Gegend blickten, schaute zu der Anderen, die immer wieder auf den Gegenstand in seiner Hand eintippte, herüber und lächelte belustigt.

„Schatz, kann es sein, dass Du mal wieder rettungslos überfordert mit der modernen Technik bist?“, fragte sie mit einem Gurren in der Stimme, das einerseits ihr Amüsement und zum anderen eine leicht erotische Spannung verriet.

Der Angesprochene blickte verdattert hoch, machte einen unintelligenten Laut („Hä?“) und blickte dann wieder auf den Gegenstand.

„Schatz, ich rede mit dir.“, lächelte sie, griff den Gegenstand und dann seinen Kopf um ihn langsam ihr zu zudrehen. Er blinzelte sie verdattert an: „Ich… arbeite gerade.“

„Das tue ich auch.“, schnurrte sie, „Aber … wir sind in Washington, das ist lebende, atmende Geschichte. Interessierst Du dich denn gar nicht dafür?“

„Natürlich.“, erklärte er, „Mich würde schon interessieren, wie Präsident McClintock sich vom Weißen Haus aus nach San Francisco aufgemacht hatte, um den Waffenstillstand mit der ÖKol zu unterzeichnen und damit Colonel Green mundtot zu machen. Aber – das können wir nicht… zumal McClintock…“

„McClintocks Vater arbeitet gerade an Dreharbeiten zu Warehouse 13. Den Besuch kannst Du knicken, Cal.“

„Ich weiß, Agatha, aber…“

Die mit Agatha angesprochene Frau stockte plötzlich und schaute in die Ferne. Dort, wo die aufgespießte Leiche Captain Thaddeus Stones mit einem Leichentuch bedeckt worden war, stand Laura McConnaugh und hatte auf die Beiden gedeutet. Es waren keine 400 Meter, die die Beiden von McConnaugh und den Agenten trennten, und Agatha wusste, dass 400 Meter für trainierte Agenten keine Distanz sind.

Wie Wikipedia zu berichten weiß, erreichen Spitzensportler Zeiten um 44 Sekunden, um die Distanz von 400 Metern zu überbrücken und Spitzensportlerinnen Zeiten um 48 Sekunden.

Ziva jedoch war keine Spitzensportlerin – sie war besser.

Während Cal und Agatha noch überlegten, was zu tun wäre, war die athletische Frau herangekommen und hatte ihre Pistole gezogen.

„Keine Bewegung.“, bellte sie und Cal nahm, in einer sehr schnellen Bewegung die Hände hoch, was Agatha zu einem Augenrollen nötigte, „Gehorchst Du eigentlich jeder Frau so schnell, Schatz? Ich dachte, das machst Du nur bei mir.“

„Naja – wenn Sie eine Waffe auf mich richtet, schon.“, erklärte der Mann ihr und schaute zu Ziva: „Erm, Hallo – ich bin friedlich, könnten Sie bitte dieses archaische Schusswerkzeug nicht direkt auf meinen Kopf richten?“



„Na Ziva, machst Du dir schon wieder Freunde?“, fragte ein locker über den Rasen schlendernder Tony DiNozzo und schaute die beiden Fremden an. Es war mal wieder ein toller Anblick gewesen – kaum das Gibbs den Anruf erhalten hatte, der ihn offenbar alarmierte, hatte er Ziva einen Wink gegeben, auf die Beiden, die da 400 Meter von ihnen entfernt am Ufer herumknutschen wollten, gezeigt und Ziva war schneller und eleganter losgelaufen, als er sich das je hätte vorstellen können. Aber so war es halt mit ihr. Er liebte sie dafür.



Für Gibbs hatte der Tag schon einige merkwürdige Wendungen genommen – da war dieser merkwürdige Hackerangriff auf den Computer des NCIS, die bizarre Tötung von Captain Stone und jetzt auch noch dieser Anruf. Es war McGee gewesen – er hatte ihm erzählt, das bei ihm im Bullpen zwei komische Gestalten aufgetaucht waren, merkwürdige Fragen gestellt hätten und dann wieder verschwunden seien. Als er sich dann wieder um seinen Computer habe kümmern wollen, sei alles wieder wie beim Alten gewesen. Was Gibbs allerdings alarmierte, war die Erwähnung dieses merkwürdigen Gegenstandes, den sowohl McGee, als auch McConnaugh beschrieben hatten. Und dann hatte Laura plötzlich auf ein Pärchen in der Ferne gedeutet und gesagt: „Das sind sie.“

Daraufhin hatte er Ziva angeschaut, ihr das militärische Zeichen für „Schnapp sie dir!“ gegeben und sie war losgesprintet. Nun ging auch er auf die Beiden zu, griff sich den Gegenstand, den der Mann noch in der Hand hatte und klappte ihn auf.

Verwirrt betrachtete er, was er da in der Hand hielt.

Es war eine Zigarettenschachtel – schon klar.



eine Zigarettenschachtel mit höchst merkwürdigem Inhalt
 
Kapitel 3

Ein leblos daliegender Gibbs



Es war eiserne Routine – die rothaarige Frau saß in dem einen Verhörraum, der braunhaarige Mann in einem Anderen.

Gemäß Gibbs Regel Nummer 1 „Lass Verdächtige niemals zusammensitzen“, hatte man die Beiden getrennt, was die Rothaarige besser wegsteckte, als ihr Partner. Schaute sie beinahe ausdruckslos drein, verriet der Blick des Mannes eine gehörige Menge Missmut.

Die Tür öffnete sich und Ziva betrat den Raum, in dem der junge Mann saß und schaute ihn neugierig an.

„Wer sind Sie?“, fragte die Frau und er legte den Kopf schief.

„Ich bin nicht befugt, das zu sagen.“, erklärte er dann und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er zur Seite blickte.

Die israelische Schönheit lächelte ihn an, ging dann auf ihn zu und beugte sich vor.

„Wer sind Sie?“, fragte sie erneut und der Mann schüttelte den Kopf: „Nein, nicht in einer Millionen Jahre.“

„Nicht in einer Millionen Jahre?“, echote die Frau und lächelte ihn freundlich an: „Das wollen wir doch mal sehen.“

„Hören Sie, ich kenne meine Rechte.“, sagte der junge Mann und blickte Ziva in die Augen: „Ich bin, gemäß der Verfassung des Jahres 2012 befugt…“

„2012?“, fragte die Israelin und schaute ihn verdattert an: „Was meinen Sie mit 2012?“

„Sie wissen schon. Die konstitutionelle Verfassung, deklariert am 18. August 2012, die mir das Recht gibt…“

„Wenn Sie versuchen, mich übers Kreuz zu legen, dann sind Sie bei mir an der falschen Adresse.“, sagte Ziva und setzte sich vor ihm auf den Stuhl, die Beine verschränkt, Hände parallel zueinander auf den Tisch gelegt und ihn anschauend, „Wer sind Sie?“

„Ich bin nicht befugt, das zu sagen.“



Im anderen Verhörraum saß die Rothaarige auf einem Stuhl, vor ihr saß, mit einem freundlichen Lächeln Anthony DiNozzo.

Er legte vor ihr die Fotos von Captain Stone auf den Tisch: „Kommt er Ihnen bekannt vor?“

„Nein.“, sagte sie und schaute ihm in die Augen, „Tut er nicht. Wieso?“

„Weil Sie gesehen wurden, wie Sie das Vorzimmer seines Büros betreten hatten.“

„Von wem?“

„Einer Zeugin.“, antwortete DiNozzo und erwiderte ihren Blick. Sie schien kurz über das nachzudenken, was er sagte, legte den Kopf schief und schüttelte dann den Kopf: „Ihre Zeugin lügt.“

„Warum sollte sie?“

Ein Schulternzucken. Das war tatsächlich ihre Antwort, ein einfaches, fast schon gelangweiltes Schulterzucken. Dann blickte sie auf die Fotos von Captain Stone.

„Er ist wirklich tot, ja?“

„Unser Pathologe meint das zumindest. Was sollte er auch sonst sein?“

Nun schaute sie ihn an, verschränkte ihre Arme vor der Brust, verengte ihre Augen zu Schlitzen, ehe sie sagte: „Ich habe schon von Leichen gehört, die gar nicht tot waren. Die stehen einfach auf und gehen.“

Tony lachte. „Klar, wie Zombies, ja? Die Leichen erheben sich aus den Gräbern?“

„Nein“, schüttelte sie den Kopf, „Nicht wie Zombies. Es ist etwas viel Schrecklicheres, und wenn Sie sie gesehen hätten, würde ihnen der kalte Schauer über den Rücken laufen, wenn sie im Radio diesen einen Satz hören. Ich vergesse ihn niemals.“

„Und wie lautet dieser Satz?“, fragte Tony nach und legte den Kopf schief. Sie beugte sich vor, so weit, dass sie sich beinahe berühren konnten. Mit ernstem Blick, der sich durch die Augen tief in Tonys Seele bohrte, wisperte sie: „Widerstand ist zwecklos.“

Der NCIS-Agent schaute die Frau mit angehaltenem Atem an, merkte, dass sie diesen Satz komplett ernst meinte und offenbar daran GLAUBTE, was sie sagte. In ihrem Blick gefangen wand er sich, spürte, wie die unterschwellige Panik, die in diesem Satz innewohnte aus ihr heraus in sein Bewusstsein brandete. Er wollte sich dagegen auflehnen, dagegen kämpfen, er…

Das Klopfen an der Tür ließ Tony kurz zusammenschrecken, ehe er sich wieder fasste. Ziva stand dort, winkte ihn zu sich. Er stand auf und ging zu ihr.



„Ich weiß nicht, wie es mit Deinem ist, aber meine ist komplett verrückt. Sie glaubt tatsächlich, dass Zombies existieren.“, eröffnete DiNozzo, grinste dann schräg: „Aber sie kriegt eine Eins für „Atmosphäre“. Sie hat das wirklich gut verkauft.“

„Meiner ist aber auch ein wenig merkwürdig, Tony. Ich glaube, er hat nicht mehr alle Gläser im Schrank.“

„Tassen, Ziva. Das heißt ‚Tassen im Schrank’.“, korrigierte er sie, was sie dazu brachte, ihn böse anzufunkeln: „Wann wirst Du damit endlich aufhören, Tony?“

Er grinste schuljungenhaft: „Nie, dazu macht es viel zu viel Spaß.“

„Könnt Ihr mir mitteilen, was es Neues gibt?“, fragte plötzlich die etwas ungeduldig klingende Stimme von Leroy Jethro Gibbs. Kein Wunder – mitten auf dem Navy-Yard war ein Mord geschehen. Das setzte nicht nur Gibbs, sondern auch den Chef des NCIS, Leon Vance unter enormen Druck.

„Gibbs, unsere beiden Verdächtigen sind reif für die Klapsmühle.“, erklärte Ziva und stockte, als sie merkte, wie Tony sie verblüfft ansah. Sie fuhr herum: „Was?!“

DiNozzo grinste: „Ich finde es nur verblüffend, dass Du tatsächlich ein Idiom richtig verwenden konntest.“

Ihr „Ach, halt die Klappe“ nahm er mit einem noch breiteren Grinsen zur Kenntnis, das sich jedoch verflüchtigte, als er das Räuspern des Bosses wahrnahm. „’Tschuldige, Boss.“, machte er und in seinen Tonfall schlich sich so was wie Schuldbewusstsein.

Dann begann Ziva zu erzählen.



„Todesursache ist eine gewaltsame, penetrierende Durchspießung des Mediastinums von dorsal nach ventral-cranial, unter Beteiligung des Hemithorax, des Diaphragmas, des Herzbeutels, der rechten Herzkammer sowie des rechten Lungenflügels. Das Schwert befand sich zum Zeitpunkt der Untersuchung noch in situ. Das Austreten der Klingenspitze hatte eine Sternumfraktur zur Folge.", sprach Doktor Donald Mallard, der von seinen Freunden nur „Ducky“, von Gibbs aber manchmal auch „Duck“ genannt wurde, den Bericht in das kleine Tonbandgerät. Der Pathologe stand mit seinem Kollegen, dem Coroner Jimmy Palmer, neben dem toten Navy Captain Thaddeus Stone, als sich die Tür öffnete und Gibbs den Raum betrat.

„Gibt es was Neues, Duck?“, fragte er und der Angesprochene schüttelte den Kopf: „Nun, Jethro, die Todesursache ist tatsächlich genau so brutal, wie sie scheint. Die Verwundungen wurden nicht post mortem zugefügt, er wurde, in der Tat von hinten erstochen, ohne seinen Mörder je zu Gesicht bekommen zu haben.“

„Gibt es Fingerabdrücke am Schwert?“

„Nein, Jethro. Nichts dergleichen – unser Täter war sehr gerissen.“

Seufzend zog sich Ducky die Latexhandschuhe ab, die er getragen hatte, um die Autopsie durchführen zu können: „Jethro, wir haben es mit einem sehr, sehr kranken Täter zu tun.“

„Wie kommst Du darauf, Duck?“

„Schau Dir die Wunden an. Der Täter hat in einem einzigen, präzisen Schlag zugeschlagen – die Leiche wurde von hinten aufgespießt, unser guter Captain konnte den Mörder also noch nicht einmal sehen und der Täter hat das Opfer einfach so mitten in der Grünanlage liegen lassen – als ob es ihn gar nicht interessierte, ob die Leiche gefunden würde, oder nicht. Ich – kenne eigentlich nur eine Person, die dermaßen kaltblütig vorgehen würde.“

Gibbs nickte grimmig. „Ich auch – aber Ari Haswari ist seit knapp fünf Jahren tot.“



Ziva beugte sich vor, schaute dem jungen Mann in die Augen und suchte darin nach irgendwelchen emotionalen Reaktionen. Sie fand welche, aber keine, die ihn dazu bringen konnten, sich auszuweisen.

Was würde Tony nun tun?
„Kennen Sie den Miranda-Akt?“, fragte sie und der Mann nickte: „Ja – das Miranda-Protokoll. Und ja – ich kenne Red Heat.“

Ziva seufzte, schaute ihr Gegenüber ein wenig ungehalten an, ehe sie sich räusperte.

„Ich habe Durst und hol mir was zu trinken.“, informierte sie ihn, „Kann ich Ihnen etwas mitbringen?“

Ja – da war durchaus ein wenig Überraschung in des Mannes Augen zu sehen, als er kurz nachdachte, den Kopf schief legte und Ziva misstrauisch beäugte.

„Okay“, sagte er nach einer kurzen Sekunde des Schweigens, „Wenn Sie zu diesem Kaffeeanbieter im Erdgeschoss gehen, hätte ich gerne eine…“

Er überlegte, legte die Hand an das Kinn, ehe er wieder zu Ziva blickte: „Einen Iced White Café Mocha – aber ohne Kaffee – und eine große Schlagsahnehaube oben drauf. Größe? Die Elefantennummer – groß, größer, am größten. Muss passen. Und wenn es keine Umstände machte, bitte ohne Wahrheitsserum drin, ja?“

„Wo denken Sie hin.“, lächelte Ziva und ging dann.



Sie kam nach ein paar Minuten wieder, einen weißen und einen durchsichtigen Becher in der Hand haltend. „War gar nicht so einfach zu bekommen – aber für Sie mache ich das gerne.“, erklärte sie, mit einem der freundlichsten Lächeln, das man sich vorstellen konnte. Der Mann schaute zu ihr und grinste dünnlippig.

„Wird nicht funktionieren.“, erklärte er, trank einen Schluck seiner eiskalten weißen Schokolade mit Sahne und schaute dann zu ihr: „Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber … wissen Sie, erstens brauch ich das gar nicht, weil ich mich keiner Straftat schuldig gemacht habe und zweitens…“

Er stockte, trank erneut einen Schluck und lächelte sie entschuldigend an: „Miss… Sie sind wirklich freundlich. Ich mag sie – ehrlich. Aber… Sehen Sie, ich unterstehe einer Verpflichtung, einem Eid, der mich dazu zwingt… ich darf es nicht sagen.“

Zivas hübsches Gesicht verfinsterte sich, doch sie blieb ruhig, auch wenn sie am Liebsten ein paar Mossad-Verhörtechniken an diesem Mann ausprobieren wollte. Sie war sowieso eingerostet, was das anging. Übung machte den Meister.

Aber – inzwischen war sie US-Staatsbürgerin, Feldagentin beim NCIS… vielleicht war es ganz gut, dass sie zwar noch wusste, wie man mit dem geringsten Aufwand den größtmöglichen Schmerz bei einer Person verursachte, aber… sie scheute es.

Und das ärgerte sie – sie war mal effektiver und effizienter gewesen.

Der Mann räusperte sich: „Also … Entschuldigung, Miss… ähm… Miss?“ Er schaute sie fragend an und während er das tat, fiel ihm ein, dass sie sich ihm gar nicht vorgestellt hatte.

„Eine Unsitte ist das hier.“, grinste er, „Sie erwarten von mir, dass ich mich vorstelle, aber ich weiß nicht, wer die Person hinter diesen hübschen, nussbraunen Augen ist, die da dieses Detail über mich wissen möchte.“



Sie schüttelte verwirrt-amüsiert den Kopf: „Moment mal, jetzt fragen Sie mich aus?“

Der Mann trank einen Schluck weiße Schokolade und zuckte lächelnd mit den Schultern.

„Ziva David.“, stellte sie sich vor. Das ein Name Macht hat, war nichts Neues, aber diese Reaktion hatte Ziva nicht erwartet. Der Mann, der gerade eben einen Schluck getrunken hatte, spuckte das Getränk aus, schaute sie mit hervortretenden Augen an, in denen nichts als purer Unglaube stand und sprang dann auf.

„Das… das ist ja…“, stammelte er und hielt ihr dann die Hand hin: „Ich bin Calvin Cat – einer ihrer größten Fans. Ich meine, wie Sie die Bombe entschärft haben… einfach nur … genial.“

Gut – innerhalb ihrer Dienstzeit sowohl beim Mossad, als auch beim NCIS hatte sie viele „Heldentaten“ vollbracht und sicherlich war auch die eine oder andere Bombenentschärfung dabei gewesen, aber… das der Mann, der seine Identität hütete, wie seinen Augapfel, aufsprang und sich ihr vorstellte, die Hand hinhielt, und sie nun wartend anblickte, das war doch etwas, was sie ein wenig stutzig machte.

„Der Mann ist bekloppt.“, schoss es ihr durch den Kopf und sie schaute ihn fragend an: „Von… welcher Bombe reden Sie eigentlich?“

„Na, die Bombenentschärfung am Memorial Day… 2014… Sie wissen schon.“

Der Mann ist verrückt, verrückt, verrückt. , wiederholte sie im Geiste und schaute ihn immer noch verdattert an: „Ich weiß nicht wovon Sie reden, aber … wir haben definitiv erst den 27. September 2011.“

Nun schaute der Mann sie noch verdatterter an, als er es vorher getan hatte: „W… was? Wir h… haben 2011?“

Er schluckte: „Heiliges Temporales Paradoxon, Batman.“

„Temporales Paradoxon?“, echote Ziva und Cal schaute sie lächelnd an: „Nichts… hat nichts zu sagen…“

Er grinste: „Sagte ich gerade Bombe und Memorial Day 2014? Ist quatsch… ich erzähl hier nur rum, damit Sie mich nicht weiter mit Fragen behelligen.“

„Mister Cat…“, setzte Ziva an, doch Cal, der sich nun ganz wie ein verliebter Schuljunge grinsend auf dem Tisch niederließ und zu Ziva vorneigte, schnitt ihr das Wort ab: „Nennen Sie mich Cal – das tun alle meine Freunde.“
„Wie kommen Sie darauf, dass ich Ihre Freundin bin?“, fragte Ziva mit hochgezogener Augenbraue, was den Mann dazu veranlasste, laut zu lachen, sich zurückzulehnen, aufzustehen und auf ihre Augenbraue zu deuten. „SPOCK-Augenbrauen!“, schrie er in nahezu-manischer Begeisterung und Ziva schaute ihn einfach nur verdattert an.

Der Mann ist verrückt, verrückt, verrückt. , schoss es ihr durch den Kopf.



Im anderen Verhörraum saß die hübsche Rothaarige vor Tony und schaute ihn durchdringend an. Er räusperte sich, warf einen Blick auf das Foto des Toten und erwiderte dann ihren Blick.

„Die Zeugin hat Sie in der Nähe gesehen, Miss.“

Kurz schaute die Rothaarige ihn an, ihr Blick änderte sich, wurde nachdenklicher, dann schüttelte sie den Kopf: „Ihre Zeugin lügt.“

„Warum sollte sie das tun?“, fragte DiNozzo und warf erneut einen Blick auf Captain Stone.

Er hatte ihn nie gekannt – warum auch? Die meisten Navy-Offiziere kannte man in seiner Branche erst dann, wenn sie tot oder verdächtig waren. Nun war Stone in die erste Kategorie gefallen. Tony hatte sich seine Akte angesehen, einen Blick auf das Hochzeitsfoto geworfen, das irgendwie seinen Weg in diese Akte gefunden hatte und wusste, dass ein Offizier eben dieser Navy irgendwann das Herz dieser hübschen Frau mit einem einfachen Satz brechen musste. Dieser Satz – er hatte ihn schon einige Male gesagt und jedes Mal war es am Anfang nicht einfach.

Vermutlich sollte es das auch nicht sein.

„Ma’am“, stellte er sich vor, diesen Mann – jetzt zu diesem Zeitpunkt - mit professionell-ausdrucksloser Stimme sagen zu hören, „Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann, Captain Thaddeus Alexander Stone, heute morgen im Anacostia Park leblos aufgefunden wurde.“

Die Reaktion würde die Gleiche sein, wie sonst auch immer.

Sie – Captain Stones Frau – würde durch die vier Phasen der Trauerbewältigung gehen.

Verdrängung, Aufbrechende Emotionen, Trennung, Damit-Klar-kommen. Es lief jedes Mal so ab und Tony wusste das – er hatte, während seiner Zeit beim Baltimore P.D. oft genug diese Nachrichten überbracht und die Reaktionen oft genug miterlebt. Er beneidete diesen jungen Mann – oder die junge Frau – die gerade vor Captain Stones Frau stand und aus erster Hand miterlebte, wie die Frau den Wäschekorb fallen ließ, um die Überbringerin der Todesnachricht ihres Mannes ungläubig anzustarren, nicht um diese undankbare Aufgabe.



Tony schaute die Rothaarige an: „Gegenfrage – warum sollte sie es tun? Warum sollte die Zeugin lügen?“

Pause.

Sein Gegenüber schaute zur Decke, wiegte abwägend den Kopf hin und her und zog die Stirn kraus. Dann fixierte sie ihn mit einem Blick aus diesen unglaublich grünen Augen: „Vielleicht hatte sie ein Verhältnis mit Captain Stone und hat ihn umgebracht, weil sie verrückt ist?“

Tony runzelte seinerseits die Stirn und schüttelte dann den Kopf: „Ich glaub nicht, dass sie Gaga ist.“

Die Rothaarige grinste: „Das heißt, die Zeugin, die uns gesehen haben will ist nicht Stefani Joanne Angelina Germanotta?“

„Bitte?“, blinzelte Tony überrascht und schaute sie an, ein einziger Ausdruck des Unglaubens, „Bitte wer?“
„Na, Sie sagten doch, die Zeugin, die mich belasten will, ist nicht „Gaga“. Na, wie viele Gagas kennen sie denn? Mir ist nur eine bekannt. Und das ist Stefani Joanne Angelina Germanotta – alias Lady Gaga.“

Der NCIS-Agent starrte sie verblüfft an und schüttelte dann den Kopf. Er wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich aus dem Nachbarraum drei Schüsse zu hören waren.

Die Rothaarige schaute entsetzt zu Tony, der starrte entsetzt zurück – im Nu waren beide auf den Beinen und hechteten zur Tür. Eigentlich wollte er noch stehenbleiben und ihr sagen, dass sie nicht mitkommen dürfte, doch da war sie schon bei der Tür, öffnete sie und rannte, mit wehenden roten Haaren zur Quelle der Geräusche. Tony folgte ihr – hoffentlich war Ziva nichts passiert. Was war da wohl geschehen?
Er erreichte die Tür, die Rothaarige stand dort, die Augen entsetzt aufgerissen und er sah auch den Grund. In der Tür lag jemand.

Einen Blick auf die Schuhe werfend stellte er fest, dass es nicht Zivas Dienstschuhe waren – die hatten einen leichten Absatz, diese hier waren flach. Gerade als er die Tür erreicht hatte, merkte er, wie ihm schlecht wurde.



Die Leiche vor ihm lag in einer Lache aus Blut, die Augen, die er oft genug gesehen hatte, starrten blick- und leblos in die Ferne und das braune Jackett, das er trug, war blutbesudelt.

Nicht er!“, schoss es Tony durch den Kopf, „ Alles, nur nicht er!“



Ziva kniete neben dem Mann, tastete nach seinem Puls, doch Tony war klar, dass die hübschen, braunen Augen der Israelin sich gleich mit Tränen füllen würden, so wie er spürte, dass es seine grünen Augen ebenfalls taten. Hart schluckte er und warf dann einen Blick zu dem Mann, der die Waffe in der Hand hielt und sich gerade vom Boden aufrappelte.

„Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da getan haben.“, knurrte er, versuchte, seine Beherrschung zu waren. Der Mann nickte. „Ja, ich habe gerade ihren Mörder umgebracht.“



McGee saß an seinem Computer, versuchte immer noch herauszufinden, wer sie den ganzen Tag gehacked hatte, aber – er fand keine Spuren eines Tracers oder eines Trojaners. Nichts – als wäre der Computer wieder das, als was er angepriesen worden war. Nutzerfreundlich.

Als er Tony vor ein paar Jahren den Vorteil dieses neuen Modells aufzeigen wollte, hatte dieser nur ein müdes Lächeln dafür übrig gehabt. „Dieser Computer erledigt die Hälfte unserer Arbeit!“, hatte McGee begeistert gesagt, worauf hin Tony nur mit den Schultern gezuckt hatte: „Dann bestell doch zwei.“

Jetzt, heute, ein paar Jahre später, war ihm irgendwie klar, dass der Italiener mit seiner Einschätzung der Situation nicht unbedingt unrecht gehabt hatte. Je toller ein solcher Computer ist, je neuer und je effizienter, umso einfacher kann man in solche Rechner eindringen, das hatte der Hackerangriff heute bewiesen.

Er ließ gerade noch einen Antivirenscan über die Festplatte laufen, als Leroy Jethro Gibbs auf einmal, wie aus dem Boden gewachsen, vor ihm stand.

„Wo sind die Beiden?“, fragte er und Tim schaute ihn verdattert an: „Welche Beiden, Boss?“

„Die Beiden, die wir festgenommen haben.“, klarifizierte der Mann mit den eisblauen Augen und McGee überlegte kurz: „Sie… müssten noch in den jeweiligen Verhörräumen sein, wieso?“

Gibbs drehte sich um und ging daraufhin in Richtung der Toiletten.

McGee versuchte weiterhin, heraus zu finden, welche Daten kopiert worden waren – und vor allem, was dahinter steckte.

Er war so in die Arbeit vertieft, dass er gar nicht mitbekam, was um ihn herum geschah – erst als er ein mädchenhaftes Räuspern hörte, blickte er auf und war verwundert. Direkt vor ihm stand eine junge Frau, die um die 25 sein mochte. Sie war hochgewachsen und kam ihm bekannt vor.

„Tim? Ich bin’s. Sarah Knox.“

Sarah Knox hatte er vor knapp einem Jahr kennengelernt, als die junge Frau ihm und dem Team als Praktikantin über die Schulter geschaut hatte. Damals hatten sie ein verschwundenes Mädchen finden müssen.

„Sarah?“, fragte McGee verwundert, „Wo kommst Du denn her?“
„Ich mach hier einen Aushilfsjob. Akten sortieren.“, lächelte sie.

Er lächelte zurück, als er die drei lauten und hässlichen Geräusche, jeder ein beinahe-Überschallknall, hörte, schreckte er auf.

„Was war das?“, fragte Sarah erschrocken und Tim war auf den Beinen: „Ein Schuss! Und er kam aus Richtung der Verhörräume!“

Er rannte los.

Nur ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf: „Gibbs!“



Der Mann, der sich selbst Cal nannte, trieb Ziva gerade in den Wahnsinn. Das Grinsen lies sein Gesicht ein wenig idiotisch wirken, das Funkeln in den Augen trug auch nicht dazu bei, ihn in irgendeiner Art und Weise sonderlich mental-gesund da stehen zu lassen.

„Entschuldigen Sie vielmals, Miss Ziva.“, sagte er, machte eine große Runde und betrachtete sich selbst im Spiegel: „Die Ohren hätten besser kommen können. Na ja, die nächste Regeneration sieht wieder anders aus. Ich könnte ohne Nase herumlaufen.“

Grinsend schaute er zu Ziva: „Stellen Sie sich vor: Ich ohne Nase.“

Die Israelin bedachte ihn mit einem sehr sparsamen Blick, der mit der Grenze zur bloßen Genervtheit flirtete: „Bitte?“

„Doctor Who.“, sagte er und grinste: „Ich versuche hier gerade ein wenig Kultur in den Laden zu bringen.“

„Kultur?“, echote Ziva und stand auf: „Ein Navy-Offizier wurde ermordet. Die Tat ist bar jeder Menschlichkeit und Sie wollen Kultur in den Laden bringen?!“

„Cal“ schaute die schöne Frau verdattert an, dann nickte er: „Ach so – der.“

Er schüttelte den Kopf und ging zu seinem Sitzplatz.

„Ist nicht wirklich tot. Der kommt wieder. Ich kenn das.“, sagte er und sein Tonfall verriet eine gewisse Unbekümmertheit.

„Sie sind wirklich verrückt, oder?“, fragte Ziva und „Cal“ schaute sie an. Er überlegte, nickte dann mit dem Kopf: „Ja.“

Als die Tür aufging, schauten der Befragte und die Befragerin überrascht auf. Gibbs stand in der Tür, schaute zu Ziva und fixierte dann Cal mit den eisblauen Augen. „Agent David? Lassen Sie uns beide bitte allein.“

Verwundert hob die Israelin die Augenbrauen, stand auf und fand sich im nächsten Moment gegen Cal gepresst wieder. Sie spürte, wie seine Hand an ihre Hüfte und zu ihrem Halfter glitt, dann die Waffe nahm und ihr einen Stoß gab, der sie zu Boden gehen ließ.

Die Waffe auf Gibbs gerichtet, starrte Cal den leitenden Ermittler des NCIS an, der seinerseits still stehen blieb, die Hände ausgebreitet, so, wie man es ihm, Ziva und den anderen Aussendienstmitarbeitern des NCIS als Geste der De-Eskalation beigebracht hatte.

„Was…“

Weiter kam Gibbs nicht, denn in diesem Moment drückte der Mann, der vorher noch so nett und freundlich lächelnd geplaudert hatte, mit todernstem Gesichtsausdruck drei Mal ab.

Zivas Reaktion war schnell.

Mit einem Kampfschrei trat sie Cal zuerst die Waffe aus der Hand, wirbelte herum und trat ihm dann noch mal gegen das Kinn. Benommen – oder bewusstlos – taumelte der junge Mann gegen die nächste Wand und rutschte an ihr herunter.

Dann erschien DiNozzo im Raum, starrte entsetzt auf Gibbs Körper, der einfach im Türrahmen kollabiert war. Die Rothaarige, die sie ebenfalls festgenommen hatten, schaute schockiert aus grasgrünen Augen auf den bewusstlosen – oder benommenen Mann – der sich in diesem Moment aufrappelte und aufstand.

Und als McGee ebenfalls in den Raum kam, prallte er entsetzt zurück und warf einen Blick auf das Bild, das er vor sich sah.

Ein leblos daliegender Gibbs
 
Naah, your German is better than my English. ^^ I mean, I can communicate in this language, but I'd never write a longer fanfic in English. I wrote a short one, yes, but I'd never be that crazy and write a 300 Pages Story in english. I mean, sometimes I struggle with German already. ^^
And I'm looking forward to your feedback. Live long and prosper and have fun.
 
Or just the good, old google-translator. It might be better from German to English, than the other way around. ^^

And since there's a character-limit, I need to publish the next chapters in parts.


Ziva und Tony standen am zerstörten Fenster und schauten nach unten. Der Wind wehte in ihren Haaren und sie schauten einander verblüfft an. [/color]



Der Mann, der sich selbst Calvin Cat nannte, rappelte sich gerade vom Boden auf, schaute in mehrere gezückte und auf ihn gerichtete Waffen und schluckte unbehaglich.

Tony richtete sich von der knienden Position auf, die er neben seinem Freund und Lehrmeister, Leroy Jethro Gibbs eingenommen hatte, um zu Ziva zu blicken, die den am Boden liegenden auf Lebenszeichen hin untersuchte.

„Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da getan haben.“, knurrte Tony, versuchte, seine Beherrschung zu waren. „Cal“ nickte. „Ja, ich habe gerade ihren Mörder umgebracht.“

Dann blickte er freudestrahlend an Tony vorbei, winkte der Rothaarigen, rief ein „Hey, Agatha, wie isses?“, und machte einen Schritt auf die Frau zu, als Tony die Waffe wieder anhob und auf Cals Kopf richtete.

Erneut schluckte dieser unbehaglich.

„Würden… würden Sie bitte … also… dieses Ding aus meinem Gesicht nehmen?“, fragte er und schaute Tony ein wenig erschrocken an: „Was machen Sie hier für einen Aufriss? Der kommt doch wieder – ich kenn ihn.“

Verblüfft blickte Tony zu Ziva herum, die seinen Blick erwiderte, ihm ernst in die Augen schaute und den Kopf schüttelte. Damit war es klar – Gibbs war tot.



Ehe sich „Cal“ versah, hatte Tony ihm die linke Hand mit einer Handschelle „verziert“, während die andere Schelle am Tisch befestigt wurde. Ein wenig verwundert blickte der Mann, der gerade seinen Boss erschossen hatte, auf das Gerät.

„Toll.“, machte er und schaute ihn an: „Können Sie mich jetzt wieder losmachen?“

Tony merkte, wie die Wut, die er empfand, aus ihm herausbrechen wollte, aber, er zwang sich, ruhig zu bleiben. Er war Senior-Field-Agent, durfte sich durch Gefühle nicht so beeinflussen lassen, wie ein…



Er warf einen Blick zu McGee und Ziva. Was beide empfanden, konnte er nur erahnen. Er selbst empfand Wut und Trauer – er hatte doch heute Morgen noch einen belanglosen Scherz mit Gibbs gemacht. Man hatte sich unterhalten, das heißt, so gut das mit Gibbs eben ging, aber er hätte niemals gedacht, dass er einmal den Tod seines Bosses untersuchen würde müssen.

Wobei es da nicht viel zu untersuchen gab. Der Täter war geständig, wenngleich verwirrt.

Also könnte man ihn gleich ins Gefängnis werfen.

„Cal“ schaute zu Tony herüber, legte den Kopf schief und räusperte sich: „Können Sie mich jetzt wieder losmachen?“

Der Angesprochene stand auf, schüttelte den Kopf und ging aus dem Raum. Ziva und McGee blieben zurück, schauten erschüttert zuerst auf die Leiche Gibbs’, dann auf den Mörder ihres Vorgesetzen und väterlichen Freundes. Dieser schaute immer noch verwirrt in Richtung Tür, dorthin, wo DiNozzo verschwunden war.

„Sehr komisch.“, lachte Cal, ging einen Schritt auf die Tür zu und wurde beim nächsten Schritt vom Tisch daran gehindert, weiter zu kommen.

Er stockte in seiner Bewegung, rollte die dunklen Augen überlegend und versuchte es noch mal. Der Tisch blieb standhaft.

Nun drehte sich der Mann zu seiner Handschelle um, umfasste sie und versuchte loszukommen. Er rüttelte am Tischbein, machte kurze, ruckartige Bewegungen – nichts.

Dann wandte er sich an die Rothaarige, die immer noch in der Tür stand und ihn betrachtete, als müsse sie sich jeden Moment ein Lachen verkneifen.

„Gathy, könntest Du mir bitte helfen?“, fragte er und sie hob, hilflos mit den Schultern zuckend, beide Hände: „Mich darfst Du nicht fragen – ich hab die Schlüssel nicht bei mir.“



Die blauen Augen des älteren Mannes, der da nach ein paar Minuten in den Verhörraum kam, wirkten so, als habe er schon viele Abscheulichkeiten gesehen. Eine seltsame Abgeklärtheit umgab ihn und als Ducky neben der Leiche seines Freundes Gibbs kniete, schüttelte er den Kopf.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich Dich mal auf meinem Tisch haben würde, Jethro.“, eröffnete er den Dialog, mit einem Mann, der nie wieder antworten würde. Dessen war er sich auf elementarer Ebene bewusst und es schmerzte ihn, dass er nie wieder die Gelegenheit haben würde, diese alltäglichen Rituale, die er so lieb gewonnen hatte, mit Gibbs zu wiederholen.

Es war einfach etwas Anderes, wenn ein Leroy Jethro Gibbs sein „Was hast Du für mich, Duck?“ raunt, oder ein Timothy McGee die Frage stellt. Das beginnt bei der Wortwahl, der Tonlage und ist nicht zu letzt dem Fakt geschuldet, dass niemand anders als Gibbs Gibbs war.

Auf den ersten Blick mochte sich dies wie eine hohle Phrase ausnehmen, aber es war für Ducky schon etwas Anderes, ob sich jemand wie Gibbs benahm, ihn ähnlich ansprach, die Fragen genau so formulierte, oder ob er Gibbs war .

„Mister Palmer“, wandte sich Ducky dann an den Coroner und schaute ihn an. Jimmy erwiderte seinen Blick und zuckte innerlich erschrocken zusammen. Binnen Sekunden schien Ducky um Jahre gealtert und sämtlichen Lebenswillen verloren zu haben. Doch er holte Luft, die Resignation, die Trauer in den blauen Augen des Schotten ebbte ab und verschwand letzten Endes ganz aus seinen Zügen und Palmer konnte sehen, wie so etwas wie Entschlossenheit sich in den Augen festsetzte. „Bringen wir Jethro nach unten. Ich werde ihm die Kugeln aus der Brust operieren und sie zu Abby schicken.“



Kaum, dass der Gerichtsmediziner den Namen Abby gesagt hatte, ob McGee verwundert den Kopf. Ziva bemerkte dies und schaute ihn an: „Was ist?“

Den Kopf schief gelegt, verengte der Mann die Augen zu Schlitzen und Ziva wusste, dass es genau dieser Gesichtsausdruck war, den er dann aufsetzte, wenn er grübelte.

„Wo ist Abby eigentlich?“

„Vielleicht hat sie von Gibbs’ Tod gehört und möchte lieber alleine sein?“, schlug Ziva vor und McGee überlegte kurz: „Ja, das könnte hinkommen. Ich erinnere mich noch, wie sie Kates Tod mitgenommen hatte – vermutlich hört sie gerade diese Trauermusik aus Louisiana.“

„Vermutlich.“, meinte Ziva, stand auf und fixierte den Mann, der immer noch versuchte, sich aus den Ketten zu befreien.

Gerade saß er auf dem Hosenboden und ließ sich immer wieder nach hinten sinken, den Fuß auf dem Tischbein, offenbar in der Hoffnung, es irgendwie auszuhebeln. Nun zog er die Beine an und stieß sie mit einem kräftigen Ruck gegen das Tischbein, was zur Folge hatte, dass er laut schrie.

Er hatte seine Hand getroffen.

McGee schaute ihn verblüfft an und dann zu Ziva: „Und er hat unseren Boss erschossen?“

Die Israelin zuckte mit den Schultern: „Vermutlich ist er … wie sagt ihr? Schizophren?“

„Also Erstens bist Du ja nun auch Amerikanerin und zweitens: Ja, so sagen wir.“, machte McGee und schaute noch mal zu dem inzwischen die Zähne zusammenbeißenden Cat: „Ich kann mir das Elend nicht mehr mit ansehen.“

Damit drehte er sich um und ging.



Die Frau, die sich selbst Agatha nannte, folgte dem davoneilenden McGee mit den Augen, ehe sie sich umblickte. Sie trat einen Schritt auf die Tür zu und fand im nächsten Moment ihren Arm in einem kräftigen Griff wieder. Ziva schaute sie an: „Wo wollen Sie hin?“

„Ich würde gerne zu meinem Freund – ich meine, er ist verletzt.“

„Ihr Freund hat gerade einen Bundesagenten umgebracht. Ich würde sagen, er hat gerade größere Schwierigkeiten, als das er sich auf den Fuß getreten hat.“, meinte die Frau mit dem dunkleren Teint und die Rothaarige nickte: „Da haben Sie natürlich recht. Aber – meinen Sie nicht, dass ich kurz zu ihm könnte?“

„Sie können von hier mit ihm reden.“, sagte Ziva und Agatha nickte: „Danke, Agent David.“



Tony saß im Videoraum, in dem die Bandaufzeichnungen der Unterhaltungen in den beiden Verhörräumen gelagert wurden. Und je häufiger, er die Szene sah, in der Gibbs eigentlich nur da stand, die Hände in einer klaren „Nicht-Aggressions-Geste“ ausgebreitet und als Dank dafür von dem Mann, der ihn nicht kannte, drei Kugeln in die Brust bekam, desto wütender wurde er.

Das konnte nicht sein – das war nicht fair, verdammt.

Wütend hieb er auf die Stuhllehne ein, spulte die Aufzeichnung, bis zu dem Punkt zurück, an dem Gibbs den Raum betrat und ließ den Film erneut laufen.

Die drei Schüsse klangen gedämpft, fast leise, in seinen Ohren wieder und er konnte immer noch nicht glauben, dass sein Boss nun nicht mehr war.

Vor allem überstieg es sein Fassungsvermögen, dass die Legende, der Mann, den er nur „Gibbs“ oder „El Chefe“ nannte, sein Leben bei einem heimtückischen Anschlag hier im NCIS Hauptquartier aushauchen würde.

Er hatte immer gedacht, wenn, dann würde er von Darkseid getötet, oder von einem Mafiaboss. Oder er würde einfach alt und dann in Frieden sterben, sanft entschlummern.

Aber nicht so – das war ein Tod, der Leroy Jethro Gibbs nicht gerecht wurde.

Es war nicht fair.

„Was siehst Du da?“, fragte plötzlich eine rauchig-mädchenhafte Stimme und er merkte, wie sein Herz schneller schlug.

Die Besitzerin dieser Stimme, Abigail Sciuto, hatte zu Gibbs ein sehr besonderes Verhältnis. So war Gibbs – für sein Team war er der väterliche Freund, der auch mal Strenge walten lies.

Der Gedanke, dass sie die Nachricht vom Tod ihres Mentors gerade von ihm hören musste, brach ihm das Herz.

Er drehte sich um, stand auf und nahm Abby in den Arm.

„Ich muss… dir was sagen.“



Sie würde gleich kommen.

Ducky hatte das Gefühl, als würde Abby gerade in diesem Moment von einem Mitglied des Teams in den Fakt eingeweiht werden, dass Jethro nicht mehr lebte. So lange, wie sie brauchte, um sich von ihm zu verabschieden, so lange würde er den Körper seines Freundes nicht mit Skalpellen traktieren.

Gibbs Körper lag nackt, mit einem Tuch um die Lendenpartie, auf einem der kalten Metalltische, auf denen Ducky die Obduktionen durchführte. Der Körper Captain Stones lag nur zwei Tische neben ihm.

„Es tut mir leid, Captain, ich fürchte, wir haben hier heute eine Doppelbelegung.“, versuchte der Schotte die Stimmung, die er als sehr gedrückt wahrnahm, aufzuheitern, aber – logischerweise lachte niemand.

Von draußen hörte er Schritte.

Er wusste, dass sich nun alles entscheiden würde – er wusste, dass nun Abby Sciuto entweder in einen Weinkrampf ausbrechen, oder sich in einen eiskalten Profi verwandeln würde.

Was er dann sah, ließ ihn jedoch den Glauben an alles verlieren, an das er je geglaubt hatte.

Die Ruhe, die von Abby Sciuto ausgestrahlt wurde, ließ Tony beinahe selbst wahnsinnig werden.

„Abby, ich weiß, es ist schwierig, aber… Gibbs ist tot.“

Die Forensikerin nahm einen Schluck des koffeeinhaltigen Kaltgetränks, das er als Caf-Pow kannte. Es war so was wie Red Bull, nur in der 10 oder 20-Fachen Potenz.

Sie schüttelte den Kopf – sie schüttelte ihren hübschen, verdammt-sturen Kopf, sodass ihre Zöpfe die Bewegung mitmachten, und schaute ihn aus grünen Augen herausfordernd an: „Ich weiß, dass es nicht stimmt. Aber guter Versuch.“

„Ich habe ihn sterben sehen.“, sagte DiNozzo und man konnte ihm deutlich anhören, dass es für ihn immer schwerer wurde, die Fassung zu wahren. So schlimm hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit er Zeuge war, wie direkt neben ihm Caitlin Todd erschossen wurde.

Beinahe mit der Naivität eines Kindes, dem man erzählte, dass es den Weihnachtsmann nicht gäbe, schüttelte Abby den Kopf und trank erneut einen Schluck Caf-Pow.

„Ich spüre es, wenn Gibbs etwas geschieht. Als die Bombe ihn beinahe zerfetzt hätte, habe ich es gefühlt – ich wusste , dass mit ihm etwas nicht stimmt. Jetzt merke ich, dass es ihm gut geht.“

In diesem Moment klopfte es im Türrahmen und ein um einige Nuancen bleicherer Donald Mallard betrat den Raum.

Er hielt sich die Brust, atmete tief durch und schaute zu Tony: „Da… ist jemand, der dich sprechen möchte.“

„Ich habe gerade keine Zeit.“, sagte der Italiener und man konnte deutlich hören, dass er genervt war.

Das war ja auch kein Wunder – er hatte den Tod von Gibbs gesehen, er hatte neben seiner Leiche gekniet und er hatte …

Er hatte offenbar gerade eine Vision.

Die Person, die hinter Duck in der Tür erschien, schaute ihn aus eisblauen Augen an und räusperte sich: „Haben Sie auch für mich keine Zeit, Special Agent DiNozzo?“



„Agatha, ich hab SCHMERZEN! “, machte der Mann, der sich als Cal bezeichnete und biss die Zähne zusammen. Die Rothaarige kniete im Türrahmen unter den wachsamen Augen Zivas und schaute ihn an: „Knirsch nicht mit den Zähnen, Cal, du weißt, was Gina gesagt hat. Wenn Du so weiter machst, brauchst Du doch Kronen.“

Der Mann funkelte sie an, die Pein, die er empfand, war deutlich in seinen Augen zu sehen: „Ich weiß! Aber es tut weh, vadorrinoeins !“

Nun schaute Ziva zu dem Mann und herrschte ihn an: „ Jetzt halten Sie den MUND!

Cal blickte die Israelin verdutzt an und schluckte.

Die Frau blickte zu Agatha herüber, blinzelte ihr zu und murmelte: „Vielleicht sollten Sie das auch mal tun, offenbar funktioniert es.“

Verwunderten Blickes schaute die Rothaarige zwischen Cal und Ziva hin und her, ehe der Mann erneut ein Geräusch des Unbehagens von sich gab. Die ehemalige Mossad-Agentin rollte mit den Augen und warf die Arme in die Luft: „Ich geb es auf.“



Nur der schnelle und überraschende Auftitt Timothy McGees hielt Ziva davon ab, sich auf Cal zu werfen und ihm einen Kinnhaken zu verpassen, auf das er Ruhe gäbe. Mit schnellen Schritten ging er an der hübschen Frau aus Israel vorbei, neben Cal in die Knie und entledigte ihn seines Armschmucks.

„Danke.“, murmelte Cal und ließ sich nun komplett auf den Boden sinken, um sich auszustrecken.

Verdutzt blickte die ehemalige Verbindungsoffizierin zwischen Mossad und NCIS zu McGee herüber: „Warum hast Du das getan?“

„Befehl vom Boss.“, erklärte dieser, was Ziva noch verwunderter die Augenbrauen heben ließ: „Warum lässt Director Vance ihn laufen?“

„Nicht Vance.“, sagte Tony, der ebenfalls den Raum betrat und Cal, sowie Agatha anblickte: „Und jetzt sagen Sie uns besser, was hier los ist.“



„Dann wollen wir mal an die Arbeit gehen.“, sagte Ducky und beugte sich vor, um mit dem Skalpell den ersten Schnitt zu tun. Der Mann, der mit ihm im Raum stand, schaute ihn an. Sein Blick ruhte auf Duckys Bewegungen und auf dem Leichnam, den der Gerichtsmediziner gerade zu obduzieren begann.

Die kleine, scharfe Klinge des Skalpells schnitt in die Haut der Leiche auf dem Metalltisch. Dies bewirkte zweierlei. Zum Einen begann die Wunde zu Bluten, zum anderen öffnete Leroy Jethro Gibbs in genau diesem Moment die Augen, starrte Ducky und dann den Mann an.

„Wie Sie es sagten, Direktor Vance“, schaute der Gerichtsmediziner zu dem Mann, der vor ein paar Minuten in sein Labor gekommen war, dann trat er einen Schritt von Gibbs Körper zurück, dessen Wunden sich in diesem Moment schlossen.

Verdattert blickte der ehemalige Tote auf seine genau so ehemaligen Wunden und schaute zu Ducky herüber: „Was… ist passiert?“

„Sie können sich und uns diese Dramatik ersparen, Gibbs .“, sagte der Chef des NCIS und betonte den Namen des Angesprochenen so, dass Ducky verwirrt dir Stirn runzelte.




Verwundert rieb sich Antony DiNozzo über die Augen.

„Das kann nicht Ihr Ernst sein.“, sagte er und schaute den Mann, der sich selbst Cal nannte, an. Dieser nickte, mit dem breitesten und wohl unverschämtesten Grinsen auf dem Mund, das man sich vorstellen kann. Er stand auf, verschränkte die Hände hinter dem Rücken, und schaute zu der hübschen Rothaarigen, die ihn missbilligend anblickte.

„Cal? Schon mal was von der temporalen ersten Direktive gehört?“, fragte sie, was diesen dazu veranlasste, sich zu ihr umzudrehen und zu zwinkern: „Meine Güte, sie haben mit eigenen Augen gesehen, was hier los ist, meinst Du im Ernst, wir könnten denen immer noch vorspielen, dass wir zwei Bekloppte sind, die hier mit einem Taschenrechner herumlaufen? Das wird nix, Gathy. Und ausserdem können wir ihre Erinnerungen später immer noch löschen.“

Damit wandte sich der Mann zu Tony und salutierte: „Wenn ich mich vorstellen darf? Mein Name ist Calvin Nathan Cat – ich kommandiere die USS Dragonfly. Wir sind auf der Jagd nach einem Verbrecher namens Traceless.“

„Cal!“, unterbrach ihn die samtweiche Stimme der hübschen Rothaarigen, ehe sie zu Tony, Ziva und McGee blickte und dann in eine andere Sprache wechselte.

„Hältste dat wirklich für so’ne gute Idee?“, sagte sie und der Mann blinzelte sie an: „Klaaro – dat is doch wohl ma logisch, dat wir uns die besten Agenten zum Fall dazuholen, die wir brauchen können – zumal se sowieso den Fall Stone am bearbeiten sind.“


Tony blickte verdattert zu den Beiden, von denen sich der eine gerade als Kommandant eines Schiffes vorgestellt hatte, und dann zu Ziva.

„Verstehst Du, was die beiden sagen?“, fragte er und Ziva grinste, ehe sie ihm zuflüsterte: „Offenbar denken die Beiden, nur weil sie in Amerika sind, versteht man sie nicht, wenn sie deutsch sprechen – oder besser eine schlechte Imitation dessen, was man für gewöhnlich im Ruhrgebiet spricht. Vielleicht wissen sie es ja wirklich nicht, aber – ich spreche deutsch.“

„Ach?“, machte Tony und schaute sie überrascht an: „Seit wann das?“

„Ich war vor knapp 20 Jahren mit meinem Vater in Essen – im Herzen des Ruhrgebiets. Eli hatte dort einen Mann gejagt, die Sache mit der Essener Polizei koordiniert und man hatte mir einen Beschützer zugeteilt, mit dem ich mich unterhalten habe.“
„Und wie hieß dein Beschützer?“

„Oh, er war nett. Sein Name war Mick Brisgau… er… – ich habe gehört, er wurde dann bei einer Wohnungsdurchsuchung in den Kopf geschossen und fiel ins Koma.“

Zivas Stimme wurde dunkler und melancholischer, ehe sie Tony anblickte, „Also… ich kenne mich mit der Sprache aus. Nur – was mir immer wieder durch die Tücher geht, sind diese Idiome.“

„Lappen, Ziva. Dir geht etwas durch die Lappen.“

„Tony, manchmal nervst Du mich.“, zischte sie und Tony grinste: „Ich weiß.“

Dann räusperte sich jemand im Hintergrund.

Ziva fuhr herum und war fassunglos: „Gibbs?“



Cal, der gerade zu Agatha schaute, blickte, als Ziva den Namen Gibbs aussprach, verdattert in Richtung Tür und erstarrte.

„Hab ich dich nicht vorhin schon erschossen, Traceless?“, fragte er verblüfft und Gibbs schaute ihn an: „Nein.“

Damit trat er näher, stellte einen der weißen Kaffeebecher mit dem Aufdruck der berühmten Kaffeerösterei auf den Tisch und schaute den Offizier mit amüsiert funkelnden Augen an: „Aber ich bin nicht Traceless.“



Ziva schaute verwundert erst zu Gibbs, dann zu Cal, der gerade aussah, als wolle er erneut einen Angriff starten. Rein prophylaktisch legte sie ihre rechte Hand auf ihre Hüfte, dorthin, wo ihre Waffe im Halfter steckte.

„Machen Sie jetzt keine Dummheiten, Cat.“, sagte sie und Agatha nickte bestätigend.

Captain Cat!“, korrigierte der Mann mit ermahnend gehobenem Zeigefinger, bis er zu Gibbs schaute, auf ihn zutrat, und ihm in die Augen sah.

„Na, die Augen zeigen keine Anzeichen von Nanitenbefall, der Blick ist ruhig und ‚steady’ und alles in allem bin ich geneigt, Ihnen zuzustimmen, dass sie wirklich nicht Traceless sind. Aber – wer sind Sie dann?“



Agatha rollte die Augen: „Schatz, das ist Leroy Jethro Gibbs?“

Cal blinzelte.

„Chef des ersten Ermittlerteams?“, schlug sie vor, worauf hin Cal sie immer noch mit diesem Gesichtsausdruck anstarrte, der deutlich sagte ‚This person is temporaly not available’.

„Boss von Ziva?“, fragte die Rothaarige erneut und als Cal wieder verständnislos blinzelte, grinste sie. Wohl kalkulierten Schrittes, mit schwingenden Hüften und einem, in die Augen des Captain gerichteten Blick trat sie auf ihn zu, bis nur noch Millimeter ihre Lippen voneinander trennten. Cal schloss die Augen, schien bereit, sie jeden Moment hingebungsvoll und lang zu küssen, ihre linke Hand strich über die Uniform, den Nacken, bis sie den Hinterkopf erreichte.

Dann verpasste sie ihm einen hörbaren Schlag auf selbigen, was Cal die Augen verblüfft öffnen lies und seine braunen in ihre grasgrünen Augen blickten. Dann verstand er.



Er drehte sich grinsend zu Gibbs um, der am Tisch saß und die Szenerie, zusammen mit Tony, Ziva und McGee mit einer gewissen Spur Amüsement beobachtet hatte.

„SIE sind das! Sie sind der Erfinder des … des Dings! Ich hab in der Akademie so viel von Ihnen gehört!“

Damit trat er auf ihn zu, salutierte erneut und sagte: „Captain Calvin Cat, Kommandant der USS Dragonfly, Registriernummer NCC 0815-A.“

Gibbs betrachtete ihn, deutete auf den Stuhl und sagte nur: „Setzen Sie sich.“

Verwirrt blickte der Mann, der sich als Captain ausgab, zu seiner rothaarigen Begleiterin und nickte dann.

Sich setzend, verschränkte er die Arme vor der Brust und schaute sein Gegenüber an.

„Sie erwähnten gerade einen Verbrecher…“
Cal schnellte vor, legte eine Hand auf den Tisch und schaute Gibbs an: „Der Mann heißt Buzz Intrupper. Er ist Wissenschaftler gewesen… Cleveres Kerlchen. Entwickelte so was wie Intelligente Masken.“

Er schaute in die Runde: „Stellt euch eine Karnevalsmaske vor, die mit eurem Kopf verbunden ist. Ihr denkt an ein Gesicht und automatisch verwandelt sich die Maske in das Gesicht, das ihr euch vorgestellt habt. Ihr wollt aussehen wie Michael Wheatherly in ‚Dark Angel’? Kein Problem. Ihr wollt die Lippen von Angelina Jolie haben? Auch kein Thema. Der Geheimdienst hatte ihn … unter Vertrag.“

„Welcher Geheimdienst?“, fragte Gibbs und Cal räusperte sich: „Der Geheimdienst… der… erm…“

Tief atmete er durch und schaute dann hilfesuchend zu Agatha, die, nun die Arme vor der Brust verschränkt an die Wand gelehnt da stand und mit den Schultern zuckte: „Du wolltest es so machen – jetzt sieh zu.“

„Danke.“, schnitt er eine Grimasse und schaute zur Tür, in der plötzlich Direktor Vance auftauchte und sich räusperte.

Gibbs wandte sich zu ihm um: „Und, Leon?“

„Doktor Mallard ist verletzt. Ihr Doppelgänger ist aufgestanden und…“

Weiter kam er nicht. Cal war sofort auf den Beinen und an der Tür.

Vance schaute ihn an: „Wo wollen Sie hin?“

„Na Traceless fangen.“

Erneut starrten ihn die braunen Augen von Direktor Vance durchdringend an, ehe er nickte: „Okay, folgen Sie mir.“



Cal betrat die Leichenhalle, in der sich gerade Ducky seine Schulter verband.

„Was ist denn hier passiert?“, fragte der Captain, ehe ihm auffiel, das auf dem Tisch nicht etwa Gibbs lag, sondern Direktor Leon Vance.

„Was zur Hölle…“

Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment spürte er einen harten Schlag auf den Hinterkopf und stürzte nach vorne. Er war schon bewusstlos, als er aufschlug.



Kurz vorher

„Sie können sich und uns diese Dramatik ersparen, Gibbs.“, sagte der Chef des NCIS und betonte den Namen des Angesprochenen so, dass Ducky verwirrt die Stirn runzelte. Der angesprochene richtete sich auf, lächelte zu Vance herüber und schmolz .

Die grauen Haare vereinten sich mit dem Kopf, der Mann schloss die Augen, sodass das Gesicht um selbige herum vortrat und sich der komplette Körper in ein etwas verwandelte, das Vance gedanklich am Ehesten mit einer Art Gallerte gleichsetzen konnte. Diese Masse hatte eine bräunliche Färbung und der Direktor hatte den Eindruck, als würde es dauerhaft im Zustand des Fließens sein.



Entsetzt trat Ducky einen Schritt zurück, legte den Kopf schief und betrachtete das Ding, in das sich sein Freund verwandelt hatte. Kurzzeitig nahm das Gesicht dann wieder menschliche Formen an und die blauen Augen Duckys sahen sein eigenes Ich dort im Zustand des Entstehens. Plötzlich wuchs eine Art Tentakel aus dem Wesen, schoss auf ihn zu und durchbohrte seine Schulter. Mit einem entsetzten Aufschrei ging der Gerichtsmediziner zu Boden, sah dann, wie das Wesen sich erneut verwandelte. Die Farbe wurde dunkler, schokoladenbraun.

Dann formten sich aus dem großen Tropfen zwei Arme und zwei Beine aus, während der Tropfen als solcher um ungefähr 3 Zentimeter zu schrumpfen schien.

In Duckys Gehirn ratterte es und er hatte binnen Nanosekunden den Plan des Tropfens erkannt.

„DIREKTOR!“, schrie er einen warnenden Laut, doch der Tropfen umfasste eine Spritze, verlängerte seinen Arm und stach sie in Duckys Hals. Der ältere Schotte versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben, aber er merkte, wie sich eine bleierne Müdigkeit über ihn legte.
 
Vance starrte das Ding wie betäubt an und bemerkte erst, was los war, als er den warnenden Ruf hörte. Sofort verfiel er in jenen lebensrettenden Automatismus, der ihm innerhalb der letzten Jahre schon oft gute Dienste erwiesen und den er sich mühevoll antrainiert hatte. Schnell sprang er zur Seite, als der Tropfen den Tentakel, mit dem er Ducky eine Spritze verabreicht hatte, in seine Richtung bewegte. Einen Ausweg sah er in diesem Moment nicht, denn das Wesen versperrte ihm durch den Tentakel die lebensrettende Tür.

Also zog er seine Dienstwaffe, entsicherte sie und feuerte.

Das Wesen wurde getroffen – drei, vier Kugeln durchschlugen die Gallerte, doch die Treffer blieben ergebnislos.



Was war hier los? Kein Lebewesen auf diesem Planeten war so widerstandsfähig gegen Kugeln. Mindestens eine davon hätte es stoppen müssen, aber – genau das taten die Kugeln nicht. In diesem Moment erkannte er, dass es keinen anderen Ausweg gab und er warf sich mit voller Wucht aus seiner Deckung gegen das Wesen. Sie krachten gegen den Metalltisch und Vance hob seine Waffe, zielte auf das, was er für den Kopf hielt und drückte ab.



Der Kampf, der in diesem Moment zwischen dem Tropfen und Vance stattfand, war genau so episch, wie der, der im Körper des Gerichtsmediziners losbrach. Willen gegen Narkotikum. Als Arzt wusste er, dass das Mittel, das ihm der Tropfen verabreicht hatte, einen starken Wunsch zu schlafen verursachen würde, aber er musste wach bleiben und durfte sich nicht dem Drang hingeben.

„Es… tut mir leid…“, murmelte er, bevor er die Augen schloss und sich der Müdigkeit ergab.



Der Schuss war laut, hallte in seinen Ohren wider, doch ansonsten war der Angriff ergebnislos. In dem Moment, indem er sich aufrichtete, um seine Faust in den Tropfen treiben zu können, verspürte er einen Stich im Nacken, sah vor dem inneren Auge die Spritze mit dem Babiturat, das auch schon Ducky ausser Gefecht gesetzt hatte und fluchte in Gedanken. Dann zerfaserte alles um ihn herum. [/color]



Wenig später



„Cal? Cal komm zu dir.“, hörte er eine samtweiche Stimme und lächelte, als er sie identifizierte. Die grasgrünen Augen, die er sah, als er seine Augen öffnete, schauten ihn hypnotisch und mit einer derartigen Erleichterung an, das er nur lächeln konnte.

„Ich nehme mal an, dass ich nicht tot bin?“, fragte er und rappelte sich verwundert auf.

Er wandte sich an den Mann, der gerade von dem silbernen Metalltisch aufstand, auf den er vorhin noch gebettet gelegen hatte.

„Wo ist er hin?“, fragte Vance ihn und Cal zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung, ich hab `n Ding übern Kopp bekommen und war in Morpheas Armen.“

„Schatz, der heißt Morpheus.“, korrigierte Agatha ihn und Cal grinste: „Ich weiß, aber ich weigere mich zu behaupten, ich hätte Stunden lang in den Armen eines Mannes gelegen.“

Mit den Augen rollend grinste die Rothaarige ihn an, ehe sich Cal an Vance wandte: „Und wie sieht es aus? Könnte ich mal Ihre Identifikation sehen?“

Vance zuckte mit den Schultern und übergab ihm seine Dienstmarke.

„Nicht die!“, sagte der Offizier unwirsch und griff nach einem Skalpell.

„Traceless ist ein wenig… wie soll ich sagen… gründerisch geworden.“, sagte er, „Er kann nicht bluten – oder nicht lange.“

Damit schnitt er sich quer über das, was die Wahrsagerin beim Akademie-Straßenfest damals als „Kopflinie“ bezeichnet hatte, also die Linie die knapp über dem Mittelhandknochen entlang läuft.

Er drehte die Hand um, dass das Blut auf den silbernen Tisch lief und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Dann gab er das blutige Skalpell an Agatha weiter, die es, ohne mit der Wimper zu zucken ebenfalls verwendete. Sie stach sich lediglich in den kleinen Finger, ließ ein paar Tropfen auf den Tisch laufen und überreichte das Ding an Leon.

Cal schaute die Frau verwundert an.

„Das war alles? Ich schneid mir hier halb die Hand auf und du machst nur so’n kleinen Piekser?“

Sie zuckte lächelnd mit den Schultern: „Wenn Du dich in den nächsten Stunden so einschränken willst, bitte. Ausserdem, Schatz, bist Du alt genug, um zu wissen, was Du tust.“

Währenddessen hatte Vance ebenfalls das Skalpell geführt und sein Blut tropfte ebenfalls auf den Tisch.

„Gut“, machte er und schaute in die Runde, „Sind wir dann damit fertig?“

„Japp.“, machte Cal und griff nach einer Bandage, um sich die Wunde auf der Handinnenfläche zu verbinden.

„Gib her.“, machte Agatha und nahm ihm den Mull ab, wickelte ihn professionell um die Hand des Mannes und lächelte: „Wir wollen doch, dass es richtig gemacht wird, oder?“

„Jaja, schon gut.“, machte Cal, „Also, wo ist Traceless?“

„Das wüssten wir auch gerne“, erklärte Agatha, „als Du nach ein paar Minuten nicht wiederkamst, bin ich runter um nach dir zu sehen. Du lagst da – ich hab mir richtig Sorgen gemacht.“

Ihre Stimme zitterte immer noch und Cal schaute die hübsche Rothaarige an: „Schatz, ist doch nix passiert.“

Damit umarmte er sie, und als sie seine Umarmung erwiderte, ihre linke Hand auf seinen Hinterkopf legte, sog er schmerzerfüllt die Luft ein.

„Ich bring ihn um.“, murmelte er gegen ihre Halsbeuge.



„Haltet Ihr das für möglich?“, fragte McGee und schaute von Ziva zu Tony, „Ein Mann, der sich in jeden Menschen, an den er denkt, verwandeln kann? Wie finden wir so jemanden?“

Der grünäugige Italiener grinste: „Der T-1000. Toller Film. Arnold Schwarzenegger, Robert Patrick, Linda Hamilton. Oh, was hab ich für Träume von ihr gehabt. 1992 war ein tolles Jahr.“

„Du warst 16, Tony.“, sagte Ziva und Tony lächelte: „Da läuft bei einem Mann die Libido auf Hochtouren. Und Linda Hamilton, in diesem Tanktop, komplett verschwitzt… yummy.“

„Keine anderen Sorgen, DiNozzo?“, erklang die Stimme Gibbs und Tony fuhr erschrocken herum: „Boss?“

Der Angesprochene setzte sich und schaute ungeduldig zu Tony empor: „Was ist?“

Wenn es je einen Moment gab, der den Klischeesatz „Die Zeit schien stillzustehen“ verdiente, dann war es dieser. Der grünäugige Italo-Amerikaner betrachtete seinen Vorgesetzten, der ihn aus eisblauen Augen mit einer Ungeduld anstarrte, dass sie beinahe körperlich zu spüren war.

‚Ist er es?’, dachte sich Tony, ‚oder ist es am Ende doch dieser Verkleidungskünstler?’

Er wusste es nicht – aber er würde es herausfinden, er war ja nicht umsonst ein NCIS Special Agent, im Umgang mit Sachen wie dem Finden der Wahrheit geübt. Das war doch alles kein Problem für ihn.

Wie hatte es dieser Captain noch gemacht?



Er trat auf Gibbs zu, ging vor ihm in die Hocke und erlaubte sich, die eisblauen Augen seines Vorgesetzten genauer zu studieren. Waren sie lebhaft und „steady“, wie es der Mann genannt hatte? Oder wirkten sie leblos?

Bei Gibbs war es nie einfach, schließlich hatte dieser soviel Schmerz erlebt und als Gunny so viele Möglichkeiten gefunden, mental abzuschalten, dass die Augen dieser Untersuchungsmethode nicht gerecht wurden. Vielleicht musste es andere Möglichkeiten geben, vielleicht…



„RAAAH!“, machte Gibbs plötzlich und Tony sprang entsetzt einen Schritt zurück, die Waffe gezogen und sie auf einen plötzlich lächelnden Jethro gerichtet. Dieser griff nach seinem Kaffeebecher, schüttelte den Kopf und trank.

„DiNozzo, du solltest wirklich mehr auf deine Deckung achten.“, sagte er und – es war kein wirkliches Lächeln, mehr ein Grinsen – dieses Gibbs-Grinsen, was er schon des Öfteren bei seinem Freund und Mentor gesehen hatte.

„Haha, lustig, Boss.“, machte er und sich danach wieder an die Arbeit. Sich an seinen Platz setzend, wollte er gerade seine E-Mails checken, als sein Blick auf die ihn anschauende Ziva David fiel und er in diesem intensiven Blick aus ihren nussbraunen Augen gefangen war.

Er merkte unwillkürlich, wie sein Hals trocken wurde, als direkt neben ihm ein in ein graues Sacko gekleideter Mann auftauchte und im nächsten Moment verschwand. Er maß dem Ganzen erst Bedeutung bei, als er einen Schrei und das Geräusch von splitterndem Glas hörte.



Cal betrat gerade den Bullpen und sah Leroy Jethro Gibbs vor sich stehen. Dieser schaute ihn aus eiskalten, eisblauen Augen an und hob fragend eine Augenbraue. Der Captain legte den Kopf schief, nickte dann und erstarrte, als ein weiterer Gibbs direkt hinter dem Original auftauchte. Er brauchte sich gar nicht zu vergewissern. Der Mann neben ihm war Gibbs, das spürte er, denn die Ermittlerlegende des NCIS hatte eine unglaubliche Präsenz. Daher stieß er einen Kampfschrei aus und sich – den Kopf voran – auf den Gibbs, der neben dem Arbeitsbereich von DiNozzo aufgetaucht war.

„Cal, NICHT!“, schrie Agatha.

Die beiden gleichgroßen Körper kollidierten und da Cal sich mit voller Körperwucht gegen den zweiten Gibbs, von dem sich jeder im Raum nicht sicher sein konnte, dass es der Verbrecher Traceless war, warf, krachten beide Männer erst gegen und dann in einem Glassplitterregen aus dem Fenster.



Verdattert stand Agatha da, lehnte sich an den Tisch, als sei ihr plötzlich übel geworden und bekam nicht mit, was um sie herum passierte.

Die beiden Agenten – DiNozzo und David – waren auf den Beinen und liefen zu dem Fenster, von dem jetzt nur noch einige Glasscherben zeugten, dass es einmal da gewesen war.

Ziva und Tony standen am zerstörten Fenster und schauten nach unten. Der Wind wehte in ihren Haaren und sie schauten einander verblüfft an.

Tbc
 
Kapitel 5

Eine Leiche in einer Waldlichtung





Die braunen Augen Calvin Nathan Cats blinzelten, als das grelle Licht in sie fiel. Er konnte es nicht fassen, was er direkt vor sich sah. Der Bildschirm zeigte klar und deutlich, wie die U.S.S. RanmaSaotome von mehreren Salven getroffen, förmlich auseinanderplatzte.

„… ich wiederhole, hier ist die U.S.S. ShinichiKudo unter Captain Peterson. Wir sind unter Beschoss von Borg und benötigen Hilfe. Dragonfly , können Sie uns hören?“

„Cal?“, drang die Stimme Agatha Silverbirds an sein Ohr und er schüttelte den Kopf, um sich ins Hier und Jetzt zurückzufinden.

„Bitte?“, fragte er und schaute in die grasgrünen Augen der Frau, die er als erste Offizierin respektierte und als Frau abgöttisch liebte.

Sie schaute ihn an: „Welche Befehle, Sir?“

Das Schiff begann zu beben und Cal schluckte. Auf dem Bildschirm war diese Monstrosität zu sehen, die er so sehr gehofft hatte, nicht sehen zu müssen. Der Würfel befand sich auf Kollisionskurs mit seinem Schiff.

„Mein Gott.“, murmelte er und stand auf, wandte sich dann an seine taktische Offizierin und bellte: „Volle Breitseite.“ Er wirbelte herum, schaute zu Alexander Strange, seinem Steuermann, „Bring uns von hier weg. Kurs egal, Geschwindigkeit egal, Hauptsache weg

„Sir?“, erklang die Stimme Jill Menacers, seiner taktischen Offizierin und der Captain der Dragonfly wandte sich zu ihr: „Ja?“

„Unsere Waffensysteme sind leer – wir haben keine Phaser und keine Photonentorpedos mehr.“

„Auch unser Antrieb spinnt.“, meldete Alex und dann hörte er das laute Krachen, als der Borgwürfel das so viel kleinere Sternenflottenschiff rammte. Um ihn herum wurde alles weiß und er fand sich in einer Holodecksimulation wieder.



Agatha schaute zu ihm und schüttelte den Kopf: „Soviel zum Thema Kobayashi Maru, Cal. Naja, nicht jeder kann den Test manipulieren.“

„Ich wollte ihn gar nicht manipulieren – bin doch nicht Kirk.“, machte Cal und wirkte tatsächlich ein wenig beleidigt.

Seine hübsche erste Offizierin holte gerade Luft, als aus dem Kommunikator des jungen Mannes die angenehme Stimme der Frau erklang, die er als Jill Menacer kannte.

„Brücke für Captain Cat?“

Kurz zögerte er und betätigte dann das Funkgerät, das Uneingeweihte immer an eine Brosche erinnerte.

„Ja, Cat hier?“

„Wir empfangen einen Ruf von der Erde. Es ist Counselor Troi.“

Verwundert blickte der blonde Captain zu seiner rothaarigen Freundin: „Warum will Deanna uns sprechen?“

„Keine Ahnung, aber Du könntest ihr einen Gefallen tun, wenn Du sie nicht immer mit Deanna ansprechen würdest. Ich glaub, das mag sie nicht unbedingt.“

„Jaja.“, machte Cal und betätigte erneut seinen Kommunikator: „Sag ihr, ich bin gleich in meinem Raum.“

Damit machte er sich auf den Weg. In der Tür drehte er sich noch mal zu Agatha um und lächelte.



Die Liebelei zwischen dem Captain und dem ersten Offizier - oder besser gesagt, die immer wieder angestrebte Liebelei zwischen Captain und erstem Offizier - war schiffsweiter Klatsch, und obwohl Cal es in den ersten Wochen versucht hatte, zu unterbinden, hatte er in den folgenden Wochen die Segel gestrichen und für sich beschlossen, zu akzeptieren, dass sein Schiff mit Klatschonkeln und Klatschtanten besetzt war.

Wobei eine gewisse Portion Klatsch ja auch ihn interessierte - solange sie nicht ihn persönlich betraf.



Das Projekt Teen Squadron war ein Gewagtes gewesen. Die Idee, die dahinter stand, war, dass man ein Raumschiff, bzw. einen Raumschiffrahmen - und von denen gab es ja als Raumschiffwracks nach dem Ende des Dominionkrieges ja zuhauf - wieder zu einem Raumschiff aufbaute, auch in der Zukunft wird Recycling groß geschrieben - ist ja klar, ist ja auch ein Nomen - und dieses neugebaute Schiff mit Teenagern besetzte, beziehungsweise einem verhältnismäßig jungen Personal.

Verhältnismäßig jung meint hierbei das zuerst gesagte, nämlich ein mit Teenagern bzw. Twens besetztes Schiff, sodass man von einer Art Raumschulschiff, ähnlich der Gorch Fock auf der Erde, sprechen konnte.

Natürlich konnte man – wenn man sich die Crew ansah – wirklich eher von Twens sprechen, von Leuten also, die schon einige Jahre in der Sternenflotte gedient hatten. Daher war der Name „Teen Suqadron“ für das Projekt eher sehr euphemistisch, denn es befand sich kein einziger Teen mehr darunter.

Initiatoren dieses Projektes waren die Gebrüder Cat gewesen - Calvin Nathan, der das Schiff auch heute noch kommandiert – und vorher drei Jahre lang auf der Enterprise gedient hatte - , sowie Richard Nathaniel, der sich nach dem dritten Einsatz eher in die Administrative Ebene gezogen fühlte.

Die Crew besetzte man, nach der Erlaubnis der Sternenflotte, mit den Mitschülern des Captains und seines Bruders - und die Ränge nach Fähigkeit und Sympathie.

So hatte Cal zwar die leicht-despotische Ader durchblitzen lassen, und sich selbst zum Captain ernannt, aber die qualifizierteste Person, die darüber hinaus auch seine Freundin war, wurde zum ersten Offizier ernannt, ein Posten, der eigentlich, Richard gehört hätte, wenn er diesen gewollt hätte.



Die ersten Einsätze der Dragonfly waren extrem fordernd, aber im Laufe der Zeit kam man mit der Situation klar und man arrangierte sich mit dem Leben als Teenager, bzw. Twen, und dem damit verbundenen Gefühlschaos, und den Pflichten als seriöser Sternenflottenoffizier.



Mit einem pneumatischen Zischen glitt die Tür zu seinem Bereitschaftsraum auf, der neben der Brücke lag, auf der just in diesem Moment Agatha ihr Hemd über ihrem flachen, durchtrainierten Bauch glattzog und die Position bezog, das Kommando solange zu übernehmen, wie Cal brauchte, um mit der Counselor der U.S.S. Enterprise 1701-E zu sprechen.



Das Allererste, was Cal sah, waren wunderschöne braune Augen. Er lächelte: „Counselor – wie ist das Leben als frischgebackene Ehefrau.

„Danke, es geht gut, Captain Cat – und die Dragonfly?“

Schulternzuckend antwortete Cal: „Och – Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft. – Raumschiff fliegt.“

„Bitte?“, fragte die hübsche Betazoidin und Cal zuckte mit den Schultern: „Die tschechische Lokomotive. Emil Zátopek. Leicht abgewandelt. Was gibt es denn?“

„Sie haben doch einige Jahre auf der Enterprise gedient, Captain.“, eröffnete Deanna und ihr Gesprächspartner legte den Kopf schief, als er bemerkte, wie in ihren hübschen, braunen Augen Tränen zu sehen waren.

„Deanna“, sagte er dann, ohne auf das Protokoll zu achten, „Was ist los?“



Als sich die Tür zum Captainsbüro wieder öffnete, wirkte der Agatha entgegenkommende Cal ein wenig bleich um die Nase.

„Schatz, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte die Frau und fing den Captain auf, bevor seine Beine nachgaben.

„Was ist denn los?“, fragte sie und nachdem Cal erzählt hatte, was geschehen war, seufzte auch Agatha schwer.

„Meine Güte…“, brachte sie hervor, „Wann ist das passiert?“

Der Captain holte einmal tief Luft: „Er … hat sich geopfert. Für das Wohl der gesamten Besatzung der Enterprise.“

Kurz verfluchte er sich, als er merkte, wie verräterische Nässe auf seinen Wangen spürbar war, er schüttelte den Kopf und legte seine Hand auf die Agathas. Dann räusperte er sich und sagte, ohne seine taktische Offizierin anzuschauen: „Jill? Schaltung aufs Schiff, bitte.“

Verwirrt nickte sie, sagte nach ein paar Sekunden: „Schaltung ist erfolgt.“

„Hier ist der Captain. Vor ein paar Tagen wurde die U.S.S. Enterprise ins romulanische Imperium entsandt…“

Er unterbrach sich, schluckte hart und schüttelte dann den Kopf.



Weiß.

„Wir haben uns heute hier versammelt, um einem großen Mann die letzte Ehre zu erweisen.“

Weiße Galauniformen. Sie alle trugen sie und einige sahen in ihnen noch schöner aus, als man es je für möglich erachtete.

Es schien richtig , das fast die komplette Sternenflotte anwesend war – auch wenn Jean Luc Picard nicht gedacht hätte, dass er ein solches Medienereignis je gut heißen würde.

Der Captain der Enterprise-E schaute in traurige Gesichter – einige der Anwesenden waren ehemalige Mitglieder der Crew, andere fühlten sich bemüßigt anwesend zu sein, weil man einen wahren Helden zu Grabe trug.

Oder besser zu Grabe getragen hätte, doch die Explosion, die das Leben seines Crewmitgliedes auslöschte, hatte nichts übrig gelassen.

Während sein Schiff im Orbit repariert wurde, hatte man den Fall untersucht und sich für eine symbolische Beerdigung entschieden.

Die große Gestalt, die am Grab stand, schien – zumindest entnahm Picard das den Gesten mancher Besucher – ein Affront zu sein. Wen wunderte es, ähnelte die Person doch der, die da gestorben war, aufs Haar. Bei einem Zwillingsbruder wären die Emotionen vielleicht nicht so gewesen – und hier zeigte sich die Bigotterie der Einstellung, denn, die Person, die am Grab stand war, aus seiner Sicht, ein Zwillingsbruder.

„Lieutenant Commander Data gab sein Leben in selbstloser Pflicht, seinen Kommandanten zu beschützen.“, sagte die Person, die neben dem Grab stand, in das nun – symbolisch – ein leerer Sarg gelassen wurde.

Picard schaute sich um. Deanna Riker-Troi, seine ehemalige Counselor, nun bald als diplomatischer Offizier auf der U.S.S. Titan tätig, gelang es, ihre eigene innere Aufgewühltheit zusammen, mit der Trauer, die auf sie von allen Seiten einströmte, in sich zu verschließen. Die linke Hand der Betazoidin klammerte sich um die Rechte ihres Mannes, William Thomas Riker, der bald die Titan kommandieren würde. Er fragte sich, wie oft Will eine solche Ansprache noch halten würde und beneidete ihn nicht um diese Pflicht. Er selbst würde – dessen war er sich sicher – solange er Kapitän eines eigenen Raumschiffes war, oft genug solche Reden halten müssen.

Just, als er diesen Gedanken gefasst hatte, schauten ihn zwei Frauen an – die hübsche Betazoidin und seine Chefärztin und beide lächelten ihn aufmunternd an. Deanna, weil sie sein emotionales Chaos gespürt hatte und Beverly Crusher, weil sie ihn einfach kannte. Er lächelte zurück und wandte sich dann, tief durchatmend ab, weil er wusste, dass nun die Kondolenzen kommen würden.



Der Leichenschmaus war so, wie man es erwarten würde… laut.

Da wurden Geschichten ausgetauscht, über Situationen, die man mit Data erlebt hatte, weise Worte, die der Androide irgendwann einmal gesagt und Heldentaten, die er irgendwann begangen hatte. Sich all das anzuhören, lies Deanna Troi ihren Freund Data wieder mehr vermissen.

Als die Kellnerin kam, räusperte sich zwei Plätze neben ihr jemand und sagte: „Entschuldigen Sie… haben Sie frische Erdbeeren?“

„Natürlich, Sir, ganz frisch aus dem Garten.“, flötete die Kellnerin und man konnte den Besitzer der Stimme förmlich lächeln hören: „Dann nehm ich doch welche.“

„Mit Sahne?“
„Natürlich, Ma’am.“, lächelte die Stimme und Deanna wusste genau, wem diese Stimme gehörte. Sie lehnte sich erst nach hinten, doch offenbar hatte sich der Mann gerade nach vorne gelehnt. Also beugte sie sich vor, doch da hatte sich der Mann wieder nach hinten gelehnt und Deanna seufzte.

Die hübsche Rothaarige neben ihr drehte sich zu ihr um, zuckte entschuldigend mit den Schultern und wandte sich dann an den Mann, der da gerade die Erdbeeren bestellt hatte.

„Cal? Da möchte dich jemand sprechen.“

Der angesprochene schaute zuerst verwundert zu Agatha, dann zu Deanna und lächelte. „Schön Sie wieder zu sehen, Counselor.“, sagte er und reichte ihr die Hand, die sie ergriff und kurz, angemessen kräftig schüttelte, „Ich wünschte nur, es wäre zu anderen Umständen gewesen.“

„Ja, doch“, nickte sie, „Das … auf jeden Fall.“

Er schaute sie verträumt lächelnd an, räusperte sich, als er sowohl den Gesichtsausdruck von Agatha, als auch den von Deanna bemerkte und wurde ungefähr so rot, wie die Erdbeeren, die da gerade von der adretten Kellnerin gebracht worden waren.

„Danke.“, lächelte Cal der Frau aus dem dienstleistenden Gewerbe zu und wandte sich dann wieder an Deanna: „Danke auch an Sie, dass Sie uns eingeladen haben.“

„Das erachtete der Captain, nachdem Sie die ersten drei Jahre an Bord der Enterprise-D Dienst getan hatten, auch eigentlich nur für richtig.“

„Dann sollte ich mich gleich beim Captain bedanken.“, meinte Cal und Deanna blinzelte: „Haben Sie das noch gar nicht getan?“
„Nein, ich dachte, Sie hätten mich eingeladen.“

„Och Cal!“, machte Agatha und schüttelte den Kopf, „Da denkt man nach!“

Gerade, als sich der Captain der Dragonfly erheben wollte, um diesen faux-pas auszubügeln, tauchte neben ihm eine junge Frau auf und überreichte ihm ein PADD.

Er blickte in die Runde, kratzte sich verwundert am Kinn und lehnte sich kurz zurück, um zu lesen, was da denn so wichtig wäre.

Mit gerunzelter Stirn gab er das PADD an Agatha weiter und schaute sie dann verblüfft an.

Er stand auf, ging gefassten Schrittes zur Tür, die zu den Nasszellen führte und wusch sich erstmal die Hände, als die Tür aufglitt und Jean Luc Picard im Raum stand.



Sofort erstarrte Cal, schaute ihn wie geschockt an, schluckte.

„Captain?“, machte er ruhig und lächelte ihm freundlich zu.

„S… Sir“, setzte er an, holte tief Luft und sagte: „Ich … wollte mich entschuldigen, dass ich mich bei Ihnen nicht sofort für die Einladung bedankt habe.“

„Ich verstehe nicht ganz?“, machte Picard und Cal runzelte verblüfft die Stirn: „Sie haben mich über Counselor Troi einladen lassen. Ich bin… Captain Calvin Cat, Sir.“

Nun hob Picard verwundert beide Augenbrauen.

Der Calvin Cat?“, fragte er lächelnd, “Der sich schon in der Nachtschicht immer gerne mit Captain Cat hat anreden lassen?”

Cal merkte, wie er leicht errötete: „Ja… der.“

Picard blickte verschwörerisch von links nach rechts: „Ich hab Ihre Karriere beobachtet. Guter Mann.“

Der Captain der Dragonfly riss überrascht die Augen auf: „S… Sie hab… haben…“

Innerlich schüttelte Picard den Kopf. Er könnte ihm jetzt auf den Kopf zusagen, dass er eigentlich befürchtet hatte, das Einzige, was Cal je kommandieren würde, wäre ein Taxi gewesen, aber… er beschloss, es nicht zu machen. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, dass man mit freundlichen, aufmunternden Worten weiter kam, als mit der schmerzhaften Wahrheit. Er hatte seine Karriere beobachtet, das war richtig – oder besser gesagt, die ewigen Versuche, die Lieutenantprüfung zu schaffen. Wenn er mit seinen Freunden damals nicht das Projekt „Teen Squadron“ in Angriff genommen hätte, er wäre nie Kommandant geworden.

„Ja, Sie sind ein leuchtendes Vorbild dafür…“, setzte Picard an und komplettierte den Satz gedanklich mit: „Wie man mit absoluter Inkompetenz an die Spitze einer Kommandohierarchie stolpern kann.“

In der Wirklichkeit setzte er den Satz jedoch anders fort: „… wie man mit harter Arbeit und sehr viel Fleiß in kurzer Zeit riesige Karrieresprünge machen kann.“

„D… danke Sir.“, stammelte der Captain der Dragonfly und schaute zu Picard herüber, ehe er sich dachte: „Warum hab ich gerade das Gefühl, als wäre ich ein Gary-Stu?“

„Was ist ihr nächster Auftrag?“, riss ihn die Stimme Picards aus seinen Gedanken und Cal fing sich: „Oh… ja, der ist gerade reingekommen. Ich muss zum Ewigkeitsplaneten. Einer unserer Beobachter meldet sich nicht.“

„Wie darf ich das verstehen?“, fragte Picard und Cal schaute ihn neugierig an: „Kennen Sie einen Thaddeus Alexander Stone?“

„TAS? Klar. Das ist einer der besten Captains, die ich je gesehen habe. Er kommandierte die Challenger, soweit ich weiß. Ich erinnere mich noch gut an ihn – er hat mir auf Mehetnar seinerzeit das Leben gerettet. Wieso fragen sie?“, erklärte der Kapitän der Enterprise und Cal nickte: „Ja und er hat mich und Agatha mal mitgenommen, als wir zum Konzert von Rihanna wollten. Der Mann arbeitet ja im Navy Yard vor knapp vierhundert Jahren.“

„Ah, er ist dieser Beobachter?“

„Ja… was genau seine Aufgabe ist weiß ich nicht, ich weiß nur, dass ich schnell zum Wächter der Ewigkeit fliegen muss, um herauszufinden, was mit Stone passiert ist.“



Knappe 12 Stunden später war die U.S.S. Dragonfly im Orbit um den Ewigkeitsplaneten.

Zwar murrte der Chefingenieur des Schiffes, da man seine Maschinen so stark beansprucht hatte, aber Cal hatte ihn angeschaut und gesagt: „Sorry, Seb, was sein muss, muss sein.“

Nun beamte man sich herunter auf den Planeten und als sich Cal das erste mal diesem beinahe-Donut-Förmigen Ding gegenübersah, legte er den Kopf schief.

„Sag mal, Schatz“, wandte er sich an Agatha, „An wat erinnert mich dat Dingen gleich noch mal?“



Er starrte wie hypnotisiert in den Lauf einer Stabwaffe. Einer drei mal verfluchten Stabwaffe an deren anderem Ende sich ein Jaffa befand und bereit war, abzudrücken.

„Noch einen letzten Wunsch, Tau’ri?“, hörte er die Stimme des Goa’Uld, der sich neben dem Jaffa positioniert hatte, um der Exekution des Mannes beizuwohnen.

Cal schluckte und zuckte dann zusammen, als Querschläger von der Rüstung des Jaffa, wie kleine Feuerwerkskörper, abprallten. Verwundert drehte er sich in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren – da stand, mit feuerbereit gemachter Fabrique Nationale P-90, der Standardwaffe, den drahtigen Körper in voller Kampfanspannung gehalten, Samantha Carter und zielte auf den Goa’uld.

„Ja, ich hätte noch einen.“, flachste plötzlich Jack O`Neill, schaute den Goa’Uld aus grauen, amüsiert-funkelnden Augen an und rückte sich seine grüne Kappe zurecht, „Lass uns in Ruhe.“

„Ihr wagt es, mich anzugreifen?“, donnerte das Wesen, das sich für einen Gott hielt und richtete sein Kara’kesh – ein, entfernt an einen Handschuh, mit einem roten Kristall in der Handflächenmitte, erinnerndes Gerät - auf den Colonel.

Cal ahnte schon, was nun passieren würde. Mit einem „Ich dachte, ich versuch’s mal“ richtete sich Jack auf, nahm Ziel und warf sein Armeemesser zielgenau in die Hand des Ausserirdischen.



„Gut geworfen.“, machte Cal vom Boden her und schaute zu Jack und Sam herüber. Letztere lächelte ihr berühmtes 1000-Watt-Lächeln und der Captain der Dragonfly merkte, wie seine Gesichtsmuskeln die Arbeit aufnahmen und grinsten…



„Hey, was grinst Du so?“, riss ihn die Stimme seiner Freundin aus den Gedanken und er schüttelte den Kopf.

„Was, wie, wo?“, machte er, räusperte sich, in die Gegenwart zurückfindend.

Dann nickte er in Richtung des entfernt stehenden „Wächters der Ewigkeit“ und sagte: „Tut mir leid, aber – das Ding erinnert mich an das Stargate. Du weißt ja… früher…“

„Jaja“, machte Agatha und wirkte leicht genervt, „Du hast mir schon ein paar mal erzählt, wie toll es war, mit der großartigen Samantha Carter zusammen Abenteuer zu erleben.“

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Du bist eifersüchtig.“, grinste der Captain frech und als sie ihn ansah, erkannte sie wieder einmal, dass sie eigentlich für diesen Posten viel zu jung waren.

„Naja, es nervt mich schon, dass Du sie immer auf so ein Podest stellst.“, sagte sie und schaute ihn an, als er die Schultern zuckte: „Aber Schatz – ich bin doch wieder zurück zu dir gekommen.“

„Á prospos ‚gekommen’, Cal, da vorne kommt die Gruppe, die die Ruinen und den Wächter erforscht.“



Damit deutete sie auf die Gestalten, die sich ihnen näherten. Für den Bruchteil einer Sekunde machte sich das Gefühl in Cal breit, in eine Falle gelaufen zu sein. Vier zu zwei – da konnte man, wenn man nur einen talentierten Kämpfer und jemanden hat, der sich schon mit einfachsten Kampfmanövern schwer tut, durchaus von „in der Unterzahl“ sprechen. Aber, da sie auf einem Föderationsplaneten waren… was könnte schon passieren?

„Immerhin“, dachte sich Cal, „ist es ja nicht so, als haben wir gegen Formwandler krieg geführt.“

Natürlich hatte man genau das getan, aber – nach dem Ende des Dominionkrieges war man sich aber eigentlich so ziemlich sicher, dass eine solche Bedrohung nie wieder ins Haus stehen würde. Die Personen, die ihnen entgegen kamen, waren zwei Männer und zwei Frauen. Die Eine war eine Blondine, bei der der Ausdruck „Die Zeit hat es an einigen Stellen ein wenig zu gut gemeint“ durchaus und ohne despektierlich sein zu wollen, zutreffend gewesen wäre. Sie nahm Haltung an und salutierte: „Captain Cat, darf ich mich vorstellen? Ich bin Svetlana McGarrett. Dies ist meine Crew – Andrea Brennan, Julian Cane und Anthony DiNozzo, der Dritte.“

Letzterer fasste Agatha ins Auge und lächelte: „Tony – meine Freunde nennen mich Tony.“



Sich räuspernd schaute Cal Tony an, legte den Kopf schief und sagte: „Wie wäre es, wenn Sie ihre Hormone wieder in den Gefrierschrank stellen würden? Das is meine Freundin, und ich kann da sehr ungehalten werden.“

Der Ton, den die hübsche Rothaarige neben ihm anschlug, ließ ihn sich überrascht zu ihr umdrehen.

„Cal, ich kann meine Kämpfe alleine ausfechten.“, sagte sie und der Captain blickte sie verdattert an: „Ja… klar, das… äh… wusste ich. Aber… naja, ich dachte… erm… dass … du… äh…“

Seufzend schaute die erste Offizierin ihren Captain an, dessen Gesichtsausdruck verriet, dass er wirklich keine Ahnung hatte, weswegen sie diesen etwas härteren Tonfall angeschlagen hatte. Sie schüttelte den Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung, schaute dann zu McGarrett und räusperte sich: „Können wir dann mal zum Wächter?“



Erneut erinnerte den Captain dieser große Stein mit der annähernd kreisrunden Aussparung in der Mitte ihn an das Sternentor, durch das er selber ein paar mal gegangen war. Er räusperte sich, schaute zu Agatha und … stockte, als er sah, wie einer der Wissenschaftler plötzlich etwas tat, das mit „durchdrehen“ noch extrem euphemistisch umschrieben werden würde. Der Typ zog tatsächlich eine Pistole – eine dieser archaischen Schusswaffen, wie sie James Bond verwandt hatte, und die man ihm auch im SGC zuerst nahegelegt hatte, zu verwenden, aber dann schließlich davon absah. Anthony DiNozzo, der Dritte, Tony, wie ihn seine Freunde nannten, zog urplötzlich eben jene Waffe und begann „rumzuballern“, wie es O’Neill sagen würde. Entsetzt warf sich Cal auf Agatha, als der Schuss losheulte. Seinen Körper als Schutzschild verwendend, presste er sie auf den Boden, griff nach seinem Phaser und wollte auf DiNozzo schießen… doch dieser rannte gerade zum Wächter der Ewigkeit und sprang hindurch.

„Na, da haben wir noch mal Glück gehabt, hm?“, murmelte der Captain, stand auf und klopfte sich den uralten Staub von der Kleidung.

Agatha antwortete nicht, was Cal dazu veranlasste, zu ihr zu sehen: „Oder was meinst Du?“

Dann erstarrte er.

Unter dem kurvenreichen Körper seiner Freundin bildete sich eine Blutlache.



Auf der Krankenstation der Dragonfly ging der Captain in immer schnelleren Abständen immer kürzer auf und ab, stoppte, wandte sich um, drehte sich zur Bordärztin, der blonden Gina Intrupper und ging dann wieder auf und ab.

„Gina, was is nun?“, fragte er und schaute zu ihr herüber.

Die blauen Augen der jungen Ärztin verrieten eine Mischung aus Genervtheit, Sorge und Konzentration: „Ich könnte hier definitiv schneller weiterarbeiten, wenn Du mich nicht alle fünf Minuten stören würdest, Cal.“

Der doch recht scharfe Tonfall ließ ihn zusammenzucken und sie verblüfft anschauen, ehe er sich auf dem nächsten Biobett niederließ.

„’Tschuldigung. Ich bin nervös.“

Gina seufzte, wandte sich kurz zu ihm und nickte: „Kann ich verstehen. Man hat deine Freundin vor deinen Augen angeschossen.“

„Ja“, machte Cal, suchte den Blickkontakt zur schönen Ärztin und zuckte mit den Schultern: „Ich hab mich noch auf sie geworfen…“

Die hübsche Frau grinste: „Du bist nicht Superman. Weder kannst du fliegen, noch dir ‚faster than a speeing bullett’ auf die Stirn tätowieren lassen.“

„Das is auch ganz praktisch, sonst müsste ich mit der Unterhose über der normalen Hose rumlaufen. Und auf Cape hab ich nun wirklich keinen Bock.“, meinte der Captain und merkte, wie er gegen seinen Willen schmunzeln musste. Dieser Spruch von ihr hatte förmlich nach einer blöden Reaktion geschrien und wenn es etwas gab, dem Cal nicht widerstehen konnte, war es seine Freundin – und blöde Kommentare auf diverse Situationen abzugeben.

Dann fiel sein Blick auf die Frau, deren durchtrainierter Bauch frei lag und die von Gina mit einem Hautregenerator behandelt wurde.

Er stand auf, schaute zu Gina, dann zu Agatha und erschrak.

Wie bleich die Frau, die er liebte, gerade wirkte.

„Wird sie es schaffen?“, fragte er und die Ärztin nickte: „Was erwartest Du? Sie ist eine Kämpferin. Meinst Du im Ernst, eine Kugel in den Bauch haut sie um? Zwei Tage Krankenstation und sie ist wieder wie neu.“
 
„Ein Hoch auf die moderne Medizin.“, meinte der Captain und schaute seine Ärztin dann an: „Aber ich versteh immer noch nicht, weswegen DiNozzo durchgedreht hatte.“

Gina zuckte mit den Schultern: „Ich hab keine Ahnung…“

Er wollte sich gerade noch äußern, da erklang die Stimme seiner Sicherheits- und Taktikoffizierin aus der Brosche, dem sogenannten Kommunikator.

„Brücke für Captain Cat?“

„Ja, Cat hier?“

Er konnte förmlich hören, wie Jill aus dem Kommunikator grinste: „Wir haben eine Spur gefunden. Ich leg sie dir auf den Untersuchungsbildschirm in der Krankenstation.“

„Sekunde mal, woher weißt Du, wo ich bin?“, fragte Cal verwirrt und dieses mal lachte sie: „Cal – deine Freundin ist verletzt worden, sie wird es zwar packen, da sind wir uns alle einig, aber wir alle wissen doch, wie es emotional um dich bestellt ist, wenn sie wieder mal verletzt wurde. Natürlich bist du auf der Krankenstation.“

Der Captain räusperte sich: „Bin ich so durchschaubar?“

„Oh ja.“, machte Gina, deren italienische Wurzeln ausgerechnet in diesem Moment zum sprachlichen Vorschein kamen.

Seufzend wandte sich der Captain zu einem der Bildschirme, auf dem nun etwas erschien.



Es war ein Text.

Ein eigentlich harmloser Text, der offenbar mit einem Phaser in einen der uralten Steine auf dem Ewigkeitsplaneten eingebrannt worden war.



Tempus fugit.

Reflecting pool

Anacostia, Potomac,

Capitol.

Es ist wirklich schön hier.

Leider wird mir der Urlaub

Extrem vermiest.
Steine sterben, Fremde sind hier.
Scheidung MMXI



Cal las sich die Nachricht noch mal durch und stellte fest, dass sie absolut keinen Sinn machte. Er konnte zwar einige Landmarken herausfinden – Anacostia, Reflecting Pool Potomac, Capitol – das waren Sehenswürdigkeiten in Washington D.C. aber…

„Steine sterben?“, fragte Agatha und der Captain zuckte zusammen, als er plötzlich ihren Atem in seinem Nacken spürte.

„Hast Du mich erschreckt.“, keuchte er und presste sich die Hand theatralisch auf die Brust, „Mach das nich wieder, oder dein alter Captain kriegt’n Herzkasper, der sich gewaschen hat.“

Sie zwinkerte ihm zu und küsste ihn auf die Stirn: „Du bist nicht alt.“

Dann nahm sie ihn in den Arm: „Danke, das Du mich hast retten wollen.“



Kurz trachtete er danach, ihr zu sagen, dass man sich gerade mal auf diese Botschaft konzentrieren musste, aber die Anwesenheit Agathas brachte ihn völlig aus dem Konzept. Er starrte sie, wie betäubt, hypnotisiert und unter jeder anderen Art der Telegedankenkontrolle an und lächelte: „Schatz… wenn ich kann, werf ich mich immer vor dich. Du kennst mich – für dich mach ich alles, da werf ich mich sogar hinter den fahrenden Zug.“

„Halt die Klappe, Cal.“, grinste sie, packte ihn und drückte ihm einen sinnlichen Kuss auf die Lippen. Als sie sich lösten, starrte er sie an, blinzelte und schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden.

„Erm… ja.“, stammelte er dann und schaute zu ihr: „W… was meintest Du eigentlich gerade?“



Sie grinste.

Hatte sie es wieder einmal geschafft, ihn aus der Fassung zu bringen? Das tat sie wirklich gerne, immerhin liebte sie es, wenn er gerade einen Gedanken ausformuliert hatte, ihn durch eine Geste so fertig zu machen, dass er vergas, was er eigentlich sagen wollte. Es ist zwar nicht nett, das mit jemandem zu machen, der sowieso nie all zu viele Geistesblitze hat, aber – ein bisschen Spaß muss sein. Besonders, nachdem man einen Bauchschuss erhalten hatte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, das sie getroffen wurde, nur daran, dass sie plötzlich knappe 73 Kilo auf dem Rücken hatte und dann merkte sie erst diesen unsäglichen Schmerz in der Seite, der sie langsam, aber sicher das Bewusstsein verlieren ließ.



Sie erinnerte sich nicht an viel, nur daran, das sie immer wieder Cal sah, hörte, spürte, wie er in der Krankenstation auf und ab ging, besorgt nach ihr fragte und sie konnte eigentlich nicht mehr tun als da zu liegen und zwischen Ohnmacht und Wachsein hin und her zu pendeln. Dann erwachte sie endlich, als sie sah, wie Cal sich der Nachricht auf dem Bildschirm widmete, zwinkerte Gina zu und stand auf.



„So“, räusperte sich die Ärztin, „Agatha, du hast deinen Spaß gehabt, leg dich wieder hin. Ich möchte nur noch ein paar Tests machen.“

„Ja, gleich.“, sagte Agatha, beugte sich vor und warf einen Blick auf den Text auf dem Bildschirm.

Cal tat es ihr gleich.

„Was meint der Typ mit ‚sterbende Steine?’“, fragte er und Gina zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung, aber – der Schreibstil erinnert mich an meinen Bruder.“

Cal blinzelte sie an: „Du meinst diesen Überflieger, der mit 20 ein besserer Doktor war als Julian Bashir – ohne dabei genetisch hochgewertet zu sein?“

Gina nickte.

„Ja, er versteckte gerne kleine Botschaften in seinen Briefen. Er hatte mal von sogenannten Akrostichons – oder acrosstic gesprochen.“

Erneut blinzelte Cal: „Wat soll dat denn sein?“

„Erinnert Ihr beide euch an das Symbol der Christen?“, fragte Gina und Agatha nickte: „Das Kreuz, oder?“
„Nein, ich meine den Fisch. Angeblich sollen damals die Urchristen dieses Zeichen verwendet haben, um sich anderen Christen zu erkennen zu geben.“, erklärte Gina, „Und ich sag euch auch, warum. Der Fisch – zu griechisch „Ichthys“, ist das kurz gefasste Glaubensbekenntnis und erhält den Satz: „Jesus Christus, Gottes Sohn und Erlöser“ – auf Griechisch. Also Iēsous Christós Theoú Hyiós Sōtér.“



Dieses mal blinzelten nicht nur Cal, sondern auch Agatha die hübsche Blonde verdattert an und antworteten wie aus einem Munde. „HÄ?“

Ein Lächeln zierte die vollen Lippen Ginas und sie schaute die XO und den Captain an: „Schreibt man nun Iēsous Christós Theoú Hyiós Sōtér unter einander und nimmt von Iēsous das I, von Christós das CH, von Theoú das Th, von Hyiós das Y und von Sōtér das S, erhält man das Wort ICHTHYS, also Fisch. Und aus diesem Grunde ist, der Legende nach, der Fisch ein Symbol der Christen.“

„Ja, okay, hab ich verstanden.“, meinte Cal und Agatha blickte ihn verdattert an, als wolle sie verschmitzt ein „Das glaube ich nicht, Cal.“ einwerfen, was sie aber nicht tat. Stattdessen räusperte sie sich: „Aber was hat nun der Fisch – oder das Akrostichon mit dieser Nachricht zu tun?“

Gina grinste: „Im Grunde ist es ganz einfach.“

Sie räusperte sich.

„Computer, bitte alle Buchstaben, bis auf die jeweils ersten der Zeile löschen.“

Der Rechner der Dragonfly tat wie ihm geheißen und plötzlich erschien auf dem Bildschirm ein neues Wort.

T

R

A

C

E

L

E

S

S



Cal blinzelte verwundert: „Traceless? Aber… was hat der denn hier verloren? Ich meine, operiert er als Dieb, Terrorist und A-Loch extraordinaire nicht eigentlich eher so… ich weiß auch nicht, im Zentrum der Föderation?“

Dann stöhnte er auf, schaute zu Gina und lächelte: „Entschuldigung, ich weiß… er ist den Bruder und… aber… es tut mir leid, er ist ein Verbrecher.“

„Ich weiß.“, knirschte Gina mit den Zähnen, „Das macht es aber auch nicht leichter. Es ist eigentlich so einfach – was er tut ist kriminell, aber… meine Güte, wie kann man von mir erwarten, zwischen der Loyalität zu meinen Freunden und meiner Familie zu wählen?“

Agatha legte ihr lächelnd die Hand auf die Schulter: „Das kann man nicht. Dein Bruder liebt dich, deswegen hat er uns bei der Konferenz auf der Erde seinerzeit verschont.“

„Sprecht da nur für euch.“, murrte Cal, „Mir tat noch zwei Tage lang der Kopf weh, weil er mich ausgeknocked und meine Rolle angenommen hatte.“

Die beiden Frauen grinsten ihn an: „Hätten wir eigentlich merken müssen, da warst Du ja kompetent wie sonst nie.“

„Na danke schön“, machte Cal mit einem leicht genervt klingenden Unterton, grinste aber, ehe er sich räusperte und dann wieder dem Bildschirm zuwandte.

„Okay, wir wissen, das Traceless da war, aber… wir wissen nicht, was er uns sonst noch mitteilen wollte.“

Gina schüttelte den Kopf: „Im Gegenteil, das wissen wir eigentlich sogar sehr konkret.“

„Ach ja?“, machte Cal und dieses mal nickte Agatha: „Jupp. Cal, pass auf, ich zeig es dir.“

Damit wandte sie sich wieder an den elektronischen Datenknecht: „Computer? Bitte den letzten Arbeitsschritt zurücknehmen.“

Sofort erschien auf dem Bildschirm wieder der komplette Text.



Tempus fugit.

Reflecting pool

Anacostia, Potomac,

Capitol.

Es ist wirklich schön hier.

Leider wird mir der Urlaub

Extrem vermiest.
Steine sterben, Fremde sind hier.
Scheidung MMXI



Cal legte den Kopf schief: „Okay, Reflecting pool, Anacostia und Potomac, sowie das Capitol lassen ja nun auf D.C. schließen - soweit war ich auch schon. Er macht also Urlaub in Washington, aber – und jetzt kommt der Caius Kaktus…“

„Casus knacktus.“, murmelte Agatha, was vom Captain aber wohlweißlich überhört wurde, der sich gar nicht stören ließ, und fortfuhr: „Was heißt ‚Steine Sterben, Fremde sind hier – Scheidung MMXI?“

Gina lächelte: „Das weißt Du wirklich nicht? Ich weiß auf jeden Fall schon mal, was mit MMXI gemeint ist.“

„Ach so?“, fragte Cal, „Und was?“

„Römische Zahlen, mein Freund.“, sagte die Italienerin, „Das M steht ja wohl für Tausend, das X für 10 und das I für die Eins. Also Zwei Tausend Zehn und 1 – ergibt 2011.“

Mit nun in die andere Richtung geneigtem Kopf rechnete der Captain nach und nickte: „Ja, wenn Du das sagst, wird das stimmen. Und was meint er mit Scheidung?“

„Buzz hat mir früher immer aus dieser Datenbank vorgelesen… man sagte dazu ja mal ‚Wiki’, aber - ich nenn es weiterhin „Datenbank“. Also in dieser Datenbank stand, dass ein bestimmter Monat, früher ‚Scheidung’ hieß – auch Herbstmonat, Holzmonat oder Engelmonat genannt.“

„Und welcher Monat soll das sein?“, fragte nun Agatha und Gina grinste: „Der September, meine Liebe. Buzz lässt uns mitteilen, dass er im September des Jahres 2011 ist.“

„Ja, gut okay“, meinte Cal, „Aber was heißt bitte schön ‚Steine sterben’? Ich meine, er wird ja wohl kaum…“

Der Captain stockte und wandte sich dann an Agatha: „Schatz, wie heißt noch mal der Kontrolloffizier, der sich nicht mehr meldet?“

Agatha schaute ihn an: „Thaddeus Alexander…“

„Stone“, komplettierte Cal den Satz: „Er will uns mitteilen, dass Stone stirbt!“

Damit wandte er sich um, griff Agatha bei der Hand und zog sie mit sich, stoppte in der Tür und wandte sich zu Gina um: „Scheint so, als sei dein Bruder doch nicht nur ein A-Loch.“

Die Ärztin räusperte sich: „Ihr geht runter zum Ewigkeitsplaneten, oder?“
„Ja, wieso?“, fragte Cal und wandte sich an Agatha, die sich in diesem Moment wieder den Magen hielt und Schmerzlaute von sich gab.

„Deswegen.“, meinte Gina, „Meine Güte, das Ding ist ein Tor durch Raum und Zeit, da werdet ihr noch ein paar Tage haben, bis sich dein Schatz wieder auskuriert hat, oder?“

„Stimmt.“, lächelte Cal.



Was der Captain nicht wissen konnte, war, dass alle seine Bemühungen, das Leben Captain Stones zu retten, nicht fruchten würden und das am Schluss Petty Officer McConnaugh immer wieder das Endergebnis dieses Kampfes zwischen Raum, Zeit und Planeten sehen würde.

Eine Leiche in einer Waldlichtung .
 
Kapitel 6

Die nussbraunen Augen Ziva Davids rollten in ihren Augenhöhlen nach oben und ihr Körper erschlaffte.




Klirr!

Er hatte, ohne groß darüber nachzudenken, was er getan hatte, gehandelt und sich mit voller Wucht gegen den Mann im grauen Sakko geworfen. Den Ruf seiner Liebsten hatte er gerade in dem Moment vernommen, in dem beide gegen das Fenster krachten und dann …



Bemerkte er, wie er sich im freien Fall befand.

‚Scheiße!’, schoss es ihm durch den Kopf, ‚Wenn ich jetzt unten aufpralle…“

Da hatte der Mann, der das Gesicht von NCIS Ermittlerlegende Leroy Jethro Gibbs spazieren trug, ihn aber schon gegriffen und gegen seinen Kommunikator gedrückt. Mit einer Stimme, die die Cals war, sagte Gibbs plötzlich: „Cat an Dragonfly! Notfalltransport. Beamen Sie uns hoch.“

Und dann – kurz bevor der Aufschlag erfolgte – dematerialisierte er. Dunkelheit umfing ihn.



„Cal!“, hatte sie geschrien und dann war er vor ihren Augen auf Traceless zugestürmt und hatte sich mit ihm aus dem Fenster geworfen. In Sachen „Selbstzerstörungsfreudigkeit“ erinnerte sie das an seinen legendären Einsatz auf Optimus Prime , der nur deswegen Optimus Prime hieß, weil Cal, der den Planeten zusammen mit seiner Crew als Erster entdeckt hatte, ihn im Angedenken an eine Kinderserie, die er offenbar gerne schaute, den Namen gegeben hatte.

Aus diesem Grund fanden sich ab den Tagen, ab denen es der Crew der Dragonfly oblegen hatte, kühn dorthin zu gehen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist, Planeten, die Namen wie Ultra Magnus , Thor oder auch Blablawuffwuff in den Sternenkarten und -Atlanten. Man hatte versucht Cal – dem frühen Cal – die Vorliebe für bekloppte Namen auszutreiben, man hatte mit dem Legal Department der Sternenflotte gesprochen, die sich mit Crane, Poole & Schmidt beraten hatten, aber – nein, gegen alte Traditionen kam man halt nur ganz schwer an.



Auf Optimus Prime hatte sich der todesmutige und offenbar intelligenzallergische Cal zusammen mit dem Prime Minister aus einem Hochhaus geworfen, nachdem es auf dem Planeten zu einem Bürgerkrieg gekommen war. Damals waren seine Handlungen von der Sternenflotte genau so gerügt worden, wie sie es jetzt werden würden, wenn der Captain einen Sturz aus einem knapp 5 Meter hohen Gebäude überlebte. Wenn man einen Köpper , also einen Kopfsprung, hinlegte, konnte selbst ein Sprung aus einem Fenster im ersten Stock gefährlich enden.



Ding

Die Tür glitt auf und ein freudestrahlender Cal kam ihnen entgegen. Gibbs war wenig begeistert – und das ist noch ein Euphemismus. „Gute Nachrichten“, grinste der Captain Agatha zu, „Wir haben ihn. Traceless ist gefangen, wir können verschwinden. Fall gelöst, Case closed.“

„… ist eine deiner Lieblingsanime-Serien. Du fühlst dich doch immer noch sehr mit dem Charakter des Shinichi verbunden, hm?“, lächelte Agatha und Cal zuckte mit den Schultern: „Wenn ich ehrlich bin, fühl ich mich in letzter Zeit mehr so wie Kaito KID.“, gab der Captain zurück und schaute sie an: „Aber ich bin ehrlich, wenn ich sage: Wir können uns von hier zurückziehen. Wir haben unseren Mistkerl gefangen, er ist hinter schwedischen Gardinen und atmet auch ohne Feinstaubfilter gesiebte Luft. Zu deutsch: Wir können verschwinden.“

Agatha war verblüfft: „Wie, wirklich?“
„Ja“, nickte Cal bestätigend, „Ich hab ihn selber in der Arrestzelle abgeliefert und – alles ist in bester Butter.“





Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte es geregnet. Er hatte in einem Auto gesessen, mit seinem Gewehr gezielt und abgedrückt. Er hatte nicht vorgehabt, die Frau, auf die er angelegt hatte, zu töten. Nein, das wäre viel zu simpel gewesen. Wenn er gewollt hätte, dass sie tot wäre – und damit davon zu kommen - hätte er andere Mittel verwendet, Mittel, die ihn nicht mit diesem Verbrechen in Verbindung gebracht hätten. Es war eine Mitteilung gewesen – eine Mitteilung an den Mann, der ihn tot sehen wollte. Und er hatte diesen Mann ebenfalls tot sehen wollen, da ihn dieser an seinen Vater erinnerte.



Der Mann erinnerte sich deutlich daran, wie verwirrt er sich gefühlt hatte, als seine Auftraggeber ihn von seiner aktuellen Mission abgezogen hatten. Er hatte sie nie gesehen, hatte nur in dem Moment, in dem er in das Haus hatte gehen wollen, um seinem Ziel eine Kugel in den Kopf zu jagen, gespürt, wie man ihn griff, ihm etwas injizierte, das ihn schlafen ließ.



Hier, im Anacostia Park, gegenüber des NCIS, hatte man ihn aus dem Lieferwagen gelassen, ihm ein Gewehr in die Hand gedrückt und „Gute Jagd“ gewünscht.

Und als er erfahren hatte, wer sein Ziel war, hatte sich ein Lächeln auf seine Lippen gelegt.

Sein erstes Opfer war nicht wichtig. Es war ein Offizier, ein gewisser Thaddeus Stone gewesen. Er hatte nicht einmal gewusst, warum seine Auftraggeber gerade diesen Navy-Captain tot sehen wollten, aber er hatte auch nicht nachgefragt.

Neugierig war er eigentlich nie gewesen, das schickte sich nicht.



Stone hatte gejoggt und die Tatsache, dass er ihn, seinen Mörder, so gut wie gar nicht bemerkte, hatte ihn amüsiert. Es war schnell gegangen. In einer einzigen, raschen Bewegung hatte er sein Opfer getötet, das Schwert, dieses lächerlich-lange Schwert präzise dorthin getrieben, wo es den meisten Schaden verursachte und hatte ihn dann zu Boden gehen lassen, auf dass das Schwert schön sichtbar blieb. Hätte er ihn nach vorne fallen lassen, wäre vermutlich einer der Passanten auf die glorreiche Idee gekommen, dass der Mann nur schliefe.

Wenn der Mann jedoch ein Schwert hatte, das aus der Brust ragte, war es schon schwieriger, zu meinen, dass Stone nur schliefe.



Auch, als man die Leiche gefunden hatte, war er in der Nähe geblieben, hatte sich im Gebüsch versteckt, sich auf die Lauer gelegt und immer wieder seinen Widersacher im Auge behalten.

Natürlich waren ihm die anderen Leute aufgefallen, die bei ihm waren. Er hatte sie alle mit Namen gekannt und es schmerzte ihn sehr, zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit nicht nur sein Widersacher den Dienst tat, sondern auch die Person, von der er es eigentlich nicht erwartet hatte.



Kurzzeitig spielte er mit dem Gedanken, mit einem einzigen Schuss die Sache zu beenden. Es würde so sein, wie bei Kate, nur, dass sie der Tod nicht auf einem Dach, sondern mitten im beschaulichen Anacostia-Park ereilen würde. Das könnte er tun, aber er sträubte sich dagegen. Immerhin waren sie verwandt.

Und Verwandte ermordete man nicht.



Also schwenkte er sein Zielfernrohr wieder zu dem Mann herum, den er hasste und betrachtete die konzentrierten Züge Leroy Jethro Gibbs. Es war eigentlich nur ein kurzes Zucken seines Zeigefingers nötig, um ihn zu eliminieren. Vor seinem Inneren Auge sah er schon, wie der Kopf des grauhaarigen Mannes nach links ruckte, er dann in die Knie ging und dann zur Seite wegsackte.

Es wäre kein Problem – und mit dem Tod Gibbs wäre auch einer der fähigsten Ermittler und derjenige, der ihn zweifelsohne überführen würde können, aus dem Weg geschafft.



Und kurz, bevor er mit dem nötigen Maß an Kraft den Abzug drückte, stand Tony DiNozzo im Schussfeld und die ganze Sache war dahin.

‚Verdammt’, murmelte Ari Haswari und seufzte, ‚Konnte es nicht einfach so funktionieren?’



In den folgenden Stunden hatte er sich mit der Präzision, der Ruhe und der Ausdauer eines Army-Snipers darauf vorbereitet, seinem eigenen, kleinen, persönlichen Vergnügen, dem Töten Gibbs, nachzukommen. Es überkam ihn ein gewisses Gefühl der Melancholie, als er an genau der Stelle seine Position bezog, an der er seinerzeit in das Fenster geschossen hatte, hinter dem die quirlige Forensikerin Abigail Sciuto ihr Labor hatte. Seinerzeit hatte er mit einem gezielten Schuss in dieses Fenster einiges an Chaos verursacht, aber er war sich sicher, dass Gibbs alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um dort Panzerglas zu installieren.



Nun starrte er durch das Zielfernrohr des Scharfschützengewehres in das Büro des NCIS – sah, wie Gibbs vom Büro des Direktors zum Schreibtisch von McGee ging, mit ihm sprach, dann in die Richtung verschwand, in der die Toiletten gelegen waren, dann tauchte eine hübsche Frau neben McGee auf und die beiden redeten miteinander. Worüber konnte er über die Distanz natürlich nicht hören und es interessierte ihn auch nicht. Als dann McGee und die hübsche Frau zusammenzuckten und der Agent in Richtung Verhörräume davon lief, überlegte Ari, an was für einem miesen Tag er aufgetaucht war.



Die größte Überraschung jedoch folgte, als er sah, wie ein junger Mann an Gibbs vorbei ging, sich dann auf einen zweiten Gibbs warf. Als dann beide aus dem Fenster fielen, lösten sie sich auf, wie Schneemänner in der Sonne.

Verwundert rieb sich Ari die Augen, schüttelte den Kopf und spähte dann durchs Zielfernrohr wieder in das Gebäude. Ein sowieso zerstörtes Fenster bot Möglichkeiten. Wenn eine Kugel zuerst durch Glas brechen musste, um in den Körper einer Person einzuschlagen, würde sie einiges an Moment verlieren. So nicht.

Ari lächelte, zielte auf den Gibbs, der sich gerade verwundert zu Ziva und DiNozzo umgedreht hatte und wollte gerade abdrücken, als die rothaarige Frau, die im Hintergrund besorgt dreingeblickt hatte, plötzlich verwundert guckte und dann der Typ, der gerade aus dem Fenster gefallen war, wieder auftauchte.

Er betrachtete das Profil des Typen, legte den Kopf schief und tastete nach seiner Hosentasche.



Das Foto, das er hervorholte, hatte man ihm geben und gesagt, wenn er diesen Mann je zu Gesicht bekommen sollte, solle er das tun, was er am Besten könne.

Kurz studierte er die braunen Augen, die blonden Haare und den verwegen-mutigen Gesichtsausdruck, der mit der Grenze zur Dämlichkeit flirtete. Ari wusste, hier hatte er es mit einem sogenannten „Spezialisten“ zu tun, jemandem, dessen Handlungsweisen für ihn selbst logisch erscheinen, aber nicht unbedingt für seine Umwelt genau so erscheinen mussten. Aber – waren nicht alle Entscheidungen, die ein Mensch traf, eher der inneren Logik geschuldet, als der, der Aussenwelt?



Dennoch – Auftrag war Auftrag und der Mann, der da gerade den Raum betreten hatte, glich seiner Zielperson aufs Haar. Logik oder nicht – hier hieß es: „Pech gehabt.“.

Und genau mit der selben Abwesenheit von Reue, Schuld und Erbarmen, die er schon bei dem Schuss, der das Leben von Kate Todd beendete, gefühlt hatte, legte er nun auf den jungen Mann an und überlegte, was er nun tun solle.

Ein Schuss in den Kopf?
Nein – das wäre eine billige Widerholung, und diese werden immer im Nachtprogramm gebracht. Seine Taten waren eines Prime-Time-Events würdig, um 20.15 Uhr, bei dem sich die ganze Familie mit Chips und Cola auf der Couch lümmelte und ihm zusah, wie er seine ganz persönlichen Feinde aus dem Weg räumte.

Ein Schuss in den Kopf – nein, das war er nicht wert.



Er sah sich schon in der Talkshow – Ophra, Lettermann, Anne Will, Hart, aber Fair – sitzen und vom Moderator befragt werden. „Warum haben Sie Kate seinerzeit in den Kopf geschossen?“.

Die Antwort war einerseits völlig simpel, andererseits jedoch…

„Kate“, sah er sich mit einer neutralen, um Aufklärung bemühten Stimme sagen, „trug zu diesem Zeitpunkt eine schusssichere Weste. Sie hat sich vor Gibbs geworfen und zwei Kugeln für ihn aufgefangen und selbst mit einer Kate kommt man nicht durch eine schusssichere Weste. Der Kopfschuss ist die einzig logische Alternative.“

Sein Interviewpartner würde ihn kennen – er hätte seine Biografie gelesen, ‚Thoughts of a serial killer’ und würde wissen, wie er zu der Frau stand, die er da ermordet hatte.

„War es nicht auch so, dass sie ihr unnötiges Leid ersparen wollten?“, hörte er Winfrey, Lettermann, Will oder Plasberg fragen und sah sich nicken.

Ja, er hatte Kate geliebt und wollte ihr durch diesen Schuss in den Kopf das Leid ersparen, das bei Treffern in andere Körperregionen eingetreten wäre. Wenn am Schluss der Tod steht, dann sollten die Tode derer, die man im Herzen hat, schmerzlos sein.



Für diesen jugendlichen Typen allerdings empfand er diese Zuneigung nicht – hier konnte er kreativ werden. Ein Schuss in die Brust? Die Kugel dringt – durch das zerstörte Glas ungehindert – in den Brustkorb ein, verursacht dort größtmöglichen Schaden und verlässt ihn dann wieder, um in der Wand hinter ihm steckenzubleiben?

Den Kopf schiefgelegt kalkulierte der Scharfschütze, ehe er Ziel nahm und abdrückte.

„Treffer“, dachte er sich, grinsend.



Das Lächeln, das der Mann, der sich selbst Cal nannte, aufgesetzt hatte, ließ Leroy Jethro Gibbs kalt. Dieser Mann hatte sich einfach – ohne auf Backup zu warten – auf seinen Feind gestürzt und war mit ihm aus dem Fenster gefallen. Ein solcher Plan hätte ‚Cal’ bei ihm eine Kopfnuss eingebracht. Aber – die Mission des jungen Mannes schien, nach dem Grinsen Cals und Agathas zu schließen, erfolgreich gewesen zu sein.

„Ich hab ihn selber in der Arrestzelle abgeliefert und – alles ist in bester Butter.“, erklärte der Mann gerade, als ein leises Sirren, beinahe wie von einem Moskito zu hören war, das langsam immer lauter wurde, bis Cal aufschrie und nach hinten fiel.

Nicht schon wieder! , schoss es Gibbs durch den Kopf und er sah, statt des jungen Mannes plötzlich die mit weit-aufgerissenen Augen daliegende Caitlynn Todd, deren Kopf ein großes Loch aufwies.

„Cal!“, hörte er Agathas entsetzte Stimme, riss sich in die Realität zurück, war bei ihr und gab ihr einen Stoß, der sie zu Boden gehen ließ, ehe er in dem bestem Kommandotonfall, den er gerade aufbringen konnte, ein raues „Alle auf den Boden und in Deckung“ bellte.



Er selbst warf sich direkt am Fenster, dort, wo eine ungefähr 60 Zentimeter hohe Mauer in Backsteinoptik die untere Begrenzung zum mausgrauen Teppichboden bildete, zu Boden und hatte seine Pistole gezogen. Angestrengt lauschte er, horchte in die Ferne, ob erneut ein solches Geräusch erklingen würde, das er selbst oft genug gehört und oft genug verursacht hatte. Irgendjemand feuerte von der Werft – oder dem Anacostia-Park – aus auf das Büro.

Er musste gar nicht lange überlegen, wer für so einen Anschlag verantwortlich zeichnen könnte – er erkannte den modus operandi, erkannte die Signatur und wusste, dass die Kugel, die man aus dem jungen, toten Mann ziehen würde, eine Lapua war, eine, wie er sie benutzt hatte.



Eine Tac-Ops Bravo 51, die Waffe, die Marines eine „Kate“ nannten, hatte er verwendet um, vor knapp 5 Jahren, das Teammitglied Caitlynn Todd zu erschießen. Vor seinen Augen – durch einen Treffer in den Kopf. Er – der Bastard, der Schweinehund. Ari Haswari, der Terrorist, der sich ihnen immer wieder gezeigt, sie immer wieder genarrt hatte und auf den Gibbs einen regelrechten Hass entwickelt hatte. Dieses Gefühl war jedoch gegenseitig, wie Ari damals, als sie sich im Keller gegenüberstanden, erwähnt hatte.



Und hier kam die Crux, hier kam das, was Gibbs nicht verstand.

Er hatte gesehen, wie Ziva Ari erschossen hatte. Er selbst hatte überprüft, ob Ari tot war, oder nicht – und dennoch verwendete jemand, von dem er genau wusste , das es Ari war, die Taktiken des Toten. Wenn es nicht Haswari war, dann ein verdammt guter Nachahmungstäter.



Die Stimme einer Person klingt, wenn diese Person sie selbst hört, überraschenderweise immer anders. Eigentlich sollte man meinen, das man selbst seine eigene Stimme am Besten kennt – aber dem ist nicht so. So konnte sich Agatha Silverbird nur darauf verlassen, wenn Cal ihr sagte, dass sie die für ihn betörendste, bezauberndste und hypnotischste Stimme habe, die er sich vorstellen könne.

Gut, er sagte „Gleich hinter den Sirenen“ und da war sie eigentlich schon wieder versucht, ihn in der nächstbesten Badewanne zu ertränken oder ihn mit Honig zu bestreichen und in den nächsten Bienenkorb zu jagen, aber sie verzichtete darauf.

Jetzt aber klang Agathas Stimme, die ihr Freund – nach eigenem Bekunden - für das Erotischste auf der Welt hielt, eher nach einem kreischenden Affen, denn nach einer schnurrenden Katze.

„CAL!“, schrie sie, als sie das Sirren gehört und gesehen hatte, wie ihr Freund zusammengezuckt und kollabiert war. Sie hatte keine Ahnung, ob er noch lebte, wusste gar nichts, merkte nur in diesem Moment wie ein, in ein graues Sakko gekleidetes Schemen bei ihr war und sie so hart zu Boden stieß, dass sie mit dem Kopf aufschlug und wie durch einen Schleier die Worte „Alle auf den Boden und in Deckung“ wahr nahm.


Dann kehrte die Welt zurück und Agatha wusste nicht, wohin. Die Soldatin in ihr herrschte sie an, dass sie sich in Deckung begeben solle, dem Befehl Gibbs gehorchen und sich in Sicherheit begeben. Die Freundin in ihr hatte das Verlangen, Cal aus der Schusslinie zu holen, auch, wenn sie getroffen würde.

„Verdammt“, murmelte sie, „was…“

Weiter kam sie nicht.



Für Ziva hatte sich der Tag zu einem der wohl verwirrendsten Tage in ihrem Leben entwickelt. Er war so bizarr, bizarrer als ihre Drogenträume damals. Sie erinnerte sich an die Sachen, die sie sich in Somalia vorgestellt hatte, als das Wahrheitsserum, das Saleem Ulman – ihr Häscher - ihr injiziert hatte, nicht die gewünschten Informationen aus ihr herausgekitzelt und der Terrorist sie mit einem weiteren Serum betäubt hatte. Und das waren schon Träume gewesen, die sie eigentlich niemandem erzählen konnte.

Nun aber hatte sie innerhalb eines Tages erlebt, wie ein Mann, den sie erst für eigentlich ganz vernünftig, dann wahnsinnig und schließlich wieder vernünftig gehalten hatte, sie überwältigt, ihr die Waffe abgenommen, drei Schüsse auf Gibbs – der dann doch nicht Gibbs war, sondern ein sich dauer-maskierender Geisteskranker – abgegeben, sich mit dem falschen Gibbs aus dem Fenster geworfen hatte und zu guter Letzt auch noch angeschossen worden war.

Es gab Tage, an denen man eben lieber im Bett bleiben sollte. Aber als sie ihren Chef hörte, den sie ansah und dessen väterliche Aura sie spürte, dann zuerst einen Blick zu Tony und sich dann auf Geheißen Gibbs in Deckung warf, wusste sie, dass dieser Tag eigentlich nur noch dadurch verrückter werden konnte, wenn aus den grauen Wolken über D.C. ein Raumschiff mit Ausserirdischen herabstieg und sich daran machte, vor dem weißen Haus zu landen. Eigentlich erwartete sie im Moment genau dies. Als sie dann aber sah, was die Rothaarige tat, die da komplett versteinert und erstarrt auf den Punkt hinter ihrem Raumteiler blickte, wusste sie, was sie zu tun hatte. Mit einer schnellen Handbewegung ergriff sie die Rothaarige und zog sie zu sich in Deckung.

Keine Sekunde zu früh, denn erneut hörte man ein Sirren, quasi wie das eines Moskitos und ein paar Sekunden später war in der Wand, vor der Agatha gerade eben noch gestanden hatte, ein Loch.

Die Augen der hübschen Rothaarigen waren in diesem Moment gläsern – sie starrte gerade aus, Ziva an und durch sie hindurch. Der sinnliche Mund war weit offen, das Kinn locker und die israelische Schönheit wusste, was Agatha da gerade erlitt.

Schock.

Extremer Schock – was verständlich war.

Wenn man sich das Aussehen dieser jungen Frau betrachtete, mochte sie nicht älter als maximal 29 Jahre sein. Ziva selbst war drei Jahre älter, hatte aber offenbar ungleich mehr Erfahrung. Agathas Augen waren immer noch gläsern und leer und die Israelin war sich sicher, dass sie noch nie gesehen hatte, wie einer ihrer Kameraden getroffen zu Boden ging.



Erneut sirrte ein Moskito heran und schlug in den Tisch ein, an dem Tony arbeitete. Erschrocken blickte die schöne Frau nun zu ihm, doch der Italiener saß unter dem Tisch, zuckte mit den Schultern und versuchte, aus der Deckung heraus zu Gibbs zu spähen.

„Boss!“, rief er, „bist Du okay?“

„Klappe, DiNozzo.“, hörte er die raue Stimme des Anführers, „wir wissen nicht, ob er keine Wanzen hier versteckt hat.“

Der nächste Moskito ließ die Scheibe über Gibbs klirren, und der Grauhaarige machte sich klein, damit die Scherben ihn nicht verletzten.

„Verdammt.“, murmelte er, „Dieser Schweinehund gibt nicht auf.“



Ziva warf einen Blick an dem Raumteiler vorbei zu Gibbs, in dessen Gesicht etwas geschrieben stand, das sie seit sie sich das erste Mal gesehen hatten, nicht mehr dort erspäht hatte.

Ratlosigkeit.



Damals, als Ari mit einem gezielten Kopfschuss das Leben von Caitlin „Kate“ Todd beendet hatte, war Gibbs in eine emotionale Lage geraten, die ihn dazu brachte, alles Mögliche, was er zu wissen glaubte, zu hinterfragen. Vermutlich hatte es mit den fünf – oder vier – Verdrängungsphasen zu tun, aber es hatte diesen Moment gegeben, damals, als sie Ari im Keller getötet hatte, an dem Gibbs froh gewesen wäre, wenn Ari ihn erschossen hätte.

Das hatte sie an seiner Haltung erkannt.

Manche mochten ihn für einen brillanten Taktiker und Strategen halten – er setzte sich einfach so, ohne selbst Anstalten zu machen, den Tod Kates zu rächen, ohne sich mit dem Zorn eines Superman auf Ari zu werfen, auf diesen Hocker, vor das Gewehr und wartete darauf, dass sie – Ziva – ihren Halbbruder tötete.



Seine neue Vorgesetzte, Jenny Shephard hatte dies als ausserordentlich mutigen Akt der Opferbereitschaft in seiner Dienstakte vermerkt, seine Untergebenen hielten ihn deswegen für einen knallharten Hund. Normalerweise war er das. Das spürte Ziva – nur zu diesem Zeitpunkt war er es nicht gewesen. Es schien ihr damals, als wäre es ihm durchaus recht, wenn die Kugel aus dem Gewehr ihn treffen und töten würde.



Nun sah sie diesen Gesichtsausdruck wieder – zwar flackerte er für den Bruchteil einer Millisekunde über die Züge des Mannes, aber, sie waren zweifelsohne da.

Sie spürte, wie seine Gedanken rasten. „Was kann ich tun, was kann ich tun, was kann ich tun?“ – ein sich immer wieder wiederholendes Mantra.

Dann blickte er zu ihr, kurzzeitig schauten sie sich in die Augen und er nickte.

Der Brustkorb Gibbs hob und senkte sich kurz, in seinen eisblauen Augen stand eine Entscheidung und sie hoffte, dass es nicht die Falsche war. Dann, mit einer Bewegung, als würde es ihm nicht viel Mühe machen, stand er auf- aufrecht, trotz der Bürde, die sich nun auf ihn legte.



Das Gesicht Leroy Jethro Gibbs’ erschien im Fadenkreuz des Gewehres und der junge Mann überlegte nicht lange. Er drückte ab und…



Gibbs wartete.

Wartete darauf, dass die Kugel von jenseits des Flusses auf ihn zusirrte und sein Leben beendete. Wenn er mit seinem Blut den Dämon Ari beruhigt hatte, wenn sein Opfer angenommen würde, dann wäre sein Team in Sicherheit.



Klick , machte es als der Bolzen des Gewehres zuschlug und…



Nichts geschah.

Ein leises, böses Lächeln legte sich auf die Lippen des Mannes, als er sein Gewehr nahm, es in die Sporttasche legte und aufstand.

Nein – dieses Mal wollte er es auskosten. Er wollte Gibbs nicht so schnell töten wie vor ein paar Stunden Kate. Diesen Tod – den schnellen Tod – hatte Gibbs sich nicht verdient, genau so wenig, wie es sein Vater tat. Nein – er würde diese beiden Männer langsam, qualvoll umbringen und sei es dadurch, dass er jeden ins Visier nahm, der für sie arbeitete.

Jeder würde in sein Visier geraten – niemand, der sich loyal zu Gibbs zeigte, verdiente es, zu leben.



Die Kugel, die alles beenden konnte, kam nicht. Stattdessen blitzte es kurz, dann grollte lauter Donner und über der Hauptstadt der USA ging von jetzt auf gleich ein Unwetter nieder.

„So wie damals, als es eigentlich geendet war.“, schoss es Gibbs durch den Kopf und er wandte sich an Ziva, die schon aufgestanden war und der hübschen Rothaarigen wieder auf die Füße geholfen hatte.

„Hol ihr einen Kaffee.“, sagte der leitende Chefermittler und nickte zu der Frau herüber, die sich selbst Agatha nannte.

Wie in Trance ging sie auf den am Boden liegenden jungen Mann zu, der mit geschlossenen Augen ruhig da lag. Auf Brusthöhe hatte sich ein roter Fleck gebildet – unter ihm eine große Blutlache.



Als Ziva an ihr vorbeigegangen war, legte die hübsche Rothaarige ihre Hand auf die Cals, streichelte sanft darüber und hoffte, ihn irgendwie wieder ins Leben zurückbringen zu können, als sie stutzte. Hatte seine Hand gerade gezuckt? Oder hatte sie sich das nur eingebildet.

Sie hatte keine Zeit, großartig darüber nachzudenken, sie hoffte nur, dass sie sich eben nicht getäuscht hatte. Dann richtete sie sich auf, straffte ihre Gestalt und wandte sich an Gibbs, der sie ansah, mit diesen eisblauen Augen, die derart undurchdringlich waren, dass sie sich fragte, was in seinem Kopf gerade vorgehen mochte.

„Miss Agatha“, setzte er an und schaute ihr in die Augen: „Warum sollte jemand auf Ihren Freund schießen?“
 
Agatha zuckte mit den Schultern: „Ich habe nicht die geringste Ahnung – ich… kann mir nur vorstellen, dass es wieder Traceless war und er es gar nicht mochte, aus dem Fenster geworfen zu werden.“

„Das war nicht Traceless.“, erklärte Gibbs mit einer Selbstverständlichkeit, die Agatha die Augenbrauen heben ließ.

„Ja, aber Mister Gibbs, das Opfer ist mein Freund.“, erklärte die hübsche Rothaarige, was ihn dazu veranlasste, aus dem Fenster zu blicken, hinüber in den Hafen: „Ja – das mag durchaus sein, aber … ich habe vor knapp 5 Jahren etwas Ähnliches erlebt und … ich kann ihnen sagen, dass es nicht Traceless ist.“

„Wie kommen Sie darauf?“, fragte Agatha und schaute den Special Agent verblüfft an, als dieser sich umdrehte und einfach ging. Mit gehobener Augenbrauen schaute die Frau ihm hinterher, blinzelte dann verblüfft und schaute zu Tony herüber: „Wissen Sie, was hier los ist?“

Der Italiener nickte: „Oh ja – vor ungefähr 5 Jahren wurde unser aller Leben auf den Kopf gestellt.“



Kaum, das er anfing, zu erzählen, erinnerte sich Anthony „Tony“ DiNozzo an die ganze Geschichte, daran, wie er Kate verloren und Ziva kennengelernt hatte, daran, wie man, hätte man die Ereignisse gefilmt, sicherlich hätte sehen können, dass das Blut, das aus Kates Kopf geströmt war, ihn getroffen und er im ersten Moment gar nicht gespannt hatte, was los war. Auch jetzt, 5 Jahre später, machte er sich Vorwürfe. Vorwürfe, nicht schnell genug reagiert zu haben, Vorwürfe, dass er nicht derjenige war, den Ari hatte töten wollen, Vorwürfe, dass er sie nicht doch noch mit der Pest angesteckt hatte, dann wäre sie eventuell ein paar Tage länger in der Seuchenstation gewesen.



Wie er so erzählte, merkte er, wie die seelischen Narben, die Kates Tod in ihm hinterlassen hatten, rissen und sich die Wunde wieder öffnete.

Er hatte diese Tage, aber heute war einer der Schlimmeren.

Erst, als er den schottischen Akzent des Leichenbeschauers hörte, riss er sich in die Jetztzeit zurück.

„Dann wollen wir mal.“, meinte Ducky, griff die Füße des Mannes, der sich selbst Cal genannt hatte, und verfrachtete ihn mit Palmers Hilfe auf die Bahre, die sie aus der Leichenhalle mitgebracht hatten.

Die hübschen grünen Augen Agathas schauten auf ihn und man konnte ehrliches Mitleid in ihnen sehen.

„Es tut mir leid, dass Sie das durchmachen mussten.“, sagte sie und er schaute sie an: „Miss Agatha, Sie haben gerade ebenfalls einen schweren Verlust erlitten. Meiner ist ein paar Jahre her.“

„Aber er nagt an Ihnen, das sehe ich.“, erklärte sie und griff sich den nächstbesten Stuhl, um sich zu setzen.

„Mister DiNozzo, wenn Sie über das alles reden wollen - … ich weiß, es ist unorthodox, aber…“

Damit griff sie in eine Tasche und gab ihm etwas, das ungefähr die Größe eines Hühnereis hatte, grau-metallisch glänzte und an der Vorderseite einen Schriftzug besaß: „X-11-36.“

„Was ist das?“, fragte Tony und Agatha lächelte ihn freundlich an: „Damit können Sie mich erreichen.“

Dann wandte sie sich zu Ducky und Palmer um, die Cals Leichnam gerade zum Aufzug bringen wollten: „Wäre es nicht besser, wenn Sie den anderen Aufzug nähmen? Ich könnte Ihnen die Leiche ja vorbeibringen.“

„Miss Agatha, das halte ich für keine gute Idee, es könnte die Beweiskette…“, setzte Ducky an, doch er stockte, als die Leiche Cals plötzlich in Bewegung geriet, irgendwelche gemurmelten Worte seinen Mund verließen.

„Ich glaube, er ist noch nicht tot.“, stellte Agatha fest und ging zu ihm, nach aussen sehr beherrscht, innerlich vor Freude springend.

Der Mann öffnete die braunen Augen kurz und hinter offenbar bleischweren Augenlidern. Dann deutete er auf Gibbs, der gerade wieder den Raum betrat.

„…pt…ms…me.“, murmelte er und Ducky legte den Kopf schief: „Bitte was, was war das?“

„…pt…ms…me“, murmelte Cal erneut und Agatha beugte sich vor, um die offenbar unendlich-schwache Stimme ihres Freundes besser verstehen zu können: „Was?“

„O…pti…mus … Prime.“, keuchte der Captain, dann rollten die Augen nach oben die Augenlider schlossen sich wieder und die gesamte Gestalt erschlaffte.

Ducky blickte die hübsche Frau verdattert an: „Was hat er gemeint?“

Nachdenklich kratzte Agatha sich am Kopf: „Keine Ahnung, aber er hat zu Gibbs gesehen – ich vermute, es hat etwas damit zu tun, dass sowohl Optimus Prime als auch Gibbs starke Anführer sind.“

„Aber Gibbs verwandelt sich nicht in einen LKW“, meinte Tony von seinem Platz her und zuckte dann zusammen, nachdem er von dem älteren Mann eine der berühmten Gibbs-Kopfnüsse erhalten hatte, „’tschuldige, Boss. Ich war nur…“

„Ja, Hot Rod?“, fragte Gibbs und schaute ihn an, „Das dauert noch, bis Du die Matrix an Dich nehmen kannst.“

„Hot Rod?“, echote Tony verständnislos und schaute seinen Chef an, als McGee zu ihm schaute: „Der zweite Anführer der Transformers. Nachdem Optimus Prime von Megatron getötet wird, übernimmt erst Ultra Magnus und dann Hot Rod die ‚Matrix of leadership’, die ihn dann in den weiseren Rodimus Prime verwandelt. Sein Führungsstil ist aber dennoch jugendlicher geprägt, als der Optimus Primes, so soll er die intergalaktischen olympischen Spiele eröffnen und sagt nur: „Lets get started“ – oder so ähnlich.“



Tony merkte, wie der Tag im ironischen Sinne immer besser und besser wurde. Da starb Captain Thaddeus Stone, hinterließ eine wunderschöne Witwe, dann wurde Gibbs erschossen, oder auch nicht, der Typ, der ihn erschoss – oder auch nicht – stürzte zuerst mit einem Typen, der aussah wie Gibbs aus dem Fenster, wurde dann später selber erschossen und hinterließ wieder eine wunderschöne Witwe und zu allem Überfluss musste er sich dann auch noch von McDork einen Vortrag über animierte Charaktere anhören.

„Schon gut, McCube. Ich wusste nur nicht, dass die Details zum dritten Film schon draußen sind.“, sagte er dann und lächelte, als McGee verständnislos blinzelte: „Du willst doch wohl nicht die Zeichentrickserie mit diesem Kino-Bombast vergleichen wollen?“

„Aaaah“, machte er und lehnte sich zurück: „Megan Fox… sie ist schon eine Augenwei…“

Erneut stoppte er, als er den genervten Blick Gibbs’ wahrnahm: „’tschuldige Boss.“

Es war nun schon das zweite mal, dass er sich beim Boss entschuldigte und schüttelte verwirrt den Kopf, als er hörte, wie ein leises Ding wieder einmal einen Riss in der Raum-Zeit-Kontinuität verursachte. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie Ducky, Palmer und Agatha zum Aufzug gegangen waren und wie dann Ziva den Dreien entgegen kam. Sie übergab Agatha einen weißen Pappbecher und ging dann, gemessenen Schrittes wieder zu ihrem Platz, ehe sie ihn anschaute: „Ja, Megan Fox ist schon heiß. Aber ich bevorzuge Angelina Jolie.“

Tonys Kinnlade klappte herunter.

Ducky und Palmer standen, zusammen mit Agatha im Aufzug und gerade wollte Palmer den Knopf drücken, der den Aufzug in Bewegung gesetzt hätte, als Agatha intervenierte. Der Zustand des Mannes auf der Trage hatte sich nicht geändert, er schien, in dem Licht, das im Aufzug vorherrschte nur noch immer blasser zu werden.

Die rothaarige Schluckte, wandte sich an Ducky und sagte: „Können Sie mir gleich eventuell noch ein paar Minuten mit ihm lassen? Ich würde mich gerne von ihm verabschieden.“

Mitleidigen Blickes schaute der Schotte sie an und nickte: „Natürlich – das ist doch kein Problem. Mister Palmer, wenn Sie noch mal die Tür öffnen könnten, damit Miss Agatha und ihr Freund ein wenig Intimsphäre haben.“

„Natürlich, Doktor Mallard.“

Damit betätigte Jimmy einen Knopf am silbernen Panel, die Aufzugtür glitt auf und Ducky, sowie Jimmy verließen den Aufzug.



Kaum, dass die Tür sich wieder geschlossen hatte, schaute Agatha verschwörerisch nach links und nach rechts, beugte sich dann zu Cal herunter, streichelte mit einem Finger leicht über die Wange, beugte sich vor und machte „Bsssssssss.“

Dann trat sie zurück.

Sie wusste was passierte, denn von einer Sekunde zur Anderen flogen die Augen des „Toten“ auf, er sprang auf die Beine und schrie in Panik: „Wespe, Wespe, Wespe, Wespe, Wespe, Wespe! Mach Sie weeeeeeeg!“

Die hübsche Rothaarige lächelte, nahm ihn in den Arm und hielt ihn fest: „Hier ist keine Wespe. Das war nur ich.“

Sie hörte, wie der Atem des jungen Mannes sich beruhigte und wie er sie, fast schon in lächerlich-sanfter Stimme fragte: „Wirklich?“

Mit einem Augenrollen quittierte sie diese Worte, drückte ihn von sich weg und sagte: „Also, für einen Sternenflottencaptain bist Du ein ziemlicher Weichkeks.“

„Naja – ich… du kennst mich.“

„Ja, leider, das is ja das Problem, das ich seit knapp 7 Jahren habe. Dummerweise hab ich mich auch noch in das Problem verliebt. Aber – was willste machen.“, sagte sie lächelnd und schaute zu ihm herüber: „Also, ich hab die X-11-36-Amnesia bei Tony gelassen, wenn Du magst, können wir die Bombe sofort zünden.“

Ernst nickte der Captain vor sich hin: „Gut – aber was ist mit Ari? Wird er nicht immer noch versuchen, Gibbs und Co zu töten?“

Nun war es an Agatha, zu nicken. Sie setzte sich neben ihn auf die Bahre, die ihn eigentlich in die Leichenhalle hätte bringen müssen: „Stimmt schon – aber… wir können uns hier nicht einmischen. Dein Vergangenheitstourismus hat uns schon genug Scherereien mit dem Federation Department of Temporal Investigations verursacht.“

„Schatz, Dulmer und Lucsly werden uns sowieso aufsuchen – allein schon deswegen, weil wir hier sind.“, erklärte er grinsend und zwinkerte zu ihr: „Wir machen es einfach wie Sisko und erklären, was los war. Ihn haben sie damals, bei der Sache mit den Tribbles auch nicht verhaftet.“



Dazu muss man wissen, dass jeder Eingriff in die Zeitlinie, von der – wie Will Riker zu berichten wusste, seine damals-noch-nicht-Frau Deanna bei deren Aufenthalt im späten 21. Jahrhundert, im Tequillarauch, als der Erfinder des Warpantriebes sie mit eben diesem alkoholischen Getränk abgefüllt hatte, gelallt hatte ‚Wir haben keine Sseit um über die Sseit ssu sprechen – soviel Sseit haben wir nicht.’ - vom DTI, also dem Department of Temporal Investigations, der Föderationsbehörde für temporale Ermittlungen, untersucht wurde. Die Agenten, die am Meisten ausgesandt wurden, um solche Untersuchungen zu betreiben, hießen Dulmer und Lucsly und Cal fand es rasend komisch, dass diese beiden Figuren auch noch ein namenstechnisches Anagram von zwei FBI-Ermittlern aus dem Fernsehen waren – Fox Mulder und Dana Scully.

Der Kommandant der Raumstation Deep Space Nine, Benjamin Lafayette Sisko war damals von ihnen besucht worden, nachdem er und ein paar Crewmitglieder mitsamt einem Drehkörper – einem von der Rasse der Bajoraner sehr verehrten Gegenstand – und dem Kriegsschiff USS Defiant in die Vergangenheit geschleudert worden waren. Ein als Mensch getarnter Klingone wollte verhindern, dass sein früheres ich von einer Ikone der Föderation und einer Fußnote der Geschichte enttarnt wurde. Captain James T. Kirk hatte den Klingonen, der sich damals Arne Darvin nannte, als ebensolchen enttarnt, als eine ausserirdische Lebensform, ein sogenannter Tribble, auf ihn äußert feindseelig reagiert hatte.

Dies wollte Darvin nun ändern und hatte dafür einiges geplant – aber natürlich funktionierte es nicht. Die Bombe, die er einem Tribble eingepflanzt hatte, explodierte Meilen entfernt vor Kirk – der von diesem Anschlag auf sein Leben nichts bemerkt hatte.

Sisko hatte den beiden Ermittlern alles erzählt und sie hatten ihn mit einer Verwarnung davon kommen lassen.



So, wollte es auch Cal handhaben und schaute zu Agatha, die ihn nachdenklich anblickte.

„Könnte funktionieren.“, erklärte sie dann und griff dann, in einer von ihm absolut nicht vorhergesehenen Bewegung nach dem Saum seines weißen Hemdes, das vor Blut nur so tropfte. Sie hob das Hemd an und lächelte: „Schusssichere Weste, ja, Cal?“

Der Captain zwinkerte ihr zu: „Natürlich – ich bin doch nich komplett bekloppt. Traceless könnte ja immer noch irgendwo auftauchen. Ich meine, ich hab ihn zwar hinter Schloss und Schokorigel gebracht, aber – der Typ ist doch schlimmer als Houdini. Der is doch schneller weg, als man Quidditch sagen kann.“

Agatha nickte: „Stimmt – aber vielleicht sollten wir uns jetzt wirklich auf die Dragonfly begeben und die Erinnerungen unserer freundlichen NCIS-Agenten löschen?“

„Gute Idee, Schatz.“, sagte er und klopfte auf seinen Kommunikator: „Cat an Dragonfly? Zwei zum Beamen. Energie.“



Davon, dass bald ihre Erinnerungen gelöscht werden sollen, bemerkten die Agenten nichts. Zwar schauten sie etwas verwundert zu Ducky und Palmer, als diese wieder den Aufzug verlassen hatten, aber als Ducky erklärte, dass Agatha sich unbedingt von ihrem Freund verabschieden wollte, nickte Tony.

Zwischendurch warf er einen verblüfften Blick auf die Uhr, fragte sich, wie lange diese Frau wohl brauchte, um sich von ihrem Freund zu verabschieden, aber dann schoss ihm durch den Kopf, dass es – wenn Agatha auch nur halb so gerne redete, wie Abby, Tim oder Ducky, sich die Sache hinziehen konnte.

Zwischendurch fiel sein Blick auf das Hühnerei-große Geschenk, dass Agatha ihm dagelassen hatte und er fragte sich, was er damit wohl tun könne, aber, kurz bevor die Neugierde siegte, schaute er zu Ziva, die das Geschenk ebenfalls verblüfft anschaute: „Was ist das?“

„Keine Ahnung – Agatha hat es mir gegeben und ich glaube, es ist besser, wenn man Verrückte in ihrem Wahn bestätigt, als, wenn man sich mit ihr anlegt.“

„Verrückte, Tony?“

Der Italiener nickte: „Natürlich – mal im Ernst, hast Du tatsächlich daran geglaubt, dass hier jemand herumläuft, der sein Aussehen, ganz wie der T-1000 vollkommen frei verändern kann? Masken – das würde ich den beiden sogar noch abnehmen. Ich erinnere mich da an einen…“

Ziva lächelte: „Fantomas, Tony? Jean Marais, Louis De Funes, Mylène Demongeot 1967?“

“Ich bin verblüfft, Bambina.”, lächelte der junge Mann und Ziva grinste: „Ich habe diese Filme als Kind gerne gesehen. Du hieltest also jemanden für wahrscheinlicher, der …“

Sie stockte, als sie den genervten Blick von Gibbs bemerkte, den der Chefermittler ihnen beiden zuwarf, ehe er aufstand und kopfschüttelnd zu McGee blickte: „Was haben wir?“



McGee schaute ihn verblüfft an: „Boss?“

„Direkt vor unseren Augen wurde ein Mann erschossen! Ich will wissen, woher die Kugel geflogen kam, ich möchte wissen, welche Munition verwendet wurde, ich will wissen, wer der Täter war! Und wir haben immer noch diesen Mord an Captain Stone zu klären!“

Man konnte Gibbs anhören, das je mehr er sprach, er umso wütender wurde.

„Jethro, Ziva und Tony tun zwar so, als ob es sie nichts anginge, aber… glaub mir, sie wollen etwas tun.“

„Ach ja? Davon merke ich nichts.“, zischte Gibbs und schaute dann zu McGee, der gerade wieder dabei war, das zu tun, was er am Besten konnte – auf Tastaturen einhacken und dabei verdammte Wunder vollbringen.

Der junge Bundesbeamte warf dann einen Blick zu seinem Chef: „Erm… Boss… allem Anschein nach kam die Kugel aus dem Anacostia Park…“

Er wollte gerade weitersprechen, als Gibbs ihn giftig anblickte: „Allem Anschein nach, McGee?“

„Entschuldige, Boss – ich hole mir eine Bestätigung.“



Ein paar Minuten später hackte McGee immer noch auf seinen Computer ein, ließ Wahrscheinlichkeitsrechnungen gegeneinanderlaufen, überprüfte Vektorengleichungen und Matrizen und nach einigen weiteren Minuten war er sich sicher, dass die Kugel, die Cal getroffen hatte, nur aus dem Anacostiapark kommen konnte.

„Wenn man Winkel und Höhe des Anacostiaparks, die Fluggeschwindigkeit und Reichweite einer handelsüblichen Lapua berücksichtigt, die von einer ‚Kate’ abgefeuert wird, kann unser Täter nur im Anacostiapark gewesen sein.“, erklärte er dann und schaute zu Gibbs herüber: „Ich…“

Er machte eine kurze Pause, senkte den Kopf, um den Boss quasi von unten heraus anzusehen: „Ich habe mir erlaubt … der Täter verfährt so wie Ari damals und ich habe mir erlaubt diese Faktoren als Berechnungsgrundlage zu verwenden und…“

Erneut stockte der Beamte, als Gibbs ihn mit einem Blick ansah, den er nicht so ganz zuordnen konnte.

Dann hörte er das Geräusch.

Es war erst ein leises Sirren, sodass er befürchtete, dass gleich eine weitere Kugel das Büro treffen würde, dann wurde es lauter, schwoll zu einem tiefen Brummen an und wurde bald so laut, dass es ihm unmöglich wurde, zu denken.

Schon warf er einen Blick zu Gibbs, der sich die Hände auf die Ohren presste, und zu wanken schien. Tim selbst merkte, wie er müde wurde – unendlich müde. Er taumelte zu seinem Sitzplatz und Dunkelheit umfing ihn, noch ehe er sich auf seinen Stuhl gesetzt hatte.



Tony blickte, als das Spektakel losging, verwirrt zu der Quelle des Geräusches. Es war das Hühnerei, das Agatha ihm geschenkt hatte.

Als er sah, wie Gibbs schwankte und McGee kollabierte, wollte er sich erheben und das „Ei“ aus dem Fenster werfen, aber er konnte sich nicht mehr bewegen – es war, als wäre sein Körper lahmgelegt worden. Dann formte sich um das „Ei“ selbst eine Art weiß-transparenter Kugel, die sich von jetzt auf gleich explosionsartig ausdehnte. Tony spürte, wie er getroffen wurde, verwundert sackte er in seinen Stuhl und merkte, wie ihm die Augen zufielen.



Der Krach hatte Leroy Jethro Gibbs nicht sonderlich gestört – eigentlich noch nie. Er war im Krieg gewesen, da hatte er auch in der größten Lärmbelästigung gekämpft – da waren Jets im Tiefflug über ihn gesaust, jeder andere hielt sich die Ohren zu, aber er stand aufrecht und kämpfte weiter.

Doch hier war es anders – dieser Krach, er machte ihn schwindeln.

Und irgendwann war es nicht mehr auszuhalten, er konnte nicht anders. Sich die Hände auf die Ohren pressend, versuchte er, gegen die plötzlich schwankende Welt anzugehen und sah, wie etwas Weißes auf ihn zuraste und…



Ziva hatte sich von allen am Längsten auf den Beinen gehalten. Sogar länger als Gibbs, was sie ein wenig mit Stolz erfüllte. Der Krach, dann das Licht – sie merkte, wie sie getroffen wurde und ihr Körper gegen ihren Willen auf den Stuhl fiel, aber die Augen, die sich immer wieder schlossen… sie schaffte es, dagegen anzukämpfen und sah verwundert, wie um sie herum etwas geschah.

Zuerst öffnete sich die Aufzugstür, dann schoben Ducky und Palmer die Bahre, mit dem Toten darauf wieder an den Platz, von dem sie ihn geholt hatten und legten ihn dort hin, sie merkte, wie sie gegen ihren Willen aufstand, rückwärts in den Aufzug ging und während sie das tat, realisierte sie , was passierte. Noch hatte sie keine Beweise dafür, aber, als sie wiederkam, den Kaffee zurück zur Theke gebracht hatte, von dem sie ihn geholt hatte, und dann, wenig später noch der falsche GIbbs aus dem Gebüsch, das unter dem Fenster lag, wieder in den Raum fiel, merkte sie, dass der komplette Tag – in Ermangelung eines besseren Wortes – zurückgespult wurde. Dann konnte sie sich nicht mehr gegen die unbeschreibliche Müdigkeit, die ihr Bewusstsein in den Schlaf zwingen wollte, wehren.

Die nussbraunen Augen Ziva Davids rollten in ihren Augenhöhlen nach oben und ihr Körper erschlaffte.
 
Kapitel 7



Die Augen des Mannes weiten sich im Schock.


Die Finger der hübschen Frau huschten über die Tastatur und sie stieß dabei wilde, arabisch klingende Flüche aus.
„Funktioniert der Computer nicht, Ziva?“, fragte Tony DiNozzo grinsend und betonte das A ziemlich lange – so wie er es immer tat.
Augenblicklich fand er sich ein einer Art Scheinwerferlicht gefangen, denn ihre hübschen braunen Augen schauten ihn an und er war wie gelähmt.
„Ich verstehe den Computer nicht.“, klagte sie mit ihrer angenehmen Stimme, „Er meint, mein Passport sei fehlerhaft.“

`Moment mal`, dachte sie sich und schaute dann zu DiNozzo. Hier stimmte was nicht – sie hatte das Gefühl, als …
„Passwort, Ziva“, riss sie die Stimme ihres Ermittlerpartners aus den Gedanken, „Dein Passwort ist fehlerhaft. Lass mich mal sehen.“
Er klickte auf „Neuen Login“ und versuchte sich selbst an der Arbeitsstation einzuloggen.
„Dinozzo“ gab er als Benutzernahmen ein und wandte sich dann an Ziva: „Wenn Du kurz wegschauen könntest.“

Verblüfft beobachtete sie ihn, machte dann „hmpf“ und kam dieser Aufforderung nach.



Es war merkwürdig, dass sie das Gefühl hatte, als habe sie gerade eben noch etwas Anderes gemacht – etwas… sie konnte sich nicht ganz darauf konzentrieren, was genau es gewesen war… es war wie etwas, das im hintersten Winkel ihrer Selbst wahrgenommen wurde, sie aber nicht in der Lage war, sich daran zu erinnern, was genau dieses „Etwas“ war. Kurz erinnerte sie sich daran, dass McGee einmal von einer Science-Fiction-Serie namens „Doctor Who“ gesprochen hatte und dass dort Aliens – die sogenannte „Silence“ – ihr Unwesen trieben. Man sah sie und konnte sie solange wahrnehmen, bis man den Blick abwandte, dann hatte man sie vergessen. So ähnlich, als habe sie gerade eben eine „Silence“ gesehen, fühlte sie sich.

Irgendwie machte ihr dieser Gedanke frösteln.


‚Komisch`, schoss es Tony durch den Kopf, `Ich habe das Gefühl, das hätte ich schon mal erlebt. `

Er drückte die Entertaste und sofort blinkte auf dem Bildschirm eine Nachricht.
„Passwort fehlerhaft.“
Stirnrunzelnd versuchte Tony es erneut, doch an der Bildschirmaussage änderte sich nichts.
„Tony, das würde ich nicht tun.“
Mit diesen Worten betrat Timothy McGee den Bullpen – also ihre Arbeitsstätte – und schaute zu Tony: „Offenbar haben wir einen Hackerangriff hinter uns – sämtliche Daten sind verschlüsselt worden, als wir es bemerkt haben. Jedes Passwort, jedes Kilobyte an Daten kann gerade von irgendwoher abfangen werden.“
„Ein Hackerangriff, McGoogle?“, echote Tony und schaute den Agenten an, „Warum hat uns unsere Firewall nicht davor geschützt?“
„Nun, offenbar hat der Angreifer eine fortschrittliche, sich mehrfach-kodierende Software verwendet, die es einfach macht, in jedes System einzudringen.“, gab der jüngere der beiden Agenten zurück und begann, auf die Tastatur seines Computers einzuhacken.
Das verwirrte Tony.
„Was tust du da, Bambino?“, fragte er, „Ich meine, wenn all unsere Informationen gerade abgezogen werden, ist es unsinnig, dem Hacker weitere Informationen zu geben.“
Er stockte und schaute zu Ziva, dann zu McGee: „Habt ihr…“

Und gerade als Tony die Frage stellen wollte, betrat Leroy Jethro Gibbs den Raum.
„Tony, Ziva, packt eure Sachen. Ein toter Marine im Anacostia-Park, Sektion C.“, sagte er mit der typischen Routine des erfahrenen Chefermittlers, „Ducky und Palmer sind schon vor Ort. Elfenkönig, du kümmerst dich um den Hackerangriff.“
„Verstanden, Boss.“, erwiderte McGee und tippte erneut auf die Tastatur ein, ein Musterbeispiel an Konzentration.

Mit dem Auto bräuchte man normalerweise 4 Minuten um zum Tatort zu gelangen – wohlgemerkt normalerweise, will heißen: Wenn Ziva David nicht fahren würde. Da sie jedoch diejenige war, die am Steuer saß, brauchte man für diese Strecke rund 2 Minuten 15. Zeitersparnisse ließen grüßen. Der Tote hätte es ihnen gedankt, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre.

Als sie am Tatort ankamen, war dieser schon großzügig mit jenem gelben Flatterband abgesperrt, dass den Tatort als eben solchen auswies. Gerade, als sie ankamen, lies der Leichenbeschauer, Donald Mallard, der von seinen Freunden nur Ducky genannt wurde, sein Adlerblick über das Schwert streifen.
„Eine sehr interessante Waffe!“, sagte er, mit Blick zu seinem Assistenten, dem Coroner James ‚Jimmy’ Palmer, der zu Füßen des älteren Ducky gerade die ersten Vermessungen vornahm. Typisches Standardprozedere eben.
„Was hast Du für mich, Duck?“
Diese Frage wurde von Gibbs gestellt, der mit langen, gemessenen Schritten über den grünen Rasen auf Ducky und Jimmy zukam, Ziva und Tony im Schlepp, an die er sich nun mit den Worten „DiNozzo, Tatortzeichnungen, David Tatortfotografie!“ wandte.
Sofort machten sich die beiden Agenten an ihre Arbeit.
Gibbs und Ducky kannten sich seit mindestens 10 Jahren und seit genau dieser Zeit war es eine unumstößliche Konstante, mit der der Leichenbeschauer seinen Monolog eröffnete.
Stets verwandte er die Floskel „Nun Jethro“ und er tat es, sehr zu Gibbs innerer Beruhigung, auch dieses mal.
„Nun Jethro“, setzte er also an, „dieser arme Mann wurde von hinten mit einem typischen Langschwert erstochen. Dieses wunderschöne Schmuckstück mißt in der Länge einen Meter vierzig und kann“, er richtete sich auf, „sowohl von nur einer Hand, wie auch als Beidhänder geführt werden – deswegen nennt man es auch Bastardhänder. Weißt du, Jethro, das erinnert mich an die Zeit als junger Student, als ich diesen Fechtkurs bei…“

„Ducky?“, machte Gibbs, ebenfalls nach alter Tradition, um den Älteren in seinem Redefluss zu mindern.
„Unser Opfer wurde von hinten erstochen. Es kann sein, dass er seinen Mörder nie gesehen hatte.“, sagte Ducky und Gibbs schaute ihn an: „Haben wir einen Namen?“

„Haben wir.“, meldete Palmer und hielt den neuen, tragbaren „AFIS“-Scanner hoch, „Unser Toter heißt Captain Thaddeus Stone.“

„Gibt es irgendwelche Zeugen?“, fragte Gibbs und schaute zu Ducky herüber, der auf eine junge Frau deutete: „Ihr Name ist Laura McConnaugh. Sie ist Petty Officer.“



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Enable status request: true

Load data transmission alpha delta bravo nine sierra golf Charlie


Mit solchen und ähnlichen Anweisungen, die einem Computerlaien ungefähr so sinnvoll wie “Tschitty-tschitty-bäng-bäng” erscheinen mögen, hackte Timothy “Tim” McGee auf seinen Computer ein.

Er versuchte seit geschlagenen drei Stunden diesem merkwürdigen Hackerangriff Herr zu werden, der da auf den Hauptrechner des NCIS geführt wurde und er merkte, wie wenig er diesem Angriff doch entgegen zu setzen hatte. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass diese Technik, die dort zum Einsatz kam, fortschrittlicher war, als es der momentane Wissensstand die Informatik betreffend in allen Ländern dieser Erde vereint sein konnte. Jedes mal, wenn er dachte, eine Firewall geknackt zu haben, tat sich eine neue auf und jedes mal, wenn er eine Firewall um den Computer aufbaute, wurde sie binnen Nanosekunden selbst geknackt.

Das war irgendwie komplett unverständlich für den damaligen Leiter der Cybercrime-Abteilung.

Hier stimmte doch definitiv etwas nicht.



Verblüfft versuchte er, diesen Datensätzen entgegenzuwirken, die sich mit dem Computer nicht vertrugen, aber es funktionierte nicht und dann… hatte er das Gefühl, als würde er etwas verpassen.

Er blinzelte mit den Augen, hob den Kopf und erwartete, eine wunderschöne, rothaarige Frau zu sehen, doch – abgesehen von Antonia, der Frau, die die Büropost verteilte, war niemand, auf den auch nur annähernd die Beschreibung „Frau“ passen würde, anwesend.

Schnell griff er zu seinem Handy, wählte die Nummer von Tony und wartete darauf, dass der Italiener abnahm.



Zivas Fahrstil war… wenn man Lust hatte, ein euphemistisches Wort für den Stil zu finden, war ‚rasant’ das Wort der Wahl. Weniger euphemistisch ausgedrückt: „Sie fuhr wie der Henker“. Normalerweise hätte er sich darüber aufgeregt, hätte ihr einen Vortrag darüber gehalten, dass er liebend gerne „lebendig“ am Tatort ankommen würde, wie gefährlich ihr Fahrstil sei – doch heute hatte er andere Gedanken im Kopf.

Hier stimmte was nicht. Schon, als sie den Weg zum Anacostia-Park gegangen waren, hatte er das Gefühl, zu wissen , was sie finden würden und – tatsächlich – lag da eine Leiche, die von einem Schwert aufgespießt worden war. „Das ist …“, brachte Tony hervor, als Ziva ihn verblüfft anschaute: „Was?“

Der Italiener betrachtete die hübsche Frau an seiner Seite: „Hast… hast Du schon einmal das Gefühl gehabt, etwas genau so schon mal erlebt zu haben?“

„Du meinst ein Déjà-vu?“, beantwortete sie seine Frage mit einer Gegenfrage und als er nickte, sagte sie mit der knappsten aller Möglichkeiten, eine Information kurz, prägnant und Präzise zu bestätigen: „Ja.“

Verblüfft blickte er zu ihr und hob beide Augenbrauen: „Was… wirklich?“

„Ja, jedes Mal, wenn ich ins Büro komme, und sehe, wie Du wieder in deinen Magazinen blätterst, oder Tetris an deinem Handy spielst.“

Tony rollte mit den Augen: „Ich meine… Ziva – versprichst Du mir, dich nicht darüber lustig zu machen, oder einen blöden Witz zu reißen?“

Sie lächelte, schaute ihn an, mit ihren braunen Augen, die ihn in ihren Bann schlugen. Nachdenklich legte sie den Kopf schief, nickte dann.

„Ich … ich glaube, wir haben diese Leiche schon mal gefunden.“

Sie schaute ihn an: „Diese Leiche? Bezweifel ich.“

„Nein, wirklich – ich… der Hackerangriff, den McGoogle richten soll, die… die Frau, die gleich von zwei merkwürdigen Personen mit einem Taschenrechner berichten wird… das alles haben wir schon erlebt.“

„Wenn heute der zweite Februar wäre, würde ich dir recht geben, Phil, aber… nein, wir haben den 27. September.“, lächelte Ziva, was Tony dazu brachte, genervt mit den Augen zu rollen: „Du hast versprochen, dass Du keine blöden Witze machst.“

Sie grinste, streckte ihren Zeigefinger aus und stubste ihn kurz auf die Nase: „Was… die Filmreferenz hat dir nicht gefallen, mein kleiner Pelzarsch? Ich dachte, du wolltest darauf hinaus, dass ewig das Stinktier grüßt.“

„Murmeltier, Ziva. ‚…und ewig grüßt das Murmeltier’.“

„Was kann denn aber ich dafür?“, unterbrach Gibbs die Unterhaltung der Beiden und schaute genervt von einem zum Anderen, „Wenn ich gewollt hätte, dass meine beiden Ermittler blöde Witze reißen, hätte ich McGee zum Ausflug mitgenommen.“

Gerade, als Tony antworten wollte, erklang aus Tonys Handy der Refrain von „Heat of the Moment“.

„Moment“, sagte er, „Ich werde angerufen.“

„Das hör ich – geh ran.“, meinte Gibbs.



Der Anruf von McGeek wäre ein wenig merkwürdig gewesen, wenn Tony ihn nicht schon nach den ersten paar Sätzen mit einem „Ach, Du auch?“ abgewürgt und sich dann an Gibbs gewandt hätte.

„Ich weiß nicht wieso – aber wir stecken in einer Zeitschleife.“, meinte er mit der Sicherheit des großen Experten.

„Bitte?“, fragte Gibbs und schaute zu seinem Stellvertreter, „Drehst Du jetzt völlig durch, DiNozzo? Wir haben hier eine Leiche und müssen versuchen, den Mörder zu finden. Also – ich weiß nicht, welchen Film Du jetzt wieder nachspielen willst, aber… mach es in deiner Freizeit.“

Damit gab er ihm noch schnell einen Klapps auf den Hinterkopf und wandte sich dann um.



„Er will mir nicht zuhören.“, stellte Tony fest und schaute zu Ziva, die ihn ungläubig anblickte: „Hat McGee etwa auch…“

Nun schaute er sie an, ihre Blicke trafen sich und er grinste: „Du hast auch das Gefühl, das alles schon erlebt zu haben, oder?“

Sie nickte: „Seit ich heute an der Tastatur gesessen habe… ich weiß auch nicht – Anfangs hielt ich es für Stress… im Beruf, mit Dir, was weiß ich… aber je Näher der Moment kam, an dem wir Captain Stone fanden…“



„Ja, ich weiß, was Du meinst.“, schnitt DiNozzo sie ab und schaute ihr in die hübschen braunen Augen, „ich dachte auch Anfangs, dass ich mich einfach nur irren würde, aber je näher wir dem Anacostia-Park kamen, desto mehr hatte ich das Gefühl, das alles schon einmal erlebt zu haben.

Ziva erwiderte seinen Blick, suchte in seinen Augen nach Wahrheit und nickte dann: „Ja – als wäre die ‚Silence’ in der Nähe.“

„Die wer?“, fragte der Italiener und Ziva rollte mit den Augen, „Du solltest McGee wirklich mal zuhören – das wäre mal freundlich.“

„Bambina, ich höre Bambino zu – nur die meisten Sachen, die er von sich gibt, machen wenig Sinn.“, lächelte er sein berühmtes Tony-Lächeln. Ziva schüttelte den Kopf: „McGee war doch so euphorisch, weil zu Ostern doch Doctor Who wieder angefangen hatte.“

„Doktor Wer?“

Die hübsche Ex-Mossad-Agentin schaute ihn abschätzig an: „Dir das zu erklären, würde noch ein paar Jahre dauern und die hab ich nicht.“

Nun war es am Italiener gespielt genervt die Augen zu verdrehen, ehe Ziva fortfuhr: „Erinnerst Du dich an den Stromausfall im letzten Jahr?“



„Du meinst den, bei dem es McGoogle geschfft hat, Gibbs zu verärgern, in dem er die Leute, die eine Matrizze bedienen konnten, Brontosaurier nannte?“

„Ja, genau den“, grinste Ziva – einerseits über die Unfähigkeit der modernen Generation, zu der sie auch gehörte, ohne die High-Tech klar zu kommen, andererseits darüber, das es eigentlich mal ganz schön war, „unplugged“ zu arbeiten. Ihr fiel in diesem Zusammenhang ein, wie sie vor knapp 9 Monaten mal wieder im Ruhrgebiet unterwegs gewesen war und den großartigen Volker Pispers auf der Bühne erlebt hatte. Ihre Deutschkenntnisse waren zwar rudimentär genug, sich immer noch mit den Idiomen zu vertun, aber so erging es ihr ja auch mit der englischen Sprache. Aber einen Besuch in einem Kabarett - gleich welcher Sprache – konnte man nur empfehlen. Sie war auch in amerikanischen Stand-up-Clubs, auch wenn das nicht das selbe war. Volker Pispers hatte jedenfalls einmal gesagt: „Wollen Sie sich so richtig alt fühlen? Packen Sie sich einen 20-jährigen und erzählen Sie ihm aus dem Jahr seiner Geburt.“



Offenbar hatte sie so grinsen müssen, dass Tony sich räusperte und fragte: „Was ist so amüsant?“Sie schüttelte den Kopf, fand in die Realität zurück und schaute zu Tony herüber: „Also – letztes Jahr war dieser große Stromausfall und wir waren doch den Spuren zu einem Container gefolgt. Dort hatte doch McGee erzählt, dass ihn dieser Container an die Tardis aus Dr. Who erinnerte – du hattest nur wieder einen Film, den du zitieren wolltest.“

„Hey, nichts gegen ‚Lords of War’ – Nick Cage ist klasse in dem Film.“

„Ja, aber darum geht es nicht – McGee ist auf jeden Fall Fan der Serie um diesen Timelord und hat mir ein bischen davon erzählt.“

„Und? Was hat das mit dem Fall zu tun?“, fragte DiNozzo ein wenig verwundert und Ziva grinste: „Nun, wie schon gesagt, zu Ostern ging die neue Staffel los und man zeigte auch gleich den ersten Gegner. Die „Silence“. Du hast doch sicherlich schon mal was von den „Grey“ gehört, oder?“

„Grey?“, fragte Tony und zuckte zusammen, als aus dem Nichts die bekannte Gestalt Gibbs neben ihm auftauchte, „Ich lass euch auch gleich von Ausserirdischen entführen.“, sagte er und schaute die beiden Agenten mit einem durchdringenden Blick an, „Habt Ihr schon Tatortfotos gemacht?“

„Wir sind dabei, Boss.“, berichtete der Italiener und innerhalb von Sekunden war das Gespräch wieder auf „Professionellem“ Level. Man warf sich munter zahlen zu – geschätzte Entfernungen – Ziva fotografierte den Bastardhänder ausgiebig und hatte das Gefühl, zu wissen , wie der Mann gestorben war. Aber man hatte ja schon festgestellt, dass sie alle ein Déjà-vu hatten.



„Ziva, was meinst Du mit „Grey“?“, fragte Tony, als die junge Frau den Wagen, in dem er ebenfalls saß, durch den Stadtverkehr lenkte, hupte und fluchte, weil „heute wieder jeder so fährt, wie er will“, wie sie sich auszudrücken beliebte. Dann folgte ein Schwall hebräischer Schimpfworte und anschließend widmete sie ihre Aufmerksamkeit ganz dem Italiener.

„Komm schon, Du lebst in Amerika und hast noch nie von den Grauen gehört? Dabei liest du doch diese Revolverblätter, in denen steht, dass der Mann im Mond in Wirklichkeit Elvis ist.“

„Und?“

Ziva seufzte: „Du liest offenbar nie weiter als bis zum nackten Mädchen auf Seite 2.“

„Seite Drei, Ziva.“, korrigierte Tony und grinste, als sie einen sehr wenig schmeichelhaften hebräischen Fluch ausstieß, „Hey, den kenn sogar ich.“

Die hübsche Frau rollte mit den Augen und schaute dann wieder auf die Straße, ehe sie fortfuhr: „Ich rede von Aliens.Diesen Wesen,die ungefähr kindsgroß sind, schwarze mandelförmige Augen ohne erkennbare Pupillen haben und eine graue Hautfarbe. Deswegen heißen sie „Greys“.“



Jetzt schaute Tony die junge Frau verblüfft an. Er hatte sie als rationale Frau kennengelernt und nun glaubte sie an Ausserirdische?
„A… Aliens.“, echote Tony und räusperte sich, „Und… was haben Ausserirdische mit unserem Fall zu tun?“

„Naja, dieses Gefühl, etwas schon einmal erlebt zu haben – wie schon gesagt, bei Dr. Who gibt es die Silence, die eben aussehen wie die Grey. Sie manipulieren deine Gedanken, Tony und du vergisst, nachdem Du sie gesehen hast, dass Du sie gesehen hast.“

Er merkte, wie sein Mund trocken wurde und er wusste nicht, was ihm mehr Angst machte – der Gedanke, dass sowas wirklich existieren könnte, oder der Fakt, dass die Frau, die er als so rational kennengelernt hatte, glaubte , das sowas existieren könnte.



Sie erreichten das Hauptquartier und waren keine Sekunde zu früh da, um mitzuerleben wie Abby die Leiche Captain Stones in Empfang nahm.

„Was muss es nur für kranke Menschen geben?“, fragte sie und schaute in die Runde, „Jemanden zu erschießen ist schon fies, jemanden zu vergiften ist einfach nur unmenschlich, aber jemanden mit einem großen, stabilen Schwert von hinten durch den Oberkörper zu stechen … das ist ein ganz neues Level der Unmenschlichkeit.“

In Tonys Augen glitzerte der Schalk.

„Wo wir gerade von Unmenschlichkeit sprechen…“, setzte er an und verstummte kurz, als er Zivas wütenden Seitenblick bemerkte, „hattest Du auch das Gefühl, dass in deiner Wohnung Greys herumlaufen?“

„Ich hab nicht gesagt, dass in meiner Wohnung Greys herumlaufen würden, ich habe nur gesagt, dass ich das Gefühl hatte, dass ich… das…“, Ziva stockte und holte tief Luft, „Ich hatte nur das Gefühl, als hätte ich etwas vergessen. Und das erinnerte mich an die Silence… ich wollte dir nur sagen, wie die Silence aussehen.“

„Ja und du verwendest dafür die Greys ?“, fragte Tony und grinste, doch sein Grinsen verflüchtigte sich, als er Abbys ernsten Blick bemerkte: „Tony… mit so was macht man keine Witze. Wir wissen nichts über die Möglichkeiten extraterristrischen Lebens da draußen… wir wissen nicht, ob sie nicht schon unter uns weilen und aussehen wie Menschen… vielleicht bin ich ja auch nicht mehr Abby, sondern habe sie heut Nacht gefressen und trage ihre Haut als Kleidung?“

Der Italiener schaute sie einen Moment lang skeptisch an und grinste: „Klar, und ich bin George Washington.“

„Tony, die Sache ist weitaus ernster, als Du es dir machst. Kornkreise, Entführungen, all das hat stattgefunden.“

„Haben sich für die Kornkreise nicht schon inzwischen ein paar Leute bekannt?“, fragte Tony, und spürte, wie seine Atemgeschwindigkeit zunahm. So wie sie ihn gerade angesehen hatte… als meinte sie es wirklich ernst. Irgendwie fand er den Gedanken gruselig.

„Aber nur für die richtig miesen.“, holte Abby ihn in die Realität zurück, schaute ihn durchdringend an, „Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.“

„O…kay Agent Scully. Dann will ich doch mal nach Oben fahren. Kommst Du mit, Ziva?“, fragte er und stellte fest, dass es ihn tatsächlich erfreuen würde, wenn die Israelin ihm Gesellschaft im Aufzug leisten würde, doch diese schüttelte nur den Kopf: „Nein, ich … muss mit Abby über etwas reden.“

„okay.“, sagte er und ging zum Lift, um in den Besprechungsraum zu fahren.

Als die Tür sich hinter ihm schloss, schaute er sich im Lift um und schüttelte den Kopf: „Es gibt keine Ausserirdischen.“



„Es gibt keine Ausserirdischen.“

Das war in Franz Meyers Glaubensgebäude etwas, das man einfach nicht in Frage stellte. Es gab sie genau so wenig, wie es Kobolde und Feen gab – das heißt, diese Wesen existierten schon, in Film, Funk und im Halloween. Er liebte eine gute Sci-Fi-Show wie jeder andere auch, aber als sein Chef ihm diesen Auftrag gegeben hatte und meinte, die Sache sei ein wenig merkwürdig und Leute haben sich schon über merkwürdige Lichter über dem Firmengelände gewundert, da war Meyers sofort klar, dass seine Frau, die diese Sci-Fi-Serien verschlang, sofort Übernatürliches hineininterpretieren würde.

Diese merkwürdigen Lichter konnten ja nun wirklich allen möglichen Ursprung haben. Sumpfgase, elektronische Funken aus schlecht-gewarteten Kabelanlagen, Reflektionen von Sternen, Flugzeuge, … es kam eine ganze Menge an Gründen zusammen, weswegen man über dem Gebäude merkwürdige Lichter sah und für einen Realisten wie Meyers waren Ausserirdische so glaubwürdig, wie eine zeitpunktgenaue Bedienung des Kredites der Firma, die er nun pfänden sollte. Dieser Zeitpunkt, zu dem der Kredit hätte bedient werden müssen – man sagte nicht mehr „zurückgezahlt“, man sagte seit der großen Banken- und Wirtschaftskrise, das Kredite „bedient“ werden – dieser Zeitpunkt lag schon so weit zurück, dass man, allein um die Zinsen zurückzuzahlen einen neuen Kredit hätte aufnehmen müssen. Und da man für die Firma „Mad Cow Middleton Inc“ kein Rettungspaket schnüren wollte und konnte, war es klar, dass man nun ihn dorthin entsandte um eine letzte Inventur zu machen und noch einmal die Vermögenswerte festzustellen.

Anlage- und Umlaufvermögen, letzteres wurde von fest nach flüssig in der Bilanz notiert und war auch schon im großen Stil liquidiert worden – jetzt ging es daran, die letzten beiden großen Posten zu schätzen. Die Gebäude und natürlich das Grundstück.



Als Meyers seinen Jeep Cherokee auf das Gelände von „Mad Cow“ fuhr, war ihm sofort klar: „Hier wartet Arbeit auf dich.“ „Mad Cow“ bestand aus mehreren großen Lagerhallen, einem großen Hauptgebäude und mehreren – inzwischen leeren – Garagen. Dort hatten früher mal die Firmenautos gestanden. Die waren aber inzwischen komplett – bis auf einen symbolischen Dollar – abgeschrieben worden, hatten also an Wert verloren, auch wenn sie eigentlich noch anstandslos fuhren, aber rein rechnerisch waren die Autos quasi Schrott, konnten also nicht mehr wirklich viel dazu beitragen, die Liquidität von „Mad Cow Middleton Inc.“ wiederherzustellen.

Und wenn man sich das ansah, was randalierende Menschen aus dem einstmals strahlenden Gebäude gemacht hatten, wurde Meyers eigentlich klar, dass man hier einfach nur noch den Anruf zur Vertragsfirma tätigen konnte. Bulldozer-Pete würde sich der Sache schnell und unbürokratisch annehmen und das Gebäude mit seiner fünfzehnköpfigen Mannschaft schneller plätten, als man „Industriekostenrahmen“ sagen konnte.



Kopfschüttelnd warf er einen Blick auf das Gebäude, als ihm etwas auffiel.

Im oberen Stockwerk hatte sich gerade etwas bewegt.

Dämliche spielende Kinder.



Da stellte man schon extra ein Schild auf, dass man hier aus Sicherheitsgründen nicht hindurfte – mit dem schönen Hinweise versehen, das Eltern für ihre Kinder haften – und was ist? Es interessierte die Brut nicht.

Das waren die Momente, in denen Meyers froh war, dass seine Frau sich offenbar wohl nur für den augenzwinkernden Charme des Jack Harkness interessierte, denn für den Körper ihres Mannes. Auch wenn er selber lieber mit seiner Frau ein paar romantische Stunden verbringen wollte, war sie eher daran interessiert, ob Torchwood nun die Daleks schnappte, oder nicht.

Wenn er so über sie nachdachte, fiel ihm dieses Lied ein, dessen Takte er summte, als er sich auf den Weg in das Gebäude machte.

Es gab diesen Chanson, dieses Lied, das er mal gehört hatte, als sein Vater vor knapp zwei Jahren in Deutschland im Krankenhaus lag und sich, als er ihn besucht hatte, im TV die Gala „100 Jahre Heinz Ehrhardt“ angeschaut hatte. Dort hatten einige Schauspieler, die Franz auch aus alten Filmen kannte, ein Lied gesungen.

Bill Ramsay hatte neben Edith Hancke im Bett gelegen und darüber gesungen, dass seine Frau gerne Krimis schaute. Während sie die erste Strophe eingeleitet hatten, war plötzlich im Fenster neben Bill Ramsey der Schauspieler Jaecki Schwarz aufgetaucht, hatte eine kleine Textzeile gehabt und dann war neben Edith Hancke der Schauspieler Jan Fedder – den Meyers aus der Serie „Großstadtrevier“ kannte – aufgetaucht und hatte sich auch gesangstechnisch eingebracht. Es war ein sehr lustiges, sehr beschwingtes Lied gewesen und Franz hatte nun die Melodie von „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ im Kopf. Mit schnellen, beschwingten Schritten hastete er die Treppen hoch, stoppte kurz, drehte sich einmal um die eigene Achse und eilte noch ein paar Stufen hoch, als er stoppte.
 
„Meine Güte“, dachte er sich, „Ich hab als Kind oft genug scheiße gebaut, wie man bei uns sagte, ich hab dafür gerade gestanden und jetzt soll ich diesen Kiddies hier das Spielen verbieten? Ach quatsch.“
Er drehte sich um, als er hinter sich ein Geräusch hörte und sich entsetzt an die Wand presste, als vom obersten Stockwerk etwas direkt am Geländer vorbeigesaust kam und unten auf den Boden krachte.





Verblüfft trat er einen Schritt nach vorne und warf einen Blick über die Brüstung.

Was er da sah, ließ ihn entsetzt die Augen aufreißen.

Im Erdgeschoss lag, ‚splayed out’ wie man hier sagte, also ausgebreitet, aufgefächert oder eben alle Viere von sich gestreckt, mit einem Gesichtsausdruck der seinem glich, ein Mann. Unter ihm bildete sich eine große Pfütze roten Blutes.





Hatten diese Kinder, die sich da oben rumtrieben, etwa gerade einen kaltblütigen Mord begangen?

So langsam, aber sicher überkamen ihn arge Zweifel, ob es sich bei den Personen, die sich da oben rumtrieben, wirklich um Kinder handelte, oder ob diese inzwischen so verroht waren, dass es ihnen egal war, was mit den Menschen, die ihnen begegneten passierte?

Irgendwie erachtete er beides als Möglich. Er beschloss also, seinen Optimismus ein wenig zu dämpfen und auch seine Annäherung nicht mehr so deutlich zu zeigen. Stattdessen schlich er nun.

Sollte er jemanden um Hilfe rufen?
Kurz überlegte er, dann schüttelte der den Kopf. Quatsch. Mit ein paar juvenilen Halbstarken würde er schon noch fertig werden. Selbst wenn sie es schafften, einen Typen über die Brüstung in den Tod zu werfen, wie groß war die Chance, dass sie es bei ihm schafften?

Er wandte sich um und machte weiter. Dann sah er diesen großen Computer, der da mitten auf der Treppe stand und schüttelte den Kopf.

„Das ist doch nicht zu fassen.“, murmelte er, „Und ich dachte, die hätten alle Vermögenswerte vertickt. Offenbar nicht. Na wartet, das gibt eine schöne Strafe.“

Als er näher kam, fielen ihm die merkwürdigen Insignien auf dem Terminal auf.

„Vermutlich japanisch.“, dachte er und beschloss, sich das Ding genauer anzusehen.

Merkwürdiger weise hatte er das Gefühl, als hätten die Wände auf einmal Augen.





„Ach Tony?“, riss McGee ihn aus seinen Gedanken und er schaute verblüfft zu seinem Kollegen herüber: „Ja, McGenius, du wolltest mir doch noch erzählen, ob Du auch das Gefühl hast, in einer Zeitschleife zu stecken.“

„Ja, das auch, aber… ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob Du mir einen Gefallen tun könntest.“

Tonys Augen verengten sich zu schlitzen: „Wie kann ich Dir helfen?“

Seit wann fragte McGee ihn um Hilfe? Hier stimmte doch wieder was nicht.

„Tony… mit so was macht man keine Witze. Wir wissen nichts über die Möglichkeiten extraterristrischen Lebens da draußen… wir wissen nicht, ob sie nicht schon unter uns weilen und aussehen wie Menschen… vielleicht bin ich ja auch nicht mehr Abby, sondern habe sie heut Nacht gefressen und trage ihre Haut als Kleidung?“ , schoss ihm Abbys Stimme durch den Kopf und er schüttelte selbigen. Es gab keine Ausserirdischen.

Aber, nur mal zur Sicherheit schaute er McVerdächtig mal genauer an. War er schon immer so dünn, beinahe spindeldürr, gewesen?

„Was ist, kannst Du mir helfen?“, fragte McGee in einem Tonfall, der Tony auch nicht so wirklich gefiel. Er erinnerte ihn ein wenig an eine Schlange, die den Hasen fragte, ob er ihr mal kurz in die Augen sehen könne, sie habe das Gefühl, ihre Kontaktlinsen seien verrutscht.

Und er hatte oft genug „Der Hofnarr“ gesehen, um zu wissen, dass man Leuten, die hypnotisieren konnten, nicht mal in Ausnahmefällen in die Augen schaute, es sei denn, man wollte den Rest des Filmes an- und ausgeschnippt werden.



Nein, er war sicher, er war unter Freunden, es gab keine Ausserirdischen.

„Natürlich, McGee – wie kann ich dir helfen?“

War das jetzt eine Spur zu freundlich? Tim schaute ihn aufmerksam an und legte dann den Stift, den er gerade noch in der Hand gehalten hatte, ab. War es ein Stift, oder so ein Gedankenverwurschtelblitzdingsi, wie es die Men in Black im Film hatten?

‚Tony, jetzt reiß dich zusammen!’, schoss es ihm durch den Kopf, allerdings – wie hätte er es sonst erwartet – nicht in seiner eigenen Gedankenstimme, sondern in der Stimme seines Vaters. Innerlich seufzend blickte er Mc-potentieller-Alien-Wirt an.

„Ich bräuchte aus der Asservatenkammer die Akte Drei vier Drei.“, sagte McGee und zuckte mit den Schultern: „Ich kann sie auch selber holen, aber – ich dachte, vielleicht… ich würd dir auch einen Kaffee ausgeben.“

So, jetzt war es sicher, das was nicht stimmte. McGeizig gab ihm einen Kaffee aus?

Aber – er würde mitspielen. Wenn es eine Alien-Invasion im NCIS gab, würde er es herausfinden und zu Gibbs gehen und… was wenn Gibbs der Anführer war?

Dann würde er zu Vance gehen und… was wenn Vance der Anführer und Gibbs sein Lieutenant war? Vielleicht sollte er doch noch mal mit Ziva sprechen und… was wenn Ziva nun auch eine Ausserirdische war?

Da brauchte er nicht groß nachzudenken. In dem Fall würde er sich von ihr Fressen lassen. Was sollte das denn?

Wenn er so an die Abenteuer der letzten Jahre dachte, die er mit ihr erlebt hatte, fand er, dass er keine bessere Partnerin finden konnte, als diese Frau. Und wenn sie nun tatsächlich nur noch eine Hülle war – was eigentlich Blödsinn war, es gab keine Ausserirdischen – dann würde er sich nur allzu bereitwillig von ihr in genau so etwas verwandeln, denn… wenn er die Wahl hätte, ohne sie zu leben oder mit ihr tot zu sein… so verdreht es auch schien, er wählte das Letztere. Ohne sie, ohne ihren extrem trockenen Sinn für Humor , konnte er sich das Leben nicht mehr vorstellen.

Und mit dem Mut der Verzweifelten stand er auf und ging zum Aufzug.

Kurz, bevor sich die Aufzugtür schloss, hörte er McJudas Stimme: „Er ist auf dem Weg.“



Die Aufzugtür glitt auf und Tony fand sich in absoluter Dunkelheit wieder.

Was war hier los? Stromausfall?

Das hatte den Vorteil, dass die Tür zur Asservatenkammer, normalerweise elektrisch verschlossen , leicht zu öffnen war. Er drückte die Klinke herunter, die Tür öffnete sich und er betrat die Asservatenkammer.

Mit der Taschenlampe leuchtete er sich den Weg – ein lächerlich kleiner Lichtfinger versuchte sich in dieser großen, großen dunklen Halle bemerkbar zu machen.

Ein Witz.

Das alles war ein Witz – er hatte doch keine Chance. Vielleicht sollte er abwarten, bis der Strom wieder funktionierte?

Schnell griff er zu seinem Handy und wählte die Nummer von McGee.

The person, you have called is temporary not available. , erklang die Stimme aus seinem Telefon und er verfluchte die extrem miese Empfangssituation, in der er sich gerade befand.

Naja, es nutzte ja nichts, er musste diese Akte finden, wenn er seinen Kaffee haben wollte.

Und es hatte den Vorteil, dass ihm an all dem hier nichts Bekannt vorkam.

Wobei – wenn er ehrlich war, wäre es ihm lieber, wenn von dieser Stelle auch ein Déjà-Vu gehabt hätte.



Klank!

Tony zuckte zusammen.

‚Was ist los mit Dir, DiNozzo? Beruhig dich!’, schalt er sich, dieses mal gedanklich in der Stimme seines Chefs. Er merkte, wie sein Atem sich verlangsamte. Es war doch einfach nur albern. Er war Mitte 30 und fürchtete sich gerade im Dunkeln vor dem, was da im Dunkeln auf ihn lauern könnte.

Und offenbar war da was, denn er konnte hören, wie etwas über den Boden geschleift wurde.

Was es war, wusste er nicht, aber er hatte einen starken Verdacht. Schließlich war das hier der NCIS, hier lagerten Geheimdokumente, hier liefen die geheimdienstlichen Fäden für Gegenspionage, Terrorismusbekämpfung und andere Nettigkeiten zusammen. Das man in den NCIS prima einbrechen konnte, wenn man denen den Strom abstellte, war etwas, was ihm schon damals, als man halb Washington den Strom abgedreht hatte, in den Sinn gekommen war.



Das Schleifen, das er hörte… es musste ein Körper sein, der gerade getötet und nun versteckt wurde.

Ziva!

Sie war hier unten gewesen, zusammen mit Abby. Und hier hatten sie dieses Gespräch geführt und…

Erneut zuckte er zusammen.

Knappe 4 Meter von ihm waren Sachen umgefallen und er hörte ein merkwürdiges Geräusch – ein merkwürdiges schrilles Kreischen. Beinahe wäre er gegen ein Regal gelaufen, als er sich daran erinnerte, wo er das Geräusch schon einmal gehört hatte.



Lorette Taylors Filmnacht.

Das Geräusch war vom Fernseher gekommen und hatte ihnen allen eine Gänsehaut beschert.

„Aliens.“, sagte Tony leise und schüttelte den Kopf: „Schöner Gag, aber… ich fall da nicht drauf rein.“

„Nicht?“, hörte er Zivas sanfte Stimme direkt hinter sich, fuhr herum und erstarrte.

Sie trug einen Hazmat-Anzug, ihre braunen Augen waren gelb, ihre Wange war von silberner Kybernetik verziert und die Beleuchtung des Hazmat-Suits gab ihrer ausserirdischen Erscheinung noch eine Spur mehr… was auch immer.

Er schluckte, ging einen Schritt zurück und merkte, wie hinter ihm jemand stand.

Schnell fuhr er herum und schaute in die roten Augen Abby Sciutos.

„BUH!“; machte sie und Tony … lachte.

Die Forensikerin zog eine Schnute.

„Hat es nicht geklappt, Tony?“

„Bis zu diesem Geräusch hattet ihr mich. Aber dieses Hiya-k-k-k-k, das die Aliens in dem Film machten… das hat euch dann doch verraten.“

Er ging zu Ziva, nahm ihr den Hazmat-Helm ab und grinste: „Darf ich dir was sagen, oh mein Metall-Zombie?“

Die hübsche Israelin griff an ihre Wange, nahm die Verkleidung ab und grinste schief: „Was denn?“

Er beugte sich vor und küsste sie: „Du bist ein wirklich hübscher Alien.“

Ziva grinste: „Hiya-k-k-k-k.“



Franz Meyers rannte. Die Schmerzen in seinem Körper waren silberhell und heiß, aber – was wollte er machen? Er wurde verfolgt – und dann auch noch von etwas, was ihm eher aus einem Albtraum schien, als ein Wesen auf Gottes weitem Erdenrund.

Er wusste nicht was er da gerade gesehen hatte, es war ihm auch vollkommen egal, er wusste nur, dass sein Glaubensgebäude gerade einen dermaßen großen Knacks erhalten hatte, das er als Bergschaden sichtbar sein müsste und man ihn nicht mal mit viel gutem Zureden und einer extra dicken Schicht Spachtelmasse hätte tarnen können.

Verdammt – etwas war hinter ihm her und es sah aus wie das uneheliche Kind des unglaublichen Hulk und einer Küchenschabe.

Groß, grün, eine Menge Antennen und offenbar ein verdammt guter Läufer, so stellte sich das Ding in seiner Gegenwart da und Meyers merkte, wie sein Puls raste.

Und während er rannte, war er sehr geneigt, sich seine Leitmaxime, das Ausserirdische nicht existierten, noch mal durch den Kopf gehen zu lassen.



Er hatte sich fasziniert über diese Konsole gebeugt, die er mitten auf der Treppe gefunden hatte und nicht einmal mehr Gelegenheit bekommen, sich zu bücken, als dieses Ding neben ihm aufgetaucht war und ohne das er großartig etwas dagegen hätte tun können, hatte das Wesen ihn gepackt. Dann hatte es einen enormen Kraftakt betrieben, ohne großartig ins Schwitzen gekommen zu sein, in dem es ihn, einen knapp 2-Meter-Mann, der gut und gerne seine 100 Kilo wog, gegriffen und ihn dann mit einer Leichtigkeit die Treppe heruntergeworfen, die er an den Tag legte, wenn er mal wieder auf Petes Baustelle aushalf und diese schweren Säcke mit Brandkalk über seine Schulter in die Schubkarre warf.

Jetzt wusste er auch, wie sich diese Säcke fühlen müssten, wenn sie dazu in der Lage wären.

Es tat einfach weh, wenn man mit der Seite auf einen harten Boden auftraf und dann in einem Gewirr von Armen und Beinen – so viele, das konnten eigentlich nicht alle seine eigenen sein – die Treppe weiter herunterfiel. Auch die finale Landung auf dem Boden war nicht unbedingt schmerzfrei gewesen und da wusste Franz, was für den Tod der armen Socke, den er beobachtet hatte, verursacht hatte. Das waren keine spielenden Kinder – oh nein.



Und gerade, als er sich aufrappelte, erschien dieses Geschöpf auf dem Treppenabsatz. Groß, grün und extrem angepisst.

Es holte Luft, ging dann in die Hocke führte – wie ein Bodybuilder – die Unterarme in einer Art V-Position zusammen und brüllte herausfordernd, so, dass die Vaterschaft des unglaublichen Hulks eigentlich nicht mehr anzuzweifeln war. Vermutlich saß dieser gerade ganz stolz im Obergeschoss und sagte: „Sohn von Hulk SMASH!“.

Franz Meyers wusste, dass er das Recht hatte, eine Waffe zu besitzen und der Gedanke, eine eben solche Schusswaffe gegen das Ding auf dem Treppenabsatz einzusetzen erschien ihm auch im ersten Moment ziemlich ‚appealing’, wie man hier sagte – sprich „Attraktiv“, „einleuchtend“ – aber… er hatte die Serie gesehen und wusste, dass Schusswaffen nur eine Sache anrichteten: Sie machten den Hulk noch wütender und das wollte er nicht.



Also tat er das, was sein Urinstinkt ihm seit einer knappen Millisekunde Realzeit, aber gefühlten 10 Milliarden Jahren, ins Ohr brüllte. Abhauen.

Auch wenn sein Körper protestierte, auch wenn die Rippen, die offenbar gebrochen waren, schmerzten, auch wenn er selbst kaum noch Luft bekam, er musste rennen. Er musste hier weg.

„Ausserirdische gibt es nicht“ – so ein Blödsinn.

Was war das Ding auf dem Treppenabsatz sonst, wenn nicht Besuch aus einer fernen Welt? Ein mutierter Wissenschaftler, der sich mal wieder aufgeregt hatte?

„Nun werden wir doch mal wieder realistisch!“, schoss es ihm durch den Kopf und er setzte sich in Bewegung – das Ding immer hinter ihm her.

Er hatte eigentlich keine Alternative mehr, als das zu tun, was man ihm geraten hatte, wenn ein wildes Tier auf ihn zukam. Sich hinlegen, tot stellen und das Beste hoffen.

Auch dieser Gedanke gewann mit zunehmenden Schmerzen in Brustkorb und Beinen an Attraktivität und so ließ er sich bei der nächstbesten Möglichkeit einfach fallen.



Und als das Ding auf ihn zukam, ihn anschaute und einmal kurz - fast schon zärtlich – mit dem Fuß gegen seine Rippen trat und er merkte, wie die Schmerzen in ihm aufquollen, ihren Weg durch Brustkorb und Luftröhre zum Mund bahnten und schließlich in einem Schrei gipfelten, der dem von Hulks Sohn in nichts nachstand… da wusste er, dass er, wenn er hier je wieder rauskommen würde, dem Typen, der ihm diesen Tipp gegeben hatte, mal die Meinung geigen würde.



„Stell dich einfach tot – am Arsch!“, schoss es ihm durch den Kopf, als der Hulk ihn packte und erneut über den Kopf hielt. Dann warf er ihn erneut – dieses mal gegen eine Wand – und angetrieben durch die unglaubliche Kraft des unglaublichen Wesens krachte er durch diese Wand – was wieder ein paar Knochen kostete. Als er aufkam und sich abrollte, war ihm als stünde sein Körper in Flammen.

Und dann sah er es.



Ein Raumschiff.

Es stand mitten in der Fertigungshalle und – war merkwürdig elegant.

„Das hätte ich diesen Biestern nicht zugetraut.“, murmelte Franz und hörte, wie Hulk sich näherte. Dann packte das Wesen ihn an den Haaren, zog ihn nach hinten, sodass Franz’ Körper eine Art C beschrieb, wobei die Beine und die Füße den unteren Teil bildeten – den sogenannten Anstrich , während die Arme, die nach unten baumelten beinahe als Abstrich plus Serife zu erkennen waren. Für Meyers war es eine Tortur.

Aber die wirkliche Tortur kam erst noch.



Das Wesen griff, mit einem grausamen Lächeln – tatsächlich, das Wesen konnte lächeln – zu einem Messer, wobei Messer der Größe und Länge der Klinge nun wirklich nicht mehr gerecht wurde. Aber „Schwert“ war zu groß. Dieses „Messer“ hielt es Meyers an die Kehle und der Deutsche wusste, was los war.



Die Augen des Mannes weiten sich im Schock.
 
Kapitel 8


Die hübsche Rothaarige riss überrascht die Augen auf.

Es war schon ein Kreuz mit unserer deutschen Sprache.
Jede Faser des Körpers Calvin Nathan Cats wollte das Wort „Shuttle“ in ein Neutrum umwandeln, also „Das Shuttle“ sagen. Mit dieser Regelung war er knappe 28 Jahre gut gefahren, bis zu dem Tag, als ihn die hübsche Brünette in der bajoranischen Uniform, die er auf der Station Deep Space Nine als Major Kira Nerys kennengelernt hatte, korrigierte und meinte, es heiße „der Shuttle“. Seitdem war er sich nicht sicher, zumal auch sämtliche Computerdatenbanken, die er befragt hatte, sich nicht einig sein konnten. Manche sagten „Der Shuttle“, andere sagten „Das Shuttle“. Als Brite war das kein Problem, da hatte man ja nur einen Artikel, nämlich „the“ und musste sich demzufolge solche Fragen gar nicht stellen. Da er aber irgendwann mal im Zuge der Teenagerrebellion beschlossen hatte, sich komplett unbeliebt zu machen, und sich akzenttechnisch im deutschen Sprachraum zu bedienen.

Und nicht nur Hochdeutsch, also so, wie man es aus schlechten amerikanischen Filmen des späten 20. Jahrhunderts kannte, in denen die „Deutschen“ entweder bayrisch sprachen oder zumindest so aussahen und deren einziger Hinweis darauf, das sie Deutsch waren, durch ein eingestreutes „Ja!“ oder „Jawoll!“ war – je nach dem, welche Filme man schaute. Nein, nein, Cal griff ganz tief in die Dialektkiste.

Er verwandte die Syntax eines deutschen Dialektes und trieb mit seinen entsprechenden Übungen seine Eltern in den Wahnsinn. Schließlich brach der Captain, der damals noch kein Captain war, hin und wieder in diesen, sich Dialekt aus, den er sich antrainieren wollte und der seine Wiege in die Nähe der Gegend setzen sollte, in der man seinerzeit nicht arbeiten ging, sondern „auffe Maloche“, die seinerzeit ein Jahr lang Kulturhauptstadt gewesen war und die mit seiner wahren Herkunft, der Stadt London in England nichts gemein hatte. Aber Cal gab sich gerne als Ruhrpottkind, auch wenn er aus dieser Gegend nur vier Sachen kannte – die Kohle, Dortmund, Gelsenkirchen und Bochum.

Warum er die Kohle kannte, war klar – schließlich hatte sich die Region, aus der er so gerne vorgab zu kommen, mit dem Abbau dieses Materials seinerzeit einen Namen gemacht. Die Städte, die Cal kannte, kannte er deswegen, weil diese die seinerzeit bekanntesten Fußballvereine der sogenannten Bundesliga beinhalteten – und das ziemlich geballt.

Mit Fußball konnte man ihn zwar jagen, aber es war schon sehr praktisch, wenn man sich wenigstens ein wenig mit dem befasste, was man gerne sein würde, auch wenn ein echtes Ruhrpottkind vermutlich nicht wirklich diese Affinität zu Kohle zeigte – schließlich gab es schon in den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, als die ganzen Zechen geschlossen wurden, das große Umdenken, den großen Strukturwandel. Abraumhalden wurden begrünt, Gegenden, die ein deutliches Zeichen dafür waren, dass der Strukturwandel auch Arbeitsplätze forderte (auch wenn dafür andere geschaffen wurden), wurden zur „Industriekultur“ aufgewertet und knappe 100 Jahre nachdem die letzte Zeche geschlossen war, erinnerten allerhöchstens noch ein paar mit Pflanzen überwucherte Abraumhalden daran, das hier mal Kohle gefördert wurde.



‚What is the matter with you, boy?
’, hatte ihn eine seiner Lehrerinnen mal gefragt und Cal hatte grinsend geantwortet: “Ach weißte – wennze mich so fragst, is mich so schnarchich, dat kannste maa gar nich glauben, da besteht extremen Bekakelungsbedaaf.“

Natürlich hatte die Lehrerin kein Wort von dem verstanden, was der junge Cal ihr da sagen wollte, also übersetzte er es nochmal ins feinste Oxfordenglisch – was der Lehrerin natürlich auch nicht passte. Ebensowenig übrigens, wie es den Eltern genehm war.

Im Deutschen musste man nun wissen, ob ein Shuttle neutrum oder maskulinum war – also ob es „der“ oder „das“ Shuttle hieß und selbst des Captains geliebtes Ruhrdeutsch brachte ihn nicht weiter. Hin und wieder war es praktisch – so fiel die lästige Frage weg, ob man das „das“ nun in dieser oder jener Situation mit doppel- oder einem einfachen S schrieb, da sagte Cal einfach „dat“ und schon ‚war der Drops gelutscht’, aber bei der Thematik „Shuttle“ war er ‚genau so schlau als wie zuvor’, wie Faust gesagt hätte.

Momentan konnte es dem Captain aber nicht weniger interessieren, welch Geschlechtes nun das Gefährt, in dem er gerade reiste, war – schließlich hatte er gerade nur Augen für die hübsche Rothaarige, die neben ihm saß. Zumindest bemerkte diese, dass er seine Arbeit schleifen ließ und lieber ihr Profil betrachtete.

Agatha Silverbird seufzte genervt-amüsiert: „Cal, du wolltest noch hier bleiben und eine Extra-Runde über die Erde drehen. Also schau aus dem Fenster.“



Kaum, dass sie auf der Dragonfly angekommen waren, hatte die hübsche erste Offizierin geseufzt und gesagt: „So, jetzt eine entspannende Dusche in unserem Quartier und dann bin ich wieder wie neu.“

Doch da hatte der Captain ihren Unterarm schon festgehalten und sie angeschaut: „Schatz, ich weiß ja nicht. Ich möchte lieber noch mal mit der Emscher eine Runde über Washington drehen.“

Verwirrung war in ihren Augen zu lesen gewesen: „Du hast nicht wirklich eines unserer Runabouts in Emscher getauft, oder?“

„Hey, ich bin ein Pottkind.“, hatte er gegrinst und sie hatte den Kopf geschüttelt: „Bist Du nicht – du bist Brite, mit Julian Bashir auf die Schule gegangen, also hör bitte mit deiner Ruhrpott-Nummer auf.“
„Hey, Ruhrpottler sind cool. Sieh dir den späteren Bundeskanzler der Bundesrepublik an. Er hat als Polizist angefangen und sich dann hochgearbeitet. Mit ihm hat die SPD 2030 einen sensationellen Wahlsieg geholt.“
Das war der Moment, an dem Agatha mal wieder beschlossen hatte, Cal seine Illusionen zu lassen.

Nun saßen sie also in der Emscher – es war Agatha immer noch unbegreiflich, wie Cal das Schiff nach einem früher Abwasser führenden Bachkanal, einer sogenannten „Köttelbecke“, benennen konnte, aber es war des Captains Vorrecht, die Shuttles und Runabouts so zu benennen, wie sie wollten. Und Cal hatte zumindest seiner Brückencrew gestattet, einige Runabouts ebenfalls nach eigenem Gutdünken zu benennen.

Agatha taufte eines der Runabouts somit „Ihme“, denn dieser Fluss floss durch ihre Heimat, Hannover, während man dank Gina über die „U.S.S. Nera“ verfügte, der ihre Heimatstadt Perugia durchfloss. Jill – aus San Francisco stammend – benannte das dritte und vorletzte Runabout „Carquinez“, nach der Carquinez-Straße, einer Meerenge im Norden Kaliforniens, die in der Stadt, in der sie geboren und aufgewachsen war, San Francisco, in den Pazifik mündete. Ausserdem hatte man noch die „U.S.S. Main“, die von den meisten Leuten, zunächst englisch gelesen und nicht verstanden wurde.

„Main – und weiter?“, wurde dann meist gefragt, „Mainstream? Mainpower? Mainstreet?“

Das lag daran, dass Cal noch seinem guten Kumpel und besten Freund, Sebastian Middlegate, die Möglichkeit gegeben hatte, ein Shuttle zu taufen. Da dieser, trotz des Nachnamens Middlegate aus Deutschland kam – genauer gesagt aus Frankfurt am Main – war mit „U.S.S Main“ nicht „Mäyn“, wie in Haupt- (Hauptstraße, Hauptstrom, Hauptleitung, Haupstadt), sondern Main, gemeint.



Das leise Zirpen, das der Kommunikator des Captains von sich gab, ließ Agatha wieder in die Jetztzeit zurückfinden. Er traute dem Frieden also nicht. Es gab Momente, in denen hielt die hübsche Frau ihren Freund für einen rettungslosen Paranoiker.

„Menacer an Cat?“, erklang die militärisch-zackige Stimme der blonden Sicherheitsoffizierin aus dem Kommuniaktionsgerät. Agatha wusste aber auch, dass sie durchaus sanftere Töne anschlagen konnte – das hatte Sebastian ihr einmal erzählt.

„Cat hier?“, garagentorquietschte der Captain und Agatha fragte sich, ob er es jemals schaffen würde, sich für eine Stimmlage zu entscheiden.

„Es… es gibt ein Problem.“

Agatha merkte, wie ihr Herz kurz aussetzte und spürte, wie ihr Captain sie anschaute, ehe er fragte: „Ein Problem?“

„Ja, Traceless ist entkommen.“
Die grasgrünen Augen der hübschen Frau schauten verblüfft in die braunen Augen des Captains, dessen Gesichtsausdruck gerade zwischen „verwirrt“ und „entschlossen“ changierte. „Bitte um Erklärung.“, sagte er und hörte, wie die hübsche Blonde sich räusperte: „Nun… Peter brachte dem Gefangenen offenbar sein Abendessen, als dieser…“
„Als dieser … was?“, fragte Cal.
Erneut machte die hübsche Blonde eine Pause, räusperte sich kurz und sagte dann: „Er war verschwunden.“
„Von jetzt auf gleich?“
„Ja.“
Agatha legte den Kopf schief.

Peter – der Wachmann – hatte, wenn Cal Traceless gefangen hatte, präzise Instruktionen erhalten, sich nur von der Stelle zu bewegen, um zum Replikator zu gehen und dem Gefangenen etwas zu essen zu bestellen. Selbst, wenn man großzügig annahm, dass der Replikator im Arrestbereich kaputt war, selbst dann musste man eigentlich nur einem Kollegen bescheid sagen, etwas zu essen zu besorgen. Peter musste seine Position eigentlich nicht verlassen, was nur bedeuten konnte, dass Traceless in der Zelle verschwunden war.

Aber wie sollte das funktionieren?

Im Kopf ging sie alle Möglichkeiten durch, räusperte sich dann und wandte sich an Cal: „Du hast das Kraftfeld um die gesamte Zelle legen lassen, ja? Nicht das einer auf die Idee kommt, Traceless rauszubeamen?“

„Für wie bekloppt hältst Du mich eigentlich?“, antwortete der Captain mit einer Gegenfrage und schaute sie ein wenig missbilligend an: „Ich hab alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen – dennoch ist er einfach so verschwunden. Ich verstehe es nicht.“

Mit diesen Worten gab er den Kurs ein, der die Emscher zurück zur Dragonfly bringen sollte und betätigte eine Taste.

Agatha wusste, dass dies die Taste war, die er selbst einmal mit „Engage“ beschriftet hatte, da er mit diesen ganzen Eingabefeldern zwischendurch ein wenig überfordert war.

Doch kaum, dass er die Taste gedrückt hatte, bebte das Schiff und Cal schaute sie überrascht an: „Das sollte nicht passieren.“

Und dann erschien eine Botschaft auf dem Bildschirm, der zwischen den beiden in eine Mittelkonsole eingelassen war.



Teuflisch wird meine

Rache sein, wirfst Du mich einfach so

Aus dem Fenster.

Cal, das tut man nicht.

Eigentlich hätte ich mehr von dir erwartet.

Lass dir das gesagt sein:

Es ist nicht nett, jemanden einfach

So aus einem Fenster zu schmeißen.

So was tut sehr weh.



Die beiden Offiziere sahen auf den Bildschirm, dann sich an und Cal schluckte: „Oh man.“



Leroy Jethro Gibbs hielt den Pappbecher in der Hand, als er das Labor betrat, in dem Abby gerade einen Handstand vollführte.

„Abs?“, fragte er und die hübsche Frau rollte sich ab: „Gibbsman, wurde auch Zeit, dass Du hier unten mal auftauchst.“

Sie lächelte – frech wie immer – und schaute ihn an, als er fragte: „Und, was hast Du für mich Abs?“

„Ein Rätsel.“, erklärte sie und schaute ihn an: „Weißt Du, Tony hat mir erzählt, dass Ziva meint, wir hätten das alles schon mal erlebt … wobei das nicht ganz richtig wiedergegeben ist. Tony meint, wir sind in einer Zeitschleife und Ziva meint, es würden Ausserirdische umgehen. Ich persönlich halte die letztere Theorie für wahrscheinlicher – ich meine, die Lichter, die man in den letzten Wochen über Washington sieht… ich bin mir sogar sicher, eine Art UFO gesehen zu haben, aber Miss Post, meine Vermieterin, glaubt mir genauso wenig, wie Miss Carols, meine Nachbarin. Sie ist das, was man eine „crazy old bat“ nennt, aber – sie weiß alles, was in der Nachbarschaft abgeht. Wenn Sie kein UFO gesehen hat, dann war da auch keines.“

„Abby!“, machte Gibbs und die Frau in den schwarzen Klamotten schaute ihn lächelnd an: „Geduld, oh mein Silberfuchs. Du musst lernen, Geduld zu haben – du kannst nicht mehr so viel Gas geben, wie früher.“

Er schaute sie an, legte den Kopf schief und in seinen Augen konnte sie sehen, dass er einerseits amüsiert, andererseits ziemlich genervt war. Sie hob beide Arme – als ob sie sich ergeben würde.

„Natürlich, oh mein Silberfuchs. Das Schwert.“, sagte sie und ging zum Computer: „Wir haben einen stabilen Bastardhänder. Man kann ihn sowohl mit einer Hand, als auch mit beiden schwingen und Leuten die Köpfe abschlagen und… hat Dir Ducky erzählt, dass er einmal gegen Basil Rathborne gefochten hat? Da war Ducky aber noch jung und Rathbone war schon…“

Erneut stoppte sie, als sie den Blick von Gibbs bemerkte – die Genervtheit überwog langsam und da sie ihr selbstgesetztes Ziel, niemals eine Kopfnuss zu erhalten, nicht verfehlen wollte, sagte sie: „Am Beste ist, du fragst ihn selber. Bei diesem Bastardhänder ist mir etwas Interessantes aufgefallen. Wir haben tatsächlich Fingerabdrücke. Sie sind am Griff des Schwertes und aufgrund dessen, wie sie um den Griff positioniert sind, lassen sie den Verdacht zu, dass die Person, der die Fingerabdrücke gehören, das Schwert gehalten hat. Ich bin auch gerade dabei, die Daten durchs AFIS laufen zu lassen.“

Kaum, dass sie ausgesprochen hatte, gab der Computer ein lautes Piepsen von sich und Abby stockte: „Und wir haben gleich drei Treffer. Offenbar ist das Schwert durch mehrere Hände gegangen. PFC William Turner, PFC Matthew Troi und PFC Andrew Riker sind die drei Glücklichen, die Ihr bald vernehmen dürft.“

Gibbs nickte ihr nur zu und übergab ihr den Becher mit dem Cafpow.

Lächelnd wandte sie sich wieder zu den piepsenden Computern um.



Fluchend wandte sich Agatha dem piepsenden Computer zu.

Das Raumschiff – sie beschloss, es nicht Emscher zu nennen – drehte sich wie verrückt um die eigene Achse und begann nun, zu bocken.

Cal krallte sich an seinen Sessel: „Ich glaub, Traceless spielt mit uns Cranger Kirmes.“

„Ah“, grinste sie, „Dein Lieblingsfahrgeschäft, ja?“

Der Captain wandte sich ihr zu und nickte.

‚Merkwürdig’, schoss es Agatha durch den Kopf, ‚warum sollte Traceless die Emscher in einen Kreisel verwandeln? Das Ganze macht keinen Sinn.’

Plötzlich stoppte das Schiff seine Bewegungen und der erste Offizier, sowie der Captain atmeten tief und erleichtert durch.

„Okay“, sagte Cal und schaute seine Freundin an, „Offenbar – will er noch etwas mit uns spielen.“



In diesem Moment erschien auf dem Monitor, auf dem vorher der Acrostychon aufgetaucht war, das Gesicht von Traceless – sein ‚wahres Gesicht’, also das, das er immer dann trug, wenn er enttarnt worden war. Es handelte sich hierbei um Etwas, das entfernt an rote, vernarbte Haut erinnerte, von dem Agatha aber wusste, dass es einfach nur Latex war, das der Verbrecher in einer bestimmten Art und Weise behandelt hatte.

„Na, noch auf den Beinen?“, reibeiste es aus dem Kommunikator, „Mal sehen, wie lange noch.“

Damit verschwand sein Gesicht wieder und machte einer Digitaluhr platz, die langsam von 01:00 herunterzählte.

„Der hat doch wohl nich wirklich…“, setzte Cal an und Agatha schaute zu ihm: „Eine Bombe angebracht? Du kennst Tracy, darauf kannst Du deinen Hintern verwetten.“

Er lächelte: „Da verwette ich lieber Deinen, der ist knackiger.“

Ein simples Augenrollen war die Antwort, dann schaute sie sich um, sprang auf die Beine, griff seine Hand und zog ihn hinter sich her.

„Wo gehen wir hin?“, fragte er und staunte nicht schlecht, als sie ihn durch das komplette Runabout zog, bis hinüber zu einem Schott, das durchaus auch die Tür zu einer Besenkammer hätte sein können.

„Schatz, unser Runabout fliegt uns gleich um die Ohren. Ich glaube nicht, dass eine Nummer in der Besenka…“

Weiter kam er nicht, die Tür glitt auf, sie schubste ihn herein und betrat dann selbst diese beinahe klaustrophobisch-enge Kammer. Als die Tür zuglitt, war es für den Bruchteil einer Sekunde dunkel – dann aktivierte sich eine blaue Deckenbeleuchtung und illuminierte das kleine Areal.

„Keine Sorge.“, lächelte sie ihm zu, küsste ihn und streckte ihre linke Hand nach einer Konsole aus, die sie betätigte.



Es gab einen kurzen, heftigen Schlag, dann hörte Agatha ein lautes Kreischen und binnen Nanosekunden war die Rettungskapsel, in die sie sich mit Cal begeben hatte, abgeworfen worden.

Die Rothaarige wandte sich an Cal, lächelte zu ihm herüber und zuckte mit den Schultern: „Wie schon gesagt, es wird alles in Ordnung kommen.“

Kaum, das sie das gesagt hatte, spürte sie, wie die Kapsel zu schlingern begann und bockte, wie ein Wildpferd beim Kentucky Derby.

„You were saying?“, fragte Cal und die schöne Frau sah eine Mischung aus Angst und Amüsement in seinem Blick, als die Rettungskapsel noch mehr ins Schlingern geriet.

Sie konnte sich gerade nur vorstellen, was passiert war. Die Rettungskapsel musste sich noch relativ Nah am Runabout befunden haben, als dieses explodiert war und sie dann durcheinander gewirbelt haben, wodurch die kontrollierte Landung auf der Erde sehr unkontrolliert wurde.



Sie spürte, wie Cal seine Arme um sie schlang und sie an sich zog. Sie tat das gleiche, ihre Blicke trafen sich und sie merkte, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen. Offenbar musste dieses Lächeln ansteckend gewirkt haben, denn nun lächelte auch er und sagte: „War keine schlechte Idee, mit der Emscher zu fliegen.“

Dann gab es einen erneuten, harten Schlag gegen die Kapsel und die Köpfe der beiden Offiziere kollidierten miteinander.

Agatha sah Sterne.



Der schwarze Dodge Charger, der als Dienstwagen fungierte, rollte auf die Einfahrt und kam zum stehen. Tony DiNozzo stieg aus, schloss die Tür des Wagens, sah, dass Ziva auch ausgesteigen war und schloss ab. Dann schaute der Bundesagent zum Gebäude.

Es war ein dreistöckiges Gebäude – es hatte rote Backsteinmauern, eine gelbe Tür und erinnerte ihn, aufgrund der Bauweise, an etwas aus TRON. Dem Klassiker, nicht der Fortsetzung mit Nummer 13 aus Doktor House.



Sie waren an unzähligen Häusern vorbeigefahren – an Doppelhaushälften mit Einfamilienwohnungen darin, von denen man auf die Good Hope Road South East schauen konnte, an einem Waschautomaten-Drive Inn und an einfachen, quadratischen Häusern, die so gar keine Verzierungen hatten, die einfach nur gebaut waren, damit Menschen darin leben konnten. Der Stadtteil Anacostia war so vielschichtig, wie das gute, alte Amerika als Schmelztiegel beschworen wurde.



Tonys Dodger nahm die Einfahrt unter die Räder und augenblicklich hörte die hübsche Israelin neben ihm auf, eine ihm mehr oder weniger bekannte Melodie zu summen.

„Was war das?“, fragte er sie und sie lächelte: „Das geht dich nichts an.“

Damit stieg sie aus, warf einen Blick über ihre Schulter zu Tony herüber und ging, wissend dass er ihr hinterherschaute, mit einem leichten Schwingen in den Hüften zum Haus. Dabei summte sie die Takte von „Temptation“, das sie seinerzeit selbst gesungen hatte.



Tony war verwirrt. Er wusste noch nicht so recht, seit wann er diese Empfindungen hatte, die da sein Bewusstsein vernebelten, seit wann die Anwesenheit der hübschen Frau aus Israel ihn um den Verstand brachte, aber – sie tat es. Wenn er einen Tipp hätte abgeben dürfen, er hätte auf den Zeitpunkt getippt, an dem sie ihn versucht hatte, vor einem Gewehrkolben zu retten – damals in diesem simulierten Einbruch, der eigentlich nur eine Maulwurfsjagd gewesen war.

Nachdem man ihm es erklärt hatte, hatte er sich an den Film „Mission: Impossible“ erinnert. Hier hatte man ihm und Ziva die Rolle des Tom Cruise gegeben und es war für Special Agent Lee nicht sehr glimpflich ausgegangen.

Er seufzte. Damals hatten sie sich im Aufzug unterhalten und es hatte zu nichts geführt. Und als ihm dann die Sache mit Michael Rivkin einfiel – spätestens da wusste er wieder, ab wann er sich wirklich in die Israelin verliebt hatte. Zu dem Zeitpunkt, an dem ihm klar war, dass er …



„Tony, kommst du?“, fragte die Frau in diesem Moment und er riss sich in die Gegenwart zurück: „Ja, natürlich.“



Private First Class William Turner wohnte eigentlich gar nicht mal schlecht.

Eine weiße Wohnlandschaft in den Maßen 237x414x297cm stand im Raum, davor eine weiße Wohnwand, komplett mit Stereoanlage und Fernseher, DVD, Blue-Ray und sonstigen Playern – kurzum ein Entertainmentsystem, das Tony rasend vor Eifersucht werden ließ.

Der Bundesagent räusperte sich: „William Turner, ja?“

Kurz traf ihn ein Blick aus den dunkelbraunen Augen des Angesprochenen. Seine kurzen, naturgelockten Haare machten jede Bewegung mit, als er den Kopf schüttelte und lächelte: „Nein. Kommen Sie mir nicht so. Ich weiß, worauf Sie anspielen – glauben Sie mir, ich habe den Gag oft genug gehört.“

Die grünen Augen Tonys funkelten in stillem Amüsement, als er zu rezitieren begann:

"The only rules that really matter are these: what a man can do and what a man can't do. For instance, you can accept that your father was a pirate and a good man or you can't. But pirate is in your blood, boy, so you'll have to square with that some day. And me, for example, I can let you drown, but I can't bring this ship into Tortuga all by me onesies, savvy? So, can you sail under the command of a pirate, or can you not?"

Der Private First Class machte eine Kopfbewegung, als habe er diese Worte schon oft genug gehört. Ziva rollte mit den Augen. Sie musste gegen ihren Willen lächeln, es war so typisch von Tony, dass er wo er nur ging und stand mindestens ein - meist vollkommen unerkenntliches – Filmzitat anbrachte, auch da, wo es nicht passte. Es war eine der Charaktereigenschaften ihres Partners, die sie einerseits in schöner Regelmäßigkeit in den Wahnsinn trieb, andererseits sie erheiterte. So jemand wie Tony war der hübschen Frau aus Israel noch nie begegnet und anfangs hatte sie sich gefragt, ob alle Männer in den USA so waren, wie Tony. Glücklicherweise war dem nicht so. Eine Nation voller Männer, die schönen Frauen hinterherglotzten, sich wie die Vollprimaten benahmen und zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Filmzitate in die erwartungsfrohe Menge feuerten, das wäre nicht unbedingt ein Land gewesen, in dem sie zu leben als erstrebenswert erachten würde.

Aber es war schon irgendwie beneidenswert, wie viel Filmzitate in diesem Kopf Platz fanden. Und da fragte sie sich natürlich, ob er dafür andere Erinnerungen verdrängen musste, schließlich hatte das Hirn nur einen begrenzten Speicherplatz.

Doch sie hatte im Laufe der Zeit festgestellt, dass Tony einfach nur ein Kompendium an unnützem Fernsehwissen war – so wie McGee sich zwischenzeitlich als Lexikon für unnützes Computerwissen herausstellte und Sachen in den Raum feuerte, von denen keiner der anderen Drei auch nur den Schatten einer Ahnung hatte.

Ziva schaute zwischen den beiden Männern verblüfft hin und her: „Tony, was meinst Du jetzt schon wieder?“

„Fluch der Karibik.“, erklärte der Italiener und schaute Ziva lächelnd an: „You better believe in ghost-stories, Miss Turner. You are in one.“

„I’m afraid of no ghosts”, grinste Ziva und schaute zu Tony herüber, der den Kopf schüttelte: “Komplett falsches Franchise.”

Gerade, als sie etwas sagen wollte, hörten sie eine laute Explosion, die von draußen kam.

„Ah“, machte Turner nur und zuckte mit den Schultern, „Heute ist Dienstag – die Leute werden immer ein wenig merkwürdig, wenn sie den Montag überlebt haben und feststellen, dass es noch 4 Tage bis zum Wochenende sind. Ich würde mir da keine Gedanken machen.“

Das laute Rauschen, das sie hörten, brauchte nun auch Turner dazu, verwirrt dreinzublicken und anzumerken: „Also – das ist bisher noch nie vorgekommen.“



In dem Moment, in dem das Geräusch ertönt war, hatte Ziva reagiert. Ihre Waffe war binnen Nanosekunden gezückt gewesen und sie hatte den Raum mit der Aufmerksamkeit eines Pumas, der nur wissen musste, wo sich seine Beute versteckt hielt, beobachtet.

Als Turner die Sache abtat, merkte sie, wie sie sich entspannte und ihn gerade darauf hinweisen wollte, dass man ihn zum Versterben Captain Stones befragen wollte, als der Mann zugab, das das laute Rauschen ein Klang war, der ihm nicht geläufig war.

„Tony, Du wartest hier, ich schau mir das mal an.“

Und ohne irgendetwas abzuwarten, war sie schon draußen, im Treppenhaus, mit schnellen Schritten, die sie trotz ihrer Schuhe mit leichtem Absatz wunderbar tun konnte.
 
„Was hat Ihre Kollegin?“, fragte Turner verwundert und Tony schaute ihn an: „Wenn man muss, dann muss man.“

„Jurassic Park 1.“, stellte der Private First Class mit einem Grinsen fest und der italienisch-stämmige Special Agent nickte: „Der Klassiker. Hält sich ja beinahe noch an das Original von Chrichton.“

„Beinahe? Hey, Malcolm stirbt im Buch.“

„Na ja, im zweiten Buch stellt sich raus, er ist nur ins Koma gefallen.“

„Es stand ‚stirbt’ im Buch“, stellte der Private First Class fest und blickte überrascht zu Ziva, die gerade wieder den Raum betrat: „Ich hab keine Ahnung, was es war, aber – es ist wieder weg.“

Tony grinste: „Vielleicht war es ja einer deiner Silence.“

„Bezweifel ich.“, ließ sich Turner vernehmen, „Dann würde sie sich nicht mehr daran erinnern.“

Ziva blickte den jungen Mann an: „Sagen Sie… Sie wissen nicht rein zufällig schon, weswegen wir hier sind, oder?“

„Nein, sie sagten nur, sie seien vom NCIS und ob sie mal rein kommen dürften.“, gab er zurück und die junge Frau aus Israel warf einen Blick zu Tony: „Solltest Du ihn nicht informieren, während ich draußen bin?“
„Davon hast Du nichts gesagt.“

Ziva rollte mit den Augen. Da kündigten sich Kopfschmerzen an.



Die Kopfschmerzen waren da.

Es war nur eine kurze Ohnmacht gewesen, in die sie gefallen war, aber als die Rettungskapsel auf und ab ruckelte, wie auf einer Buckelpiste, da war sie wieder aufgewacht. Um sie herum war es laut. Das wunderte sie nicht, vermutlich rasten sie in genau diesem Moment durch die Atmosphäre und da sie mit einer geschätzten Geschwindigkeit von mehr als 1245 km/h unterwegs waren, würden sie gleich die Schallmauer durchbrechen. Das laute Knallen hörte sie in der Rettungskapsel nur gedämpft – dennoch schmerzte es im Kopf der Frau. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck warf sie einen Blick zu dem Mann, der neben ihr lag. Er hatte die Augen immer noch geschlossen, atmete schwach und blutete an der Schläfe.

„Cal?“, fragte sie und griff vorsichtig seine Hand, „Cal, wach auf, bitte.“

In diesem Moment gab es erneut einen heftigen Schlag und Agatha stemmte sich gegen die „Decke“ der Kapsel, um sich nicht erneut den Kopf anzuschlagen.

Dann hörte sie ein leises Rauschen, spürte, wie die Kapsel schaukelte und betätigte schnell einen Knopf an der Konsole. Erneut gab es einen lauten Knall und der „Kapseldeckel“ wurde abgesprengt. Agatha Silverbird sah, wo sie gelandet war. Mitten im Anacostia River – das war nicht gut.



„Private First Class William Turner? Sie sind verhaftet.”, erklärte Ziva David und nahm die Handschellen aus der dafür vorgesehen Halterung. Langsam trat sie auf ihn zu, als sie das verwirrte Funkeln in den Augen des Mannes wahrnahm.

„Tony“, sagte sie, „geh nicht so nah dran.“

Doch es war zu spät.

Einen Kampfschrei ausstoßend schlug der Mann nach dem Kinn des Italieners.



Er hatte es nicht kommen sehen. Vielleicht wurde er auch schon zu alt? Die Faust bemerkte er erst, als sie schon das Kinn berührt hatte und sein Kopf nach hinten gerissen wurde. Die kinetische Energie und natürlich der Fakt, dass Turner einen neuralgischen Punkt getroffen hatte – logisch, der Mann wusste, wie er jemanden ausser Gefecht setzen konnte – riss Tony DiNozzo nach hinten und er landete auf seinem Hosenboden. Er wollte gerade aufstehen, da hörte er einen neuen Kampfschrei, dieses Mal von Ziva. Und von einer Sekunde auf die Andere verwandelte sich die hübsche Frau in einen Wirbelsturm aus Schlägen und Tritten. Er hatte gar keine Gelegenheit, alle Bewegungen zu sehen, die sie machte, aber er wusste – ganz instinktiv – dass sie genau so schnell, wie tödlich waren.



Der PFC versuchte zwar, aus der Reichweite der jungen Frau zu entkommen, aber spätestens, um die eigene Achse wirbelte und ihm per spinning heel kick – also eine Drehung um 360 Grad, an die sich ein Tritt gegen die Schläfe des Gegners anschloss - angriff, taumelte er zurück.

Tony rappelte sich auf, griff seine Waffe und richtete sie auf Turner. Dann schaute er zu Ziva: „Wie hast Du das gemacht?“

„Krav Maga.“, sagte sie nur und lächelte ihm zu, „Hab ich bei der israelischen Armee gelernt.“

Dann trat sie langsam auf Turner zu, der gerade wieder zu sich kam.

„Wir wollen Ihnen nichts tun, aber wir müssen Sie festnehmen. Es gibt Beweise, die sich gegen Sie richten.“

„Beweise?“, murmelte der PFC: „Was genau meinen Sie?“



„Er ist tot?“

Verdattert blickte der Offizier auf das Foto des Mannes, als sie sich im Verhörzimmer des NCIS befanden. Turner hielt sich das Kinn, das ihm scheinbar immer noch Schmerzen bereitete. Dennoch sprach er mit verblüffender Klarheit die nächsten Worte.

„Wie – seit wann?“

Private First Class William Turner schaute nun mit mehr als nur verdutzter Miene zu Ziva und Tony herüber, in die sich nun auch noch Spuren der Trauer mischten: „Ich… ich gebe zu, ich habe … ich habe ihn nicht unbedingt gemocht, aber… aber an und für sich war … es war eigentlich alles in Ordnung zwischen uns.“

Ziva schaute ihn an und bemerkte – sehr zu ihrer Verwirrung – dass dieser Mann offenbar die Wahrheit sagte. In seinen Augen konnte sie eindeutig lesen, dass er sich fragte, wieso Captain Stone tot war.

„Wir haben seine Leiche heute im Anacostia Park gefunden.“, erklärte Tony und schaute ihn an.

„Hören Sie.“, sagte Turner und blickte erst zum Italiener, dann zu der Frau, die ihn ausgeknocked hatte: „Ich war es nicht, okay?“



„Und wie kommen Ihre Fingerabdrücke auf die Waffe?“, fragte in diesem Moment eine beinahe kalte, raue Stimme, die ihren Ursprung direkt an der Tür hatte. Verblüfft drehe sich Turner um und sah einen Mann dort stehen, der einfach nur grau war. Die Haare, der Anzug, es würde ihn nicht überraschen, wenn auch die Haut einen leicht gräulichen Ton angenommen hätte.

„Ah, Gibbs.“, lächelte DiNozzo und schaute zu Turner herüber: „Jetzt wird es ungemütlich. Kleiner Tipp meinerseits – ich würde reden.“

„Ist das so, DiNozzo?“, fragte der Mann und der Angesprochene nickte: „Ja – ich … steh nicht so auf Folter.“

Es war nicht viel, was Gibbs machte, aber das reichte schon. Kurz schauten sich die beiden Männer in die Augen, der Chefermittler machte eine kurze, beinahe minimalistische Bewegung und Tony nickte: „Ich… werde dann mal mit den anderen Verdächtigen reden.“

Damit schaute er zu Ziva: „kommst Du?“

„Natürlich, Tony.“, lächelte sie und trat noch mal auf Turner zu, streichelte ihm sanft und beinahe liebevoll über die Wange, bis hinunter zu der Stelle, an der sie ihn erwischt hatte. Dann verzog sie ihren hübschen Mund beinahe mitleidig und sagte: „Ohhhh. Sie sollten es kühlen.“

Und dann verließ sie den Raum.



Irgendwie machte der neben ihr ruhig daliegende Körper ihres Freundes Agatha Sorgen. Das mochte nicht zuletzt daran liegen, dass er aus einer Platzwunde an der Schläfe blutete und sich nicht rührte.

„Cal, bitte, wach auf“, meinte sie und rüttelte ihn, „wir müssen hier verschwinden.“

Keine Reaktion.

Sie seufzte, beugte sich wieder über ihn und brummte in sein Ohr, doch auch darauf folgte kein panisches „HILFE!“-Geschreie.

„Verdammt.“, murmelte die hübsche XO und richtete sich gerade wieder auf, als sie ein tiefes Tuten hörte.

Das Geräusch kam ihr bekannt vor und sie hatte ein ungutes Gefühl. Als sie dann über den Rand der Kapsel lugte, sah sie wie keine 500 Meter vor ihr eines der großen Navy-Schiffe auf sie zukam.

„Oh meine Güte.“, murmelte die hübsche Rothaarige, griff ihren Freund bei der Schulter und schüttelte ihn: „Komm endlich zu dir!“



Die eisblauen Augen des Mannes mit den grauen Haaren, der vor ihm saß, schienen ihn zu durchleuchten. Aufgrund einiger Zeitungsberichte über den NCIS hatte PFC Turner schon gewusst, wer der Mann war, der ihn da durch simples Anstarren zu knacken versuchte. Leroy Jethro Gibbs – der Mann, der einem durchgeknallten Scharfschützen ins Visier blickt und auch noch lachte.

Und dieser harte Hund saß nun ihm gegenüber.

Der Private merkte, wie sein Herz schneller zu klopfen begann – schließlich ging die Mär, dass man Gibbs nicht belügen konnte und wenn man ihm einmal ins Blauauge geblickt hatte, waren alle Lügen dem Mann offenbar.

Zugegeben – weder hatte er Captain Stone umgebracht, noch war er sich einer Schuld bewusst, aber der Blick, den der Mann ihm zuwarf, sagte einfach alles.

„Sir, ich…“, setzte Turner an, doch er stoppte, als er den Blick seines Gegenübers wahrnahm.

Mit gewohnter Routine griff Gibbs in die Akte, die vor ihm lag und holte zwei großformatige Fotografien heraus.

Beide zeigten Captain Stone – mit einem Schwert im Brustkorb.

„Ihre Fingerabdrücke sind auf der Waffe.“, sagte Gibbs und starrte ihn an.

Plötzlich merkte der Private, wie sein Mund trocken wurde. Nach aussen hin musste er ein sehr erbärmliches Bild abgeben. Er war unschuldig, er wusste es, er wusste, dass er den Captain nicht umgebracht hatte und trotzdem schaute der Mann ihn an, als wäre er wirklich schuldig.

„Ich… ich war es nicht.“, atmete PFC William Turner kurz aus und schaute zu seinem Verhörpartner herüber. Dieser hatte einen Gesichtsausdruck aufgelegt, der unglaublich schwer zu lesen war. Die Züge des Mannes zeigten gleichzeitig eine solche Vielzahl und ein solches Fehlen an Emotionen, dass Turner beinahe schwindlig wurde.

„Wie kommen Ihre Fingerabdrücke dann auf das Schwert?“

‚Das frage ich mich auch gerade.’, schoss es Turner durch den Kopf und er starrte ratlos zu dem großen Einwegspiegel, hinter dem sicherlich die Frau, die ihn umgehauen hatte, stand und ihn beobachtete.





Das Gebäude war wieder mit roten Backsteinen verziert.

Als Tonys Dodge auf dem Parkstreifen hielt und die Tür öffnete, stellte er fest, dass er offenbar seinen „Tag der roten Backsteine“ hatte, denn das Gebäude, in dem sie PFC Turner aufgesucht hatten, war ebenfalls mit roten Backsteinen verziert gewesen. Jetzt, wo er so darüber nachdachte, kam ihm die Frage: „Ist das Headquarter nicht ebenfalls mit roten Backsteinen verklinkert?“

Die sanfte Stimme Zivas, die erneut dieses Lied vor sich hinsummte, was er irgendwo schon mal gehört hatte, aber nicht ganz zuordnen konnte, riss ihn aus seinen Gedanken. Sie war gerade aus dem Erdgeschoss zurückgekommen, denn sie hatte, als er sie dort abgesetzt hatte, um noch mal eine Runde zu drehen und einen Parkplatz zu suchen, schon mit dem Rezeptionisten gesprochen: „Matthew Troi und Andrew Riker wohnen im dritten Stock.

Riker im Appartement 35, Troi ist sein Nachbar, er wohnt in der 36.“

Tony lächelte: „Nun, dann besuchen wir die Beiden doch mal.“

Damit verließ schloss er sein Fahrzeug ab und folgte der hübschen Frau in das Gebäude, immer noch hörend, wie sie dieses Lied, was ihm bekannt vorkam, summte. Aus irgendeinem Grund schaute er noch mal auf die Gebäudefront. Sie war rot.



Rot.

Inzwischen wies Cals linke Wange eine sehr starke Rottönung auf, was von der dritten oder vierten Ohrfeige herrührte, die Agatha ihrem Freund gerade verabreicht hatte. Das Schiff war inzwischen verdammt nahe gekommen, sie musste nicht mal mehr über den Kapselrand blicken, um den auf sie zukommenden Bug des Schiffes sehen zu können, der das Wasser vor ihm verdrängte, um zu gewährleisten, dass das Schiff sich fortbewegte.

„Verdammt, Cal, wach endlich auf!“

Erneut holte sie aus, da streckte der Mann plötzlich seinen Arm aus, hielt ihre Hand fest und ihre grünen Augen starrten verblüfft in seine Braunen.

„Was ist denn los?“, fragte er benommen und zuckte zusammen, als plötzlich, direkt hinter ihm, ein verdammt lautes Tuten ertönte.

Dann griff etwas die Kapsel und hob sie an und wischte sie beiseite. Agatha packte seine Hand, küsste ihn noch mal und sprang dann, mit ihm aus der Kapsel.

Beide schlugen im Wasser auf, sie begann automatisch in langen, grazilen Bewegungen zu schwimmen, als ihr einfiel, dass Cal es nicht so sehr mit dem nassen Element hatte. Seine Schwimmfähigkeit war mit „bleierne Ente“ noch extrem euphemistisch umschrieben und so wunderte es sie nicht, dass der Mann plötzlich wie ein Stein sank. Sie holte tief Luft, tauchte, griff nach der Hand, die er ihr entgegenstreckte, bevor er – mal wieder – komplett erschlaffte. Sie umschlang seine Hand, zog ihn hoch und stellte fest, dass sie mit ihm noch mal über seine Essgewohnheiten reden sollte. Zwar war man im Wasser ein wenig leichter, wenn man sich treiben lies, aber selbst unter diesen Vorzeichen war Cal einfach nur schwer. Mit schnellen, harten Stößen schwamm sie zum Ufer, den bewusstlosen – und somit noch schwereren – Körper im Seemannsfesselschleppgriff auf dem Rücken neben sich herbewegend.



Als sie das Ufer erreicht hatten, überstreckte die hübsche Frau seinen Kopf, um ihm Luft einzugeben, was auch gelang. Ein Husten lies sie erleichtert zu ihrem Freund blicken, der gerade zu sich kam. „Was…“, lallte er und griff dann nach ihr, als sie gegen ihn sank. Das Adrenalin, das sie beflügelt hatte, diese Aktion durchzuführen, hatte sie, verlassen, ebenso die Anspannung und sie fühlte sich einfach nur matt. Sie lächelte ihm zu, als er sie auffing, kuschelte sich an ihn und schaute ihn dann an: „Das nächste Mal nehmen wir den Transporter.“



Im NCIS-Hauptquartier saß gerade Laura McConnaugh und schaute den sie verhörenden Agenten Timothy McGee ein wenig verblüfft an.

„Sie haben die Leiche gefunden?“, fragte er und McConnaugh hatte keine Ahnung, wie sie auf diese Frage reagieren sollte. Sie räusperte sich, schaute dem Agenten in die Augen und sagte wahrheitsgemäß: „Ja, das ist richtig.“

„Können Sie mir genau erzählen, wie sie die Leiche gefunden haben?“

McConnaughs Blick veränderte sich – Tim merkte, das ihr diese Frage sehr nah ging, aber es gab keine Alternative.

„Ich… er war mir den ganzen Tag schon suspekt.“

„Captain Stone?“

„Ja.“

„Was genau meinen Sie mit Suspekt?“

McConnaugh wiegte den Kopf hin und her: „Nun, ich kann es nicht so genau sagen. Er … ach wissen Sie, ich habe jede seiner Schrullen erkannt… es war eigentlich immer das selbe. Nehmen wir an, er hätte schlechte Laune gehabt – dann wäre er kurz angebunden gewesen, extrem launisch und nicht unbedingt freundlich. Je besser seine Laune, desto freundlicher und wärmer wurde sein Lächeln und desto länger wurden seine Sätze. Aber… hier – es war anders. Stone … also der Captain… er kam rein, sprach kurze, knappe Sätze, aber seine Freundlichkeit wirkte nicht aufgesetzt oder so, wissen Sie? Ich… ich weiß auch nicht, es war als… als wäre seine Identität um 180 ° gedreht worden.“

McGee legte den Kopf schief und – er wusste nicht wieso, aber ihm schoss eine Erinnerung durch das Kleinhirn.

„Der Mann heißt Buzz Intrupper. Er ist Wissenschaftler gewesen… Cleveres Kerlchen. Entwickelte so was wie Intelligente Masken.

Woher hatte der Agent diese Erinnerung? Wieso erinnerte er sich an diesen Satz? Er wusste es nicht, aber er hörte danach in seinem Geist eine weitere Erklärung: „Stellt euch eine Karnevalsmaske vor, die mit eurem Kopf verbunden ist. Ihr denkt an ein Gesicht und automatisch verwandelt sich die Maske in das Gesicht, das ihr euch vorgestellt habt. Ihr wollt aussehen wie Michael Wheatherly in ‚Dark Angel’? Kein Problem. Ihr wollt die Lippen von Angelina Jolie haben? Auch kein Thema. Der Geheimdienst hatte ihn … unter Vertrag.“

„Als… ob man die Identität des Captains um 180 ° gedreht hätte?“, wiederholte der Agent und schaute die junge Frau an, die ernst und bestimmt nickte.

„Können Sie das konkretisieren?“, fragte der junge Mann und augenblicklich beugte sich die Frau vor: „Sie… vermutlich halten Sie mich für verrückt, aber… der Captain war zwar freundlich – nach aussen hin – aber es war… irgendwie… irgendwie fühlte sich seine Aura kalt an.“

„Seine Aura?“

McGee hob überrascht die Augenbrauen, runzelte die Stirn und legte den Kopf schief, als die Petty Officer nickte: „Ja…ich… ich habe nie wirklich daran geglaubt, wissen Sie? Meine Mutter, sie… sie hatte das zweite Gesicht und ich habe das Gefühl gehabt, dass …“



„Ich war ein wenig … unterwegs.“, erklärte er, ging an ihr vorbei zu seinem Büro, während sie ein wenig unintelligent dreinblickend in der Tür stand und sich zu ihm umdrehte.

„Sie waren unterwegs, Sir?“, fragte sie verblüfft, „Knappe zwei Stunden waren Sie unterwegs, ohne bescheid zu geben?“

Stone wandte sich ihr zu – milder Spott funkelte in seinen Augen: „Habe ich irgendwo Ihre Ernennung zu meinem Kindermädchen verpasst?“

In diesem Moment merkte McConnaugh, dass sie nicht nur einen, sondern gleich zwei bis drei Schritte zu weit gegangen war, und nicht nur gegangen, sie war diese drei Schritte gesprungen.

„Natürlich nicht, Sir, es tut mir leid. Ich…“, setzte sie an und Stone lächelte nur: „Ist doch kein Thema. Was gibt es Neues für mich?“

„Nun, Sir“, jetzt war McConnaugh in ihrem Element, „Um 13 Uhr sind Sie mit dem SECNAV zum Mittagessen verabredet, 14 Uhr sollen Sie einen Lehrgang an der Academy abhalten und um 15 Uhr…“

„Bin ich hier weg.“, sagte Stone und schaute sie an, „Ich hab heute noch genug Anderes zu tun.“

DAS war wirklich ein Novum. Normalerweise war Thaddeus Stone ein Musterbeispiel an Pedanterie, nahm jeden Termin beim Wort und beim verabredeten Zeitpunkt, blieb länger, wenn die Arbeit liegengeblieben war, nahm jede, noch so kleine, Gelegenheit war, auf Fortbildungen zu gehen… und eben jener Thaddeus Stone stand nun vor ihr und behauptete tatsächlich, dass er noch Anderes zu tun hätte und eben nicht länger bleiben würde, als unbedingt notwendig – schlimmer noch, er ging einfach so.



Im Psychologiekurs an ihrer High School hatte sie gelernt, dass wenn jemand einen solch starken Charakterwandel durchmacht, dass er seine vertrauten Gewohnheitsmuster ablegte und sich Neue zulegte, eine gewisse Krise von dieser Person durchlebt wird - zumindest wäre dies eine Möglichkeit, diesen Wandel zu erklären.

Was mochte Captain Stone auf der Seele liegen, das er sich so verhielt? Gab es zu Hause Streit? Was beschäftigte ihren Boss?

Es war eine Frage, mit der sie sich noch einige Stunden beschäftigte, doch um 15 Uhr, als Stone ging, drehte er sich zu ihr um und lächelte ihr zu: „Wissen Sie was? Machen Sie heute auch eher Feierabend. Der Yard ist auch morgen noch da.“





Die hübsche Frau schaute McGee an: „Haben Sie eine Ahnung, wie merkwürdig sich das anfühlte? Den Boss zu hören, wie er sich so komplett out of character benahm, wie wir Fanfiction-Autoren sagen?“

Tim schaute sie überrascht an.

„Sie schreiben auch?“, entfuhr es ihm und in diesem Moment biss er sich schon wieder auf die Lippen. Es war ja letztendlich die Sache McConnaughs, ob sie schrieb, oder nicht – aber die Vorstellung, dass diese hübsche Frau ebenfalls eine literarische Ader hatte, ließ sie noch interessanter wirken. Dabei tat sie das ohnehin schon. Sie war hübsch. Er würde natürlich niemals so unbesonnen sein, sie einfach so um ein Date zu bitten – dafür war er zu gut erzogen und sie hatte sehr wahrscheinlich anderes zu tun, als sich mit Agenten des NCIS zu verabreden, aber… es war auf jeden Fall eine interessante Sache.

Und als sie ihn anblickte, lächelte und fragte: „Ach, Sie auch?“ war er kurz davor, ihr zu offenbaren, das er – Timothy McGee der Autor Thom E. Gemcity war.

Aber vielleicht mochte sie diese Art der Literatur ja auch nicht.

„Ja.“, sagte er knapp und merkte, wie sein Herz schneller schlug, als ihr Lächeln eine Spur breiter wurde: „Wirklich? Dann könnten wir uns ja mal treffen und Geschichten austauschen? Ich schreibe auf storiesforfree.org – wenn Sie nach „AntoinetteDubois“ suchen, finden sie mich.“

„Moment mal.“, fragte er, merkte, wie er sich elektrisiert fühlte: „Sie sind aber nicht die AntoinetteDubois, die Doctor 11 und Rose Tyler zusammenpairt, oder?“

McConnaugh nickte, ihr Lächeln wurde eine Spur unsicherer und schüchterner, als McGee zu Boden blickte: „Ich… habe auch ein paar Geschichten dort veröffentlicht – und sogar einige von Ihnen kommentiert.“

„Jetzt sagen Sie nicht, dass sie „DracoMalfoymustdie“ sind.“, sagte sie, leise, sanft, rauchig und als McGee den Kopf schüttelte lachte sie leise.

„Wir reden später darüber, wer ich auch storiesforfree.org bin. Zuerst einmal müssen wir uns um Ihre Aussage kümmern.“, erklärte McGee plötzlich und der Gesichtsausdruck von McConnaugh änderte sich.

Sie seufzte und schaute ihn an: „Wie schon gesagt, er benahm sich ein wenig merkwürdig – aber ich hätte nie gedacht, dass ich ihn dann als Leiche wieder sehe.“

Tim nickte ernst, nahm die Aussage zu Protokoll und schaute ihr in die Augen.

„Alain.“, sagte er dann und sie runzelte verwirrt die Stirn: „Bitte?“
„Ich… ich bin Alain. Auf storiesforfree.“





Die Kälte kroch durch ihre Glieder, als sie die Augen öffnete und wieder zu Bewusstsein kam. Ein Blick nach oben überzeuge sie, dass der Himmel über Washington sich gerade in ein wunderschönes Abendrot tauchte. Über ihr waren schon die ersten Sterne zu sehen und sie musste gar nicht lange überlegen, welchen Stern sie da über sich sah.

Anhand der Rektaszension und der Deklination konnte sie errechnen, dass dies nur Bajor sein konnte. Es würde noch hunderte von Jahren dauern, bis die Bajoraner durch die Hölle der cardassianischen Besatzung gingen und Agatha hoffte, dass gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt auf Bajor das geschah, was das Leben schützenswert machte. Ihre Hand glitt über die braunen, leicht wirren Haare des bewusstlosen Mannes neben ihr und sie glaubte sehen zu können, wie er trotz der Bewusstlosigkeit lächelte.

„Cal?“, versuchte sie ihn anzusprechen, ein Versuch, der auf fruchtlosen Boden fiel. Der Mann, ihr Captain, ihr Geliebter, ihr Freund, blieb bewusstlos.

‚Wen wundert es?’, schoss es Agatha durch den Kopf, ‚Wir haben ja gerade einiges durchgemacht.’

Erneut rüttelte sie ihn, dieses Mal machte er ein protestierendes Geräusch, öffnete dann aber müde die Augen und schaute seine XO an: „Was ist?“

„Schatz, meinst Du nicht auch, dass wir hier ein wenig… ich weiß auch nicht… sehr exponiert liegen könnten?“

Cal blinzelte: „Nein, Schatz.“

Die schönen grünen Augen der jungen Frau wirkten plötzlich ein wenig verblüfft: „Du… du weißt, was ‚exponiert’ heißt?“

„Klar. ‚Gut einsehbar’, ‚freiliegend’. Hast Du gedacht, ich sage ‚Hä? Expowat?’. Ich bitte dich, ein bisschen hab ich auch aufgepasst.“, sagte der Captain der Dragonfly und seine braunen Augen funkelten amüsiert: „Aber, du hast natürlich recht. Wie wär es, wenn wir uns ein bisschen mehr ins landesinnere verziehen würden`?“

„Hast Du auch schon eine Idee, wohin?“
„Klar.“, grinste der Captain, „wir besuchen jemanden.“

„Aber nicht Sam, oder?“
„Nein, keine Sorge. Du wirst sie auch mögen. Was hältst Du davon, wenn wir bei TAS Frau aufschlagen?“



Die hübsche Rothaarige riss überrascht die Augen auf.
 
Kapitel 9



Funken sprühten aus der Brust des Mannes.



„Du willst Captain Stones Frau einen Besuch abstatten?“

Die samtweiche Stimme Agatha Silverbirds klang extrem ungläubig. Dann schaute sie den grinsenden Mann an und merkte, wie ihr Herz schneller schlug. Dieses jungenhafte Lächeln war das, was sie an Äußerlichkeiten an ihm liebte.
Als er sich dann zu Wort meldete, sorglos mit den Schultern zuckte und mit einem „Warum nicht?“ die Hände hinter dem Rücken verschränkte, wusste sie, dass es mal wieder eine der Phasen war, die man bei Cal einfach akzeptieren musste. So war er einfach. Zwar war es ein wenig nervig, dass er so sein konnte, aber… sie hatte gelernt, sich damit zu arrangieren. Es gab beim Captain eben die „Ich will mit dem Kopf durch die Wand“-Phase und damit musste sie sich abfinden. Zumal Cal traditionell nicht nur durch eine, sondern gleich durch eine ganze Armada von Wänden brechen wollte. Und wo keine Probleme waren, schaffte es der Captain in der Regel, sich noch mehr zu machen, als eigentlich notwendig.
Aber – nun gut, das war etwas, womit man im Laufe der Jahre gelernt hatte, umzugehen. Also schaute sie ihn an, verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf schief, sodass ihre roten, langen Haare die rechte Schulter kaskadengleich herunterfielen.
„Cal, die Frau hat gerade erst ihren Mann verloren. Ich halte es für keine gute Idee, bei ihr aufzuschlagen.“
„Aber, Schatz, der NCIS wird sie sowieso verhören und da müssen wir vorher vorbeischauen und sie – vorbereiten.“
Die Frau schaute ihn an: „Und was genau hast Du vor?“
„Das wirst Du dann sehen.“, sagte Cal und stockte.
Agatha schaute ihn an: „Darling, was ist los?“
„Ich weiß nicht.“, erwiderte der Captain, „Ich habe nur das Gefühl, das ich beobachtet werde.“
„Du spinnst.“, sagte sie und legte ihm die Hand auf die Schulter, „Wer sollte uns hier beobachten?“
„Naja, jeder der zwei gesunde Augen sein Eigen nennt und unseren Köpper vom 10-Kilometer-Brett in einer Rettungskapsel beobachtet hat.“, grinste der Captain schief und schaute sich um. Die grünen Augen seiner Freundin widmeten sich ebenfalls kurz dem Terrain, dann fokussierte sie sich wieder auf ihn und er fühlte sich wie von ihr hypnotisiert.
„Sch… Schatz, du machst mich unsicher. Könntest Du bitte wo anders hingucken?“
Agatha grinste. Was keiner von beiden ahnen konnte, war, dass der Captain Recht hatte. Von dem anderen Ufer des Anacostia Rivers, genauer gesagt aus Sektion C aus, wurden Captain und XO tatsächlich beobachtet. Dort kniete, mit seinem Scharfschützengewehr im Anschlag und Blick durch das Zielfernrohr, Ari Haswari.



Private First Class Riker sah die hübsche Frau ein wenig verdattert an, ehe er einen Schritt zur Seite trat. „Bitte, bitte“, sagte er und versuchte, seine Gestalt ein wenig imposanter zu machen. Ziva seufzte. Eigentlich passierte ihr das recht häufig, dass die Männer versuchten, in ihrer Umgebung ein wenig interessanter zu wirken, als sie es eigentlich waren. So auch hier und es wunderte sie nicht. Irgendwie waren Männer recht einfache Geschöpfe. Da brauchte man nur mal zu blinzeln oder nur mal an der richtigen Stelle die Stimme ein wenig rauchig werden zu lassen – schon war es um den armen Kerl geschehen. Und da sagte man, Frauen wären das schwache Geschlecht. Guter Witz.

Als sie Riker ansah, glaubte sie sofort, alles über ihn zu wissen. Das Gesicht so, wie man es für normalerweise als recht ansehnlich erachtete, die Augen eisblau, der Körperbau muskulös – es würde sie nicht wundern, wenn er nicht auch im College dieses Ballspiel gespielt hätte, nachdem man hierzulande so verrückt war. Wie hieß es gleich? Baseball? Oder war es doch eher Rugby? Nein – Rugby hieß es hier nicht. Hier nannte man es Football.
Vermutlich war der Mann, der vor ihr stand der geborene – wie hieß es gleich? Halfback? Thirdback?
Nein, sie würde ihren Partner, Tony, nicht fragen – nicht nachdem er sie heute schon ein paar Mal versucht hatte, auf den Arm zu nehmen. Aber es hatte sie eigentlich gar nicht großartig verblüfft – schließlich hätte sie von Tony nichts Anderes erwarten können.
Sie hätte ihm nie erzählen dürfen, was ihr Verdacht war – und ausserdem gab es keine Außerirdischen. Nichtsdestotrotz – der Gedanke, dass es so etwas wie Außerirdische gäbe, der Gedanke, dass diese Wesen existierten… das war unheimlich.



Es war unheimlich, wie sich Ziva in den letzten Stunden verhielt. Tony hatte, schon als sie bei PFC Riker geklopft hatte, festgestellt, dass sie absolut nicht bei der Sache war. Das hatte doch wohl nichts mit der kleinen Neckerei zu tun, die er sich mit ihr erlaubt hatte – denn das hatte sie ihm ja auf Dollar und Cent zurückgezahlt. Zugegeben: Das Sprichwort hieß „Ich zahle es Dir auf Heller und Pfennig zurück.“.
Dieses Sprichwort hatte Tony vor knapp vier Jahren gehört, als er auf der Sicherheitskonferenz in Düsseldorf / Deutschland weilte. Da hatte er drei Freunde beobachtet, die sich unterhalten hatten. Einer von ihnen, ein knapp 24-jähriger Mann hatte sich ein paar Euro geliehen und gesagt: „Anna, das zahle ich dir auf Euro und Cent zurück.“
‚Anna’, eine hübsche Blonde, hatte die Augen gerollt und der dritte, ein Mann von knapp 2 Metern hatte gelacht: „Peter, das heißt ‚Auf Heller und Pfennig zurückzahlen’!“
„Ja“, hatte der Angesprochene gegrinst, „Aber wo zahlt man heute noch in Heller und Pfennig?“
Die Szenerie mit der Alien-Invasion im NCIS-Hauptquartier, das war ein gelungener Streich. Und warum Ziva sich nun so verhielt, verstand er nicht.
Doch der Fakt, dass dieser Typ, PFC Riker Ziva so eindeutig ansah, ließ seinen Blutdruck kochen. Eingebildeter Affe. Hatte er keine Freundin, musste er sich ausgerechnet seine…
Tony schüttelte den Kopf. Das war doch albern, was ihm da gerade durch den Kopf ging. Klar – er empfand Ziva nicht nur als süß, sondern auch als ziemlich sexy, aber er würde es sich niemals einbilden so deutlich mit ihr darüber zu reden. Warum nicht? Ganz einfach – sie würde es, ohne mit der Wimper zu zucken, gegen ihn einsetzen, genau so wie sie seinen Alien-Scherz gegen ihn eingesetzt hatte. Nein, nein, so fing er mal gar nicht erst an.
Stattdessen beschränkte er sich darauf, dem PFC einen bitterbösen Blick zuzuwerfen und, in seiner bekannten, ihm sehr eigenen Art, das Gespräch an sich zu ziehen.



Grau.
Die Augen der Frau waren tatsächlich grau – oder zumindest blau, mit einer Spur ins Gräuliche. Offenbar war heute ihr legerer Tag, denn als Tony an der Wohnungstür von PFC Troi geklopft hatte, stand ihm ein blonder, fleischgewordener Männertraum gegenüber, der in ziemlich wenig die Tür aufmachte. Die Bauchmuskeln waren durch das verschwitzte Tank-Top deutlich zu erkennen. Lächelnd betrachtete Tony die Kurven der Frau, ehe er sich direkt an sie wandte. „Sie sehen nicht wie ein Matthew aus.“, sagte er und schaute die Frau an, die sanft lachte und den Kopf schüttelte. „Nein, ich bin Diana Troi – Matthew ist mein Mann. Was wollen Sie von ihm?“
Damit ließ Tony die ID-Marke aufschnappen und Diana holte erschrocken Luft.
„NCIS?“, fragte sie und schaute den Italiener aus grauen Augen sorgenvoll an: „Ist… ist meinem Mann etwas zugestoßen?“

Sowohl das Gespräch mit Riker, als auch das mit Troi, das eine vorher, das andere nachher geführt, war nicht sonderlich ergiebig. Beide konnten sich nicht erinnern je den Bastardhänder gesehen zu haben, mit dem Stone umgebracht worden war, beide wussten nicht, warum man ihnen, oder Turner etwas anhängen wollte, kurz – man war nicht klüger als vorher. Irgendwie nervte es Tony allerdings nicht so sehr, wie er gedacht hatte, dass es ihn nerven würde. Warum eigentlich nicht?
Sollte es tatsächlich an seiner Begleitung, der atemberaubenden Ziva David, liegen? Nein, das… wenn er sich überlegte, dass sie vor ein paar Monaten noch mit Ray zusammengewesen war… er konnte bei ihr keine Wunden aufreißen. Das schickte sich einfach nicht. So gern er sich … er spürte, wie ihre Nähe ihn angenehm beeinflusste und wollte sich dem hingeben, aber er erachtete es wegen der aktuellen Situation als einfach nicht schicklich. Und wenn er wollte, konnte er tatsächlich so was wie ein Gentleman sein.


Wenn er wollte, und sich die Situation anbot, konnte Leroy Jethro Gibbs ein Gentleman sein. Bei einer Situation, die sich wie folgt darstellte, war er es gerne. Ein Boot, offene See, eine hübsche Frau mit langen, roten Haaren – da war er versucht, den Gentleman zu geben, der er als Navy-Offizier sowieso war. Doch die Situation war anders gelagert. Er war in einem Verhörraum, ihm gegenüber saß ein Mann und er versuchte, einen Mord aufzuklären. Also gab Gibbs dem zweiten B in seinem Namen, das, wie er selbst gerne sagte, vom Begriff „Bastard“ kam, die Gelegenheit, sich zu entfalten.
„Reden Sie!“, zischte er zu dem inzwischen ein wenig verunsichert dreinblickenden PFC William Turner. Noch vor ein paar Minuten war der Mann extrem selbstsicher gewesen und hatte Tony angegriffen – das war auch schon mal ein Grund, weswegen Gibbs seinem inneren Bastard Freilauf gönnen wollte.

Ein weiterer Grund war der Fakt, dass er dem Direktor Resultate liefern musste – Resultate liefern wollte. Auf dem Navy Yard – beziehungsweise in der Nähe – hatte es einen Mord gegeben, das konnte er nicht auf sich sitzen lassen.
Auch wenn er wusste, dass er nicht Superman, nicht Allmächtig war und nicht überall gleichzeitig sein konnte, hatte er das Gefühl, versagt zu haben.
‚Verdammt’, schoss es dem Grauhaarigen durch den Kopf, als Turner ihn verunsichert anblickte: ‚Ich muss ihn versuchen, zu kriegen.’
Und um dieses Ziel zu erreichen zog der Mann in dem grauen Sakko wirklich alle Register. Die grauen Augen fixierten Turner, ehe Gibbs die Stimme erneut erhob, auf die Fotos von Stone deutend: „Dieser Mann ist in direkter Umgebung des Navy Yard ermordet worden. Meine Forensikerin sagt, an der Tatwaffe sind Ihre Fingerabdrücke. Nun reden sie, wie kommen die da hin?“
Turner stockte, schaute auf die Fotos der Leiche und schluckte dann.
„Ich… weiß es nicht.“, sagte er dann und suchte den direkten Blickkontakt der Ermittlerlegende. Als die eisblauen Augen Gibbs seinen Blick trafen, erkannte er, dass der Andere die Wahrheit sagte.

William Turner hatte tatsächlich keine Ahnung, wie genau Captain Stone ermordet wurde. Also konnte es nur einer der beiden anderen gewesen sein.
„Kennen Sie die PFCs Riker und Troi?“, fragte Gibbs daher und Turner nickte.
„Wir… Rikers Frau und unsere beiden Freundinnen trainieren zusammen. Wir haben uns mal zum Grillen getroffen… so’n Zeug halt.“
„Und warum denkt dann jemand, dass Sie der ideale Sündenbock für den Mord an Stone wären?“
Turner schwieg, schaute zu der Kamera, versuchte, sich darauf zu konzentrieren, nichts zu sagen.
„Turner.“, sagte Gibbs plötzlich, mit einem Tonfall, der dem PFC nicht geheuer war, „Marines lügen nicht.“
Der Mann schluckte, schaute zu Gibbs und beugte sich dann vor.
„Wir… Wir sind mit dem Wagen rumgefahren – haben den dicken Mann markiert. Dabei is’ dann was passiert. Wir haben ne Dummheit gemacht. Kleinen Unfall – nichts schlimmes, wir sind Stone hinten auf den Wagen draufgefahren. Kleiner Sachschaden, aber…“
Turner brach ab, kurz könnte man meinen, dass etwas wie innere Zerrissenheit von ihm Besitz ergriff, ehe er tief Luft holte und offenbar beschloss, mit der Sprache herauszurücken.
„Stone“, setzte er an und sprach dann schneller, „Stone war… er war angepisst. Ich verstehe schon, weswegen, aber er musste es übertreiben. Er war ein Schleifer – hat uns richtig hart rangenommen, wenn Sie mich verstehen.“
Gibbs schaute ihn ausdruckslos an, nickte dann und sagte, in ebensolchem ausdruckslosen Tonfall: „Und da dachten Sie, sie machen ihn mal einen Kopf kürzer.“
„NEIN!“, sagte Turner eine Spur lauter, als es notwendig gewesen wäre, „wir … wir haben nichts …“
Nun wurde der Mann leiser und blickte zu Boden: „Wir … ich … wir haben nichts getan. Ehrlich nich’.“
„Marines lügen nicht.“, sagte Gibbs noch mal und Turners Kopf ruckte hoch: „Das ist keine Lüge.“



„Und was sagst Du zu der Sache?“, fragte der Italiener seine hübsche Begleitung, die nachdenklich den Kopf schief legte, „Ich weiß nicht. Die Indizien sprechen gegen sie und es wäre nicht das erste Mal, dass jemand uns eiskalt angelogen hätte, aber aus irgendeinem Grund glaube ich ihnen.“
Tony war verblüfft: „Wie kommst Du darauf, Zivaaa?“
Erneut ließ er dieses langgezogene A erklingen, dass sie so hasste und an dem frechen Grinsen, das seinen Mund umspielte, ließ sie ahnen, dass er es liebte, sie zu necken.
Sie warf ihm aus ihren dunklen Augen einen wütenden Blick zu, ehe sie beschloss, die Sache zu übergehen.
„Die beiden wirkten ehrlich.“, sagte sie, ging einen Schritt schneller, sodass er nur noch ihre langen, lockigen Haare sehen konnte. Das hatte den weiteren, unschätzbaren Vorteil, dass er nicht sah, dass auch sie lächeln musste.

Eigentlich fand sie ihn ja auch nett und anziehend, aber sie würde nie sagen, dass dem so war. Schließlich hatte sie schon einmal den Fehler gemacht, ihm zu sagen, was sie bewegte und was war das Resultat gewesen? Er hatte sie vor Abby versucht, lächerlich zu machen.
„Oh, Zivaa, du wirst empathisch?“, fragte der Italiener und sie stoppte: „Was heißt hier ‚du wirst’?“
Damit trat sie näher an ihn heran, schaute zu ihm hoch und sagte: „Du magst mich für eine kaltherzige Attentäterin halten, aber ich weiß, wie Menschen kicken.“
„Ticken, Ziva. Nicht kicken. Das ist was Anderes.“, verbesserte Tony sie und die hübsche Frau rollte genervt mit den Augen. „Wie oft…“, setzte sie an, beschloss dann aber, die Frage nicht zuende zu stellen. Sie wusste ohne hin, wie er antworten würde.
Allein schon dieses freche Grinsen, das er gerade auf den Lippen hatte, konnte sie schon wieder in Wut versetzen. Dann küsste er sie.

Was hatte ihn nur bewogen, zu tun, was er gerade tat?
Das fragte sich Agatha Silverbird in dem Moment, in dem der Mann, dem sie gefolgt war, ihr Captain, ihr Kommandant, dieses große Gebäude betreten hatte.
Die XO war verwirrt. Gerade hatte der Captain ihr das Kommunikationsgerät abgenommen, sich selbst ebenfalls des Dings befreit und beide in den Anacostia-River geworfen.
Dann war er losmarschiert.
Sie waren gerade dem Verlauf einer Straße, die ein Schild als New Jersey Avenue SE auswies, gefolgt. Sie mussten dieser Straße – laut ihrem in den Tricorder eingebauten Navigationsgerät – ein paar Kilometer folgen, bis sie in eine weitere Straße abbiegen mussten, um nach ein paar weiteren Kilometern bei Captain Stones Frau auf der Matte zu stehen.
Offenbar war dieser Weg dem Captain zu weit, denn Cal wandte sich plötzlich nach links und sagte zu ihr: „Hast Du Durst?“
Dann betrat er das große Geschäft, das Agatha im ersten Moment nicht als das erkannte, als was ihr Tricorder es auswies. Eine Kaffeerösterei.



Seufzend folgte die rothaarige XO ihrem Kommandanten und hatte ihn an der Theke eingeholt. „Was tust Du hier eigentlich?“
Die Stimme einer jungen Blonden in einem adrett-wirkenden Outfit unterbrach die Unterhaltung, bevor sie angefangen hatte: „Bitte sehr, ihre weiße Schokolade mit Sahne.“
Damit stellte sie dem Captain einen durchsichtigen Plastikbecher mit einer milchig-weiß-gelben Flüssigkeit auf den Tresen, ehe sie sich an Agatha wandte: „Und was kann ich Ihnen bringen?“
Die Rothaarige blinzelte verblüfft, öffnete den Mund und wollte etwas sagen, als der Captain ihr dazwischen fuhr: „Sie nimmt einen Kaffee mocca ohne Sahne, mit Milch und Zucker.“
Damit war das Gespräch abgehakt, Cal griff sie bei der Hand und zog sie – nicht so stark, dass es unangenehm wäre, aber stark genug, um sie zu verblüffen – zu einem Sitzplatz, von dem er die Straße im Blick hatte.
Nun war es offiziell: Der Captain verhielt sich paranoid.
So kannte sie ihn gar nicht.
„Was ist los mit dir?“, fragte sie ihn leise. Cal legte beide Hände auf um den Plastikbecher, beugte sich vor und senkte seine Stimme ebenfalls, sodass sie einen verschwörerischen Klang bekam.

„Ist es dir nicht aufgefallen?“, fragte der Kommandant der Dragonfly und Agatha runzelte fragend die Stirn: „Was?“
„Das etwas nich stimmt?“
„Wie bitte?“, fragte die hübsche erste Offizierin. Den Becher abstellend blickte Cal zuerst nach links, dann nach rechts, ehe er sich weiter vorbeugte und ihr schnell einen Kuss stahl.

„Ich weiß, du hältst mich vor bescheuert.“, sagte er dann und verfiel wieder ins Raunen: „Aber – was meinst Du, wie Traceless von der Dragonfly geflohen ist? Ich vermute, er hatte einen Helfer.“
„Ach, erzähl keinen Blödsinn. Das sind deine besten Freunde, wer sollte da auf Tracys Gehaltsliste stehen?“, zischte Agatha ihm zu und zuckte zusammen, als man ihr einen weißen Pappbecher auf den Tisch stellte. Erschrocken legte sie sich die linke Hand auf die Brust und schaute die Kellnerin an. Neben ihr brach Cal in ein leises Lachen aus, das stoppte, als sie ihn böse ansah. Dann sagte der Kommandant: „Tschuldige Schatz, aber… seit wann bist Du so schreckhaft?“
„Und seit wann bist Du so paranoid?“, gab sie zurück.
Das saß.
Der Captain lehnte sich zurück und dachte über ihre Worte nach.



Er wusste nicht, was diese Leute gegen sein neues Opfer hatten, er wusste nur, dass er einen Auftrag erhalten hatte und diesen erledigen musste. Danach konnte er sich an Gibbs und seinem Team rächen – inklusive Ziva, die ihn verraten hatte. Warum diese Person auf der Abschussliste seiner Auftraggeber stand, war ihm unverständlich, aber Auftrag war Auftrag.
Ari Haswari konzentrierte sich wieder auf die Stirnpartie seines Ziels, spähte durch das Zielfernrohr und war sich sicher, nicht einmal einen Laserpointer zu benötigen, um es zu treffen. Sein Finger krümmte sich um den Abzug.



„Ich bringe Sie zur Tür, Miss McConnaugh.“, sagte der Mann und Laura lächelte sanft: „Ich heiße Laura.“
Er antwortete, in dem er ebenfalls freundlich, sanft und offen lächelte: „Tim.“
McGee war sich, aus irgendeinem Grund, sicher, dass die Theorie, die man gerne „Cherchez la Femme“, also „sucht die Frau“ nannte, in diesem Fall nicht zutraf. Darauf wiesen verschiedene Zeichen hin – wenn man zum Beispiel beachtete, dass in ihren Augen ehrliches Bedauern über den Tod von Captain Stone zu lesen war, konnte er sich einfach nicht vorstellen, dass sie den stabilen Bastardhänder genommen und ihn Stone in den Rücken gerammt hätte. Nein – sie konnte diese Tat nicht begangen haben.
Als sie den Verhörraum verließen und durch den engen, orange-farbenen Korridor gingen, schaute er zu ihr und lächelte sie an: „Also – Sie schreiben diese verrückten Doktor-Who-Fanfictions, in denen Nummer 11 mit Rose anbandelt?“
„Ich finde, die beiden passen perfekt zu einander. Sie hatte sich ja schon in 10 verliebt.“
„Ja“, setzte McGee das Fachsimpeln an, als sie gerade den Bullpen betraten, „Aber Rose hat doch den Meta-Crisis-Doktor bekommen.“
„Aber das ist doch kein richtiger Timelord.“, widersprach McConnaugh und merkte, wie sie sich in McGees Nähe entspannte, als dieser plötzlich stehen blieb und mit einem verdutzten Gesichtsausdruck in ihre Richtung starrte.
„Was ist?“, fragte sie – doch als sie die Frage gestellt hatte, spürte sie, dass er nicht sie anstarrte, sondern an ihr vorbei.
Sie drehte sich um und ihr Blick fand ein angeschaltetes Computer-Terminal.
„Ich hatte ihn ausgeschaltet.“, erklärte der Bundesbeamte und ging auf den Bildschirm zu, nur um verwundert die Augenbrauen zu heben.
Als Laura neben ihn trat und ihm die Hand auf die Schulter legte, drehte er sich um, starrte sie kurz unverwandt an, taumelte einen Schritt nach hinten und schaute sie dann erneut an: „Ich… Du musst mich kurz entschuldigen. Ich… ich muss zu Gibbs.“
Damit rannte er in Richtung der Verhörräume.
McConnaugh drehte sich um, schaute ihm verblüfft hinterher, hörte ein Geräusch und sah Blitze.



„Boss?“, unterbrach McGee den Gedankengang des grauhaarigen Mannes, als er in den Verhörraum kam. Gibbs schlug wütend auf den Tisch, stand auf und starrte seinem Gegenüber mit kaltem Blick in die Augen: „Regel 22, McGee?“
Der Junior-Field-Agent stoppte, überlegte kurz und rezitierte: „Störe Gibbs niemals während eines Verhörs.“
Und in vorauseilendem Gehorsam schlug er sich selbst mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.
„’Tschuldige, Boss.“
„Gibt es sonst noch was, McGee?“, fragte der leitende Ermittler in seinem ihm typischen Sprachduktus – inklusive der kleinen Atempause, bevor er jemanden anredete. Sie war nicht lang – maximal eine Millisekunde, wenn es überhaupt messbar war, aber, wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte, wusste man, das es da war. Wie man eigentlich immer, bei Sachen, von denen man selbst wusste, dass sie da waren, nur wusste, dass sie da waren, wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte.
„Ja.“, setzte der jüngere Agent an und räusperte sich: „Ich… ich habe eine Nachricht auf meinem Rechner gefunden, die mich stutzig machte.“
„Nachricht?“, echote Gibbs und schaute zu McGee herüber, der nickte und hinter sich deutete: „Ich bin mit Laura… also… Petty Officer McConnaugh zum… also ich wollte sie zum Aufzug bringen. Da fiel mir auf, dass mein Computer noch angeschaltet war – dabei hatte ich ihn ausgeschaltet. Und auf dem Monitor stand eine merkwürdige Nachricht. Ich las sie und… erinnerst Du dich an… seltsame Ereignisse?“
Die Ermittlerlegende stockte kurz und schaute den jungen Mann an. Dann schüttelte er den Kopf und ging zur Tür des Verhörraumes.



Als Gibbs und McGee den Bullpen betraten, staunte der jüngere Ermittler nicht schlecht.
Laura war verschwunden.
Verblüfft blickte er sich um, sein Mund stand für einige Sekunden offen, ehe er ihn schloss, tief Luft holte und dann zu seinem Chef blickte.
„Ähm, Boss, sie … sie war bis gerade eben noch hier.“
„Und sie ist es immer noch.“, sagte Gibbs, was ihm einen verblüfften Seitenblick von McGee eintrug.
Mit geschultem Blick deutete die Ermittlerlegende auf den Boden vor dem Computer.
Die Flüssigkeit, die er dort sah, die dort den Teppich tränkte, erkannte er im Schlaf.


Blut.
McGee hatte, dass sah der leitende Chefermittler, die Blutspur ebenfalls gesehen, sein Blick folgte der Spur bis zu dem Raumteiler, hinter den er nicht blicken konnte.
Vorsichtig schritt der junge Agent näher, als das Licht ausfiel.
„Verdammt.“, fluchte McGee, trat näher an den Computer heran, las die Zeilen, die auf dem Monitor erschienen waren, erneut. Wie aus weiter Ferne nahm er den Rest war – da war dieser rote Punkt, der an seinem Körper hochwanderte, bis er auf Höhe seines Herzens war. In dem Moment, in dem er verstanden hatte, was los war, hörte er ein raues „Vorsicht“ und spürte einen heftigen Schlag, der ihn zu Boden gehen ließ.
Sein Kopf kollidierte mit der Abtrennung zwischen dem Bullpen, an dem er gestanden hatte, und seinem eigenen und während er fiel, sah er in die leeren, toten Augen McConnaughs.
‚Verdammt’, schoss es ihm durch den Kopf und vor seinem inneren Auge blitze die Nachricht auf, die auf dem Monitor gestanden hatte.



Tony, Ziva, McGee, Gibbs,
reicht euch das Versteckspielen?
Als amüsant erachte ich es immer noch.
Cal versucht euch zu helfen. Putzig.
Er – der nicht mal in der
Lage ist, sein Raumschiff fehlerfrei zu kommandieren.
Er sollte sich vorsehen – da haben
Schon ganz Andere versucht, mich zu fassen.
Sie sind gestorben.
Dann schlug er auf und absolute Dunkelheit umfing ihn.

Gibbs sah den roten Punkt in dem Moment, in dem sich Tim über den Monitor gebeugt hatte und brauchte zwei, drei Millisekunden um zu realisieren, was da gerade geschehen war.
Verdammt, offenbar wurde er alt – früher hätte er nur Nanosekunden gebraucht. Aber es war deutlich zu erkennen, was dort passierte – jemand zielte mit einem Scharfschützengewehr auf seinen Untergebenen.
Schnell warf er sich vor McGee, verpasste ihm einen Stoß und spürte in dem Moment den Stich in die Schulter. Man musste kein Genie sein, um herauszufinden, was da passiert war. Die Kugel, die eigentlich für McGee bestimmt worden war, hatte ihn getroffen.



„Entschuldige, Jethro.“, lächelte der Mann am anderen Ende des Gewehres und stand auf.
Eine gewisse Enttäuschung ergriff von ihm Besitz, denn eigentlich hatte er es sich vorgenommen, Gibbs, den Bastard, erst zum Schluss zu töten.
Aber – gut – auch wenn er eigentlich Perfektionist war, musste man ein paar Kompromisse eingehen. Und warum auch nicht? Die Reihenfolge, in der er seine Beute tötete, war eigentlich egal – nur… er wollte seine Halbschwester ebenso tot sehen. Sie hatte sich mit dem Feind verbündet.
Ari Haswari legte das Gewehr weg, steckte es in die Sporttasche und verließ den Anacostia Park.
 
Cal ließ den Schluck kalter weißer Schokolade durch seine Kehle rinnen und seufzte genüsslich.
„Schatz“, sagte er und seine braunen Augen funkelten lebhaft, „Die in diesem Shop wissen, wie man kalte, weiße Schoki macht. Da kann unser Replikator nicht gegen angehen.“
Er lächelte, lehnte sich zurück und schaute seine Freundin an. Draußen war es dunkel geworden, Regen setzte ein und die Beleuchtung im Shop bestand aus etlichen kleinen LEDs, die angenehm, neutrales Licht erzeugten.
„Lenk nicht vom Thema ab, Liebling.“, grinste Agatha und nahm einen Schluck Kaffee, „Wie kommst Du darauf, dass Traceless einen Kontakt auf der Dragonfly hat?“
„Nicht nur einen, Schatz, da bin ich sicher, nicht nur einen.“
„Aber wie kommst du darauf?“
Der Captain trank erneut einen Schluck, machte einen genießerischen Laut und rollte mit den Augen. „Diese weiße Schokolade…“

„Cal!“, schnitt ihm Agatha das Wort ab – sie spürte, wie die Wut in ihr zu kochen begann: „Du beschuldigst einige deiner besten Freunde, denen Du sonst, ohne jegliches Zögern dein Leben in die Hände legen würdest, Dich zu verraten und gemeinsame Sache mit Traceless zu machen. Da hab ich vier einfache Worte, die ich von dir Hören will: Wie kommst Du darauf?“
Vielleicht war es nur die Beleuchtung, vielleicht waren es wirklich nur diese farbtemperaturneutral-weißen LEDs, auf die man in dieser Zeitperiode so versessen war, das man die Glühlampe verbot, um sie zuerst durch quecksilberhaltige Leuchtmittel zu ersetzen und anschließend mit LED-Lampen aus dem Gebüsch zu kommen, aber – der Captain wirkte plötzlich um etliche Nuancen bleicher.
„Ich“, setzte er an und schaute seiner Freundin in die Augen.
Agatha merkte instinktiv, dass er die Wahrheit sagte – seine Augen waren mit einem Schleier von Tränen benetzt. Kurs schloss er die Augenlider und sofort rannen Tränen seine Wangen herunter.
Von einer Sekunde zur anderen fühlte Agatha sich Elend. Offenbar hatte ihr Freund selbst ein schlechtes Gewissen, seinen Kolleginnen und Kollegen zu misstrauen, und sie rieb noch Salz in die Wunde.
„Hey“, machte sie aufmunternd, strich sanft mit ihrer linken Hand über seine Wange und schaute ihn sanft lächelnd an: „Hey, Schatz, es ist alles in Ordnung. Du kannst mit mir reden.“

Die braunen Augen ihres Captain schauten sie plötzlich ganz ernst an – das normalerweise vorhandene, leicht amüsierte Flackern, das eigentlich immer da war, und auch sonst normalerweise allerhöchstens heruntergedimmt war, war aus seinen Augen verschwunden.
„Ich habe … Korrespondenzwechsel gesehen.“, sagte er und Agatha legte den Kopf schief: „Ja, und?“
„Jemand hat mit jemandem auf der Dragonfly gesprochen. Und dieser jemand war Traceless.“
Erneut runzelte Agatha die Stirn: „Und wie kommst Du darauf?“

„Nenn es ein Gefühl. Ich weiß, wenn ich Briefe von Tracy-Boy lese.“
„Und hast Du auch den entsprechenden Empfänger?“
Cal schüttelte den Kopf: „Wenn ich ihn hätte, glaubst Du im ernst, ich würde hier unten rumturnen? Da würde ich doch oben, auf der Draggy, die große Actionheldennummer abziehen, da wäre John McLane doch ein Waisenknabe gegen mich.“
Sie grinste: „Zumindest solange, bis du in die falsche Tür reinstürmst, und von einem unserer weiblichen Crewmitglieder für einen Spanner gehalten und dann verprügelt wirst.“
„Hey“, machte der Captain, „das ist bisher einmal vorgekommen.“
„Drei mal.“, korrigierte sie ihn, „Du bist auch mal bei mir reingeplatzt, als ich in Unterwäsche dastand.“
„Sicher, dass das ein Unfall war?“, fragte er mit einem hintergründigen Grinsen und trank einen Schluck weiße Schokolade. Und gerade als Agatha ihm die entsprechende Antwort geben wollte, ertönte ein lauter Knall.



Zusammenzuckend stieß der wackere Captain gegen seinen Becher mit weißer Schokolade, die sich über den Tisch ergoss.
„Frak!“, fluchte er. Dies brachte seine XO dazu, lauthals und hell zu lachen.
Voller Verblüffung schaute der Captain zu Agatha herüber, die, immer noch grinsend, sagte: „Cal, mein Schatz? Das ist lediglich ein Gewitter.“
Die Flecken von seiner Hose wischend, schaute der Offizier zum Fenster, an dem, von jetzt auf gleich, ein Wolkenbruch herniederging.



Der Regen fiel mit der donnernden Wucht eines Wasserfalls auf die Stadt nieder. Von jetzt auf gleich und so brilliant getimed, als hätte ein Regisseur genau diesen Moment ausgewählt, um sie beide auf die Knochen zu durchnässen.
Wie gut, dass es nur noch ein paar Meter waren, die Ziva und Tony zurückzulegen hatten und ausserdem, wenn er bedachte, das sie ihn zwar anfangs ein wenig merkwürdig angeschaut hatte, er es dann doch geschafft hatte, ihr Pflichtbewusstsein soweit zu mindern, dass sie, statt ins Hauptquartier zu fahren, kurz davor waren, bei ihm in der Wohnung zu landen… es war diesen Preis wert.
Ziva lächelte mit der Wildheit einer Raubkatze zu Tony herüber, griff ihn und zog ihn ganz dicht an sich, um ihn erneut zu küssen.
Mit der linken Hand fingerte der italienisch-stämmige Mitarbeiter des NCIS nach dem Wohnungsschlüssel, während er die hübsche Israelin mit seinem Körper zwischen Haustür und sich selbst festklemmte.
Sie konnte seine Erregung spüren, die von Minute zu Minute zunahm, während er immer noch – ein wenig ungeschickt wirkend – versuchte, den richtigen Schlüssel ausfindig zu machen.
„Nicht so ungeduldig.“, sagte sie mit einer sanften, rauchigen Stimme, „Niemand hetzt uns.“

‚Niemand, ausser Gibbs, der vermutlich in genau diesem Moment mit unserem Bericht rechnet.’, schoss es DiNozzo durch den Kopf, just zu dem Zeitpunkt, als er den richtigen Schlüssel erwischt hatte.
‚Bitte, lass mich vergessen, dass wir eigentlich jetzt zu Gibbs müssten.’, sandte er ein Stoßgebet gen Himmel, als sich Zivas Zunge mit der seinigen ein leidenschaftliches Duell lieferte und – als ob seine Gebete erhört würden – hatte er, in dem Moment, als er den Schlüssel ins Schloss steckte tatsächlich allen Diensteifer vergessen.



Wie trunken taumelten die beiden NCIS-Agenten die Treppe zu Zivas Appartement hoch und öffneten die Tür. Die Wohnungseinrichtung ließ gewisse Rückschlüsse auf Zivas Lebensweise zu. Besonders fiel Tony die Präsenz von Bildern auf, was ihn ein wenig überraschte. Fotos von Rivkin, Fotos von Ray, Fotos ihres Vaters – für jemanden, der wusste, dass man seine Lieben dadurch leichter ausfindig machen konnte, ging sie beinahe schon leichtfertig mit diesen Bildern um. Nicht, dass sie sie schlampig behandeln würde – im Gegenteil, sie waren in feinsten Kristallschliffglasbilderrahmen für die Ewigkeit aufbewahrt, oder zumindest solange bis Sonneneinstrahlung und Verfall des Fotopapiers aus dem knackenscharfen Bild ein gelbstichiges Etwas gemacht haben würden - aber der Fakt, dass sie diese Bilder so offen zeigte, verrieten, dass sie diesem neuen Appartement eine Identität geben wollte. Diese neue Wohnung sollte aussagen: „Hier wohnt Ziva David, Tochter von Eli David, Mossad- und NCIS-Agentin.“. Nach Tonys kurzem Blick auf die Inneneinrichtung gelang ihr dies absolut. Dann hatte sie ihn wieder gepackt, ihm einen Kuss auf den Mund gedrückt, der ihm den Atem raubte und ihn ins Schlafzimmer dirigiert.



Der Mann mit der Sporttasche – Ari Haswari – schlenderte durch die Straßen Washington D.Cs. Die rotverklinkerten Bauten, die er passierte, interessierten ihn nicht sonderlich, zumal seine Laune sowieso nicht die Beste war. Ja, er hatte Gibbs erschossen, ja, er hatte damit seine Rache bekommen, aber – was nun? Ein Blick in eine Zeitung, die ein Passant vor ihm in den Papierkorb geworfen hatte, hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.

27. September 2011? Das konnte nicht stimmen. Er hatte doch allerhöchstens eine Stunde geschlafen, nachdem man ihn von seinem ersten Anschlag auf Gibbs Leben weggeholt hatte. Gut – er wollte ehrlich sein, zumindest sich selbst gegenüber. Wenn man schon nicht zugeben konnte, dass man Kate Todd liebte und sie nur deshalb getötet hatte, damit sie nicht mitbekam, wie ihre Freunde litten und gequält worden wären, dann musste man wenigstens sich selbst gegenüber eingestehen, dass es durchaus eventuell möglich sein könnte, dass die Drogen, die man ihm injiziert hatte, so stark gewesen waren, dass sie ihn einen kompletten Tag ausser Gefecht hätten setzen können. Aber – Jahre?!

Er hätte ja beinahe fünf Jahre schlafen müssen, um …

Nun stockte er, als er einen weiteren Blick in die Zeitung warf. Was war denn da los? Wirtschaftskrise? Die USA und Europa waren beinahe pleite?



Nun kam zu der schlechten Laune auch noch Verwirrung: In was für einer Zeit war er gelandet? Unterbewusst hörte er ein protestierendes „HEY!“, dann ein „Fick dich doch, Omma!“ und ein „AU! Verdammt, Du Wichser, das tut weh!“ ehe er mitbekam, was passiert war. Direkt neben ihm hatte ein junger Vertreter der „ich trage meine Hose knapp unter den Kniekehlen“-Generation einer älteren Frau die Handtasche entreißen wollen. Vollkommen geistesungegenwärtig hatte Ari diesem Kind eine Ohrfeige verpasst, worauf hin die ältere Dame dem Kind die Handtasche wieder abnehmen konnte.

„Danke, junger Mann.“, sagte sie und schaute ihn über den Rand der viereckigen Brille an. Ari lächelte schief: „Oh, kein Problem.“

Damit riss er sich in die Gegenwart zurück, bedachte den Jungen mit einem Blick, der nichts Anderes als Verachtung aussagte und wandte sich dann an die ältere Frau: „Die jungen Hüpfer sollen nur nicht denken, dass man hier alles machen kann.“

„Wie recht sie doch haben.“, sagte die Frau und machte sich auf den Weg. Der Junge war wieder auf den Beinen und rannte davon, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Vermutlich wollte er zu seinen Kumpels, damit sie ihn, Ari, aufmischten.

‚Kommt nur’, dachte er, ‚erstens stecke ich euch locker in die Tasche und zweitens, selbst wenn nicht – hier hält mich doch eh nichts mehr.’



Und damit warf er erneut einen Blick auf die Zeitung, dorthin, wo ihm ein Bild seines Vaters entgegenglotzte, der gerade lächelnd irgendeine Auszeichnung in Empfang nahm. Nicht einmal Eli konnte den Anstand haben, in den letzten Jahren gestorben zu sein.
Seufzend wollte er sich gerade auf den Weg machen, als sein Handy klingelte.
Verblüfft schaute der Mann das Gerät an, ließ es aufschnappen und las eine Nachricht.
„K Street NW, Ecke North Capitol Street, NW. Kommen Sie sofort.”
Verblüfft klappte der Mann aus Israel sein Handy wieder zu und rief sich ein Taxi.



Autsch!

Leroy Jethro Gibbs öffnete die Augen, richtete sich auf und tastete nach seiner Schulter. Als Marine hatte er Erfahrung damit, angeschossen zu werden und der Fakt, dass er keinerlei Schmerzen verspürte und keinerlei Blut aus der Schulter troff, ließ ihn stumm den Kopf schütteln. Es war einfach nicht möglich. Dann fiel sein Blick auf den hingestreckten Körper der jungen Frau, der ihn mit leeren, toten Augen anblickte.
Verdammt! , schoss es dem Agenten durch den Kopf, warum musste sie sterben?
Das leise Stöhnen McGees riss ihn aus seinen Gedanken. Schnell war er neben ihm, schaute ihn an, als der Mann sich aufrichtete und nach seinem Kopf tastete.
„Bist Du okay, McGee?“, fragte Gibbs, was Tim dazu brachte, ihn kurz verwundert anzuschauen, zu nicken und dann die Hand auf seine Stirn zu legen: „Autsch. Das gibt eine Beule.“

„McGee, an was erinnerst Du dich?“
Der junge Special Agent schaute seinen Boss verwundert an, legte den Kopf schief und sagte dann: „Nun – Du hast mich geschubst, ich bin mit dem Kopf gegen den Raumteiler geknallt und…“
Er stockte und Gibbs konnte sehen, wie die Gesichtszüge des Mannes eine Metamorphose durchlebten. Keine wirkliche, aber eine Metamorphose der Emotionen. Von ehrlicher Verwirrung, die sich in den Augen spiegelte, mit tief gezogener, gerunzelter Stirn, als denke er über die Frage nach, über einen kurzen Moment der Kontemplation, mit glatter Stirn und klar, fokussierten Augen, die in die Ferne reichten, bis hin zu tiefer Sorge, mit weit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen reichte das Spektrum, das der junge Agent gerade durchlebte.

„Laura.“, atmete er leise und schaute in die Richtung, in der er sie in Erinnerung hatte.
Sein Blick suchte und fand ihren leblosen Körper.
„N… nein.“, machte der Romancier, starrte fassungslos und geschockt zu ihr herüber, als Gibbs plötzlich seine Schulter griff und ihn zu sich umdrehte.

„Schau mich an.“, sagte er leise, doch mit einem befehlenden Unterton, „Schau mich an und konzentriere dich auf deine Wut.“
„B… Boss, wer tut so was?“
Immer noch war Fassungslosigkeit in McGees Blick zu erkennen. Und da er Gibbs gut kannte, konnte er sehen, dass auch an seinem Boss dieser Anblick nicht spurlos vorbeigegangen war.
„Ari“, sagte Gibbs und McGee stockte: „Was? A… aber Ari ist tot.“
„Ich weiß. Aber dennoch – niemand anderes tut so was.“
Dann schaute er zu McGee und – als habe er seine ganze Fassungslosigkeit mit einem Schulterzucken abgetan – übernahm er wieder die Kommandantenrolle: „Ruf Ziva und Tony an. Sie sollen so schnell wie möglich ins Hauptquartier kommen.“



Anthony DiNozzo junior war momentan in andere Sachen vertieft. Verloren in dem Blick der braunäugigen israelischen Schönheit, lief er quasi auf Autopilot. Er wusste nicht mehr, wie lange er ihren nackten Körper bewunderte, wie lange er sich ihren Küssen ergab und wie lange die Beiden das absolut Irrationalste taten, das ihnen je in den Sinn gekommen wäre, aber er wusste, dass er nicht wollte, das es endete.

„Du bist so schön.“, seufzte er, während seine Hände über ihren nackten Rücken strichen. Sie schenkte ihm ein umwerfendes Lächeln, zog ihn zu sich und küsste ihn so hart und verlangend, dass er sich ihr hingab. In seinem Geist hatte momentan sowieso nicht unbedingt der rationale Mensch, sondern das Verlangen, der Trieb, das Sagen. Die Übermacht der Sehnsucht, die er in den letzten Jahren nach der Berührung durch diese Frau gehabt hatte, der sensorische Overload, als sich ihre beiden nackten Körper tatsächlich berührten, hätte ihn beinahe vor Freude aufjohlen lassen und als sie sich tatsächlich einander hingaben, war es, als wäre er im Himmel. Dann klingelte das Handy.



Das Seufzen Zivas, das die Situation anfangs noch zurückhaltend, dann immer lauter und wolllüstiger untermalt hatte, klang nun frustriert und der Gedanke, der sich in Tony DiNozzos Gehirn als Erster formte war: „Wer auch immer jetzt anruft, er ist des Todes.“

„Es brennt besser der halbe NCIS.“, sagte er, als er einen Blick auf die Anrufer-ID warf und abnahm: „Ja, McInter…net, was gibt es?“

Eigentlich hatte er „McInterruptus“ sagen wollen, aber ein warnend-amüsierter Blick von Ziva hatte ihn abgehalten.

„Tony“, kam die Stimme McGees aus dem Handy und der Italiener fragte sich, ob sie schon immer so quäkend geklungen hatte, oder ob es nur daran lag, dass der Computerexpertenagent es gerade gewagt hatte, ihn mitten in Leidenschaftsbekundungen mit Ziva zu stören.

Die nächsten Worte, die der Mann am anderen Ende sagte, ließen ihn den Boden unter den Füßen verlieren. „Alles klar, wir sind auf dem Weg.“, sagte er mit einer leisen, fast tonlosen Stimme.

Er drehte sich zu Ziva um, die ihn verwundert und besorgt ansah.

„Zieh dich an. Es hat einen Anschlag auf den NCIS gegeben.“

Dann griff er nach seinen Boxershorts, zog sich an – er dachte nicht einmal daran, Ziva dabei zuzusehen, wie sie ihren wunderschönen Körper verhüllte, denn in seinem Kopf klingelte eine ferne Sorge. Er hatte plötzlich eine Szenerie im Kopf.



In der Vergangenheit

Tony schaute die Rothaarige an: „Gegenfrage – warum sollte sie es tun? Warum sollte die Zeugin lügen?“

Pause.

Sein Gegenüber schaute zur Decke, wiegte abwägend den Kopf hin und her und zog die Stirn kraus. Dann fixierte sie ihn mit einem Blick aus diesen unglaublich grünen Augen: „Vielleicht hatte sie ein Verhältnis mit Captain Stone und hat ihn umgebracht, weil sie verrückt ist?“

Tony runzelte seinerseits die Stirn und schüttelte dann den Kopf: „Ich glaub nicht, dass sie Gaga ist.“

Die Rothaarige grinste: „Das heißt, die Zeugin, die uns gesehen haben will ist nicht Stefani Joanne Angelina Germanotta?“

„Bitte?“, blinzelte Tony überrascht und schaute sie an, ein einziger Ausdruck des Unglaubens, „Bitte wer?“
„Na, Sie sagten doch, die Zeugin, die mich belasten will, ist nicht „Gaga“. Na, wie viele Gagas kennen sie denn? Mir ist nur eine bekannt. Und das ist Stefani Joanne Angelina Germanotta – alias Lady Gaga.“

Der NCIS-Agent starrte sie verblüfft an und schüttelte dann den Kopf. Er wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich aus dem Nachbarraum drei Schüsse zu hören waren.

Die Rothaarige schaute entsetzt zu Tony, der starrte entsetzt zurück – im Nu waren beide auf den Beinen und hechteten zur Tür. Eigentlich wollte er noch stehenbleiben und ihr sagen, dass sie nicht mitkommen dürfte, doch da war sie schon bei der Tür, öffnete sie und rannte, mit wehenden roten Haaren zur Quelle der Geräusche. Tony folgte ihr – hoffentlich war Ziva nichts passiert. Was war da wohl geschehen?
Er erreichte die Tür, die Rothaarige stand dort, die Augen entsetzt aufgerissen und er sah auch den Grund. In der Tür lag jemand.

Einen Blick auf die Schuhe werfend stellte er fest, dass es nicht Zivas Dienstschuhe waren – die hatten einen leichten Absatz, diese hier waren flach. Gerade als er die Tür erreicht hatte, merkte er, wie ihm schlecht wurde.



Die Leiche vor ihm lag in einer Lache aus Blut, die Augen, die er oft genug gesehen hatte, starrten blick- und leblos in die Ferne und das braune Jackett, das er trug, war blutbesudelt.

Nicht er!“, schoss es Tony durch den Kopf, „ Alles, nur nicht er!“



Ziva kniete neben dem Mann, tastete nach seinem Puls, doch Tony war klar, dass die hübschen, braunen Augen der Israelin sich gleich mit Tränen füllen würden, so wie er spürte, dass es seine grünen Augen ebenfalls taten. Hart schluckte er und warf dann einen Blick zu dem Mann, der die Waffe in der Hand hielt und sich gerade vom Boden aufrappelte.

„Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da getan haben.“, knurrte er, versuchte, seine Beherrschung zu waren. Der Mann nickte. „Ja, ich habe gerade ihren Mörder umgebracht.“

In der Gegenwart



„G… Gibbs“, stammelte DiNozzo plötzlich und Ziva, die gerade ihr Shirt über ihren Oberkörper gezogen hatte, schaute ihn besorgt an: „Ist etwas mit Gibbs passiert?“

Tony schluckte, schüttelte den Kopf und schaute sie dann an: „Ich … ich sah gerade Gibbs vor mir. Er… war tot.“

Das Gesicht der hübschen Israelin war plötzlich nur noch eine Maske des Entsetzens: „Was?“

„Er…“

Weiter kam er nicht. Er sah etwas auf sich zufliegen, hörte ein lautes Pfeiffen und spürte, wie etwas seine Brust traf.



Ari war an der ihm genannten Stelle angekommen. Warum man ihn ausgerechnet hier treffen wollte, entzog sich nun wirklich seiner Erkenntnis. Da war eine rotverklinkerte Kirche, von deren Baustil der Israeli nun wirklich keine Ahnung hatte, da war ein großer Platz, der ihn irgendwie an einen Schulhof erinnerte ein modernes, mit Spiegelglasfenstern ausgestattetes Gebäude auf der linken Seite der Capitol Street Northwest, auf der rechten Seite ein Gebäude, das ebenfalls rotverklinkert war und ihn an eine Art Rathaus oder so erinnerte. Warum er sich ausgerechnet hier einfinden sollte, verstand er einfach nicht.

Dann hielt der Wagen vor ihm. Ein großer, schwarzer Ford LTD mit schwarz-verspiegelten Fenstern, von dem eines gerade herunterglitt und ein Mann, mit schwarzer Sonnenbrille und schwarzem Anzug zu ihm schaute. „Einsteigen.“
Ari erkannte den Ton – es war ein knapper Befehl, so, wie sein Vater oft zu ihm gesprochen hatte, als er im Mossad als Doppelagent ausgesucht wurde. Und dafür hatte man ihn auf eine Schule geschickt, die ihn zu gebildeter Konversation befähigte. Tse.

Aber, der Attentäter fügte sich seinem Schicksal, öffnete die Tür des Fonds, legte zuerst die Sporttasche in den Wagen und stieg schließlich selbst ein. Allerdings hatte er nicht viel Zeit, sich mit dem Inneren des Fahrzeuges vertraut zu machen, denn er spürte einen Stich im Nacken und dann nichts mehr.



Als Agatha mit Cal das Café verließ, war sie unendlich froh darüber, dass Starfleetuniformen eine doch recht interessante Stoffart verwendeten. Da konnte man einen Tauchgang durch einen See unternehmen, die Haare lagen danach klatschnass am Körper an, die Uniform aber blieb, trotz Nässe, in Form. Weiterhin fror man auch nicht so, da die Uniform irgendwie wärmte. Sie wusste nicht, wie es funktionerte und, wie es so bei den segensreichen Erfindungen der Zeit ist, in der man lebt, wollte sie es nicht wissen. Es sollte einfach funktionieren, das reichte doch. Auch, wenn sie bei Cal einen leichten Funken Enttäuschung in den Augen sah, dass die Uniform sich nicht noch mehr an ihren Körper geschmiegt hatte.

Zwischendurch war der Captain einfach eine kleine Drecksau. Und das meinte sie durchaus positiv, schließlich waren die beiden ja ein Paar. Dennoch musste sie ja nicht alles, was er dachte und sagte tolerieren. Sie wandte sich an Cal und grinste. „Und wo geht es nun hin?“
Mit der Lässigkeit des großen Erforschers griff der Captain nach seinem Tricorder und ließ ihn aufschnappen.
Schon damals auf der Academy hatte Cal Captain Kirk für die Lässigkeit bewundert, mit der dieser den Kommunikator immer hatte aufschnappen lassen. In der modernen Zeit war dieses Kommunikationsgerät allerdings nur noch eine Brosche, auf die man tippen musste, das nahm – so hatte der Captian ihr mal gesagt – dem ganzen Akt des „Kontakt mit dem Schiff aufnehmen“ die komplette Coolness. Aber immerhin konnte er das noch mit dem Tricorder machen – ihn cool aufschnappen lassen. Oder was immer er dafür hielt.

„T.A.S’s Haus ist die Straße 2 Kilometer runter und dann nach links abbiegen, weitere dreihundert Meter und dann noch mal rechts.“
„Und du möchtest den Weg laufen?“, fragte sie verblüfft.
Cal grinste: „Schatz, wat is? Schon ausse Puste?“
Sie schüttelte den Kopf: „Ich nicht – du weißt, ich bin auf der Akademie im Dauerlaufteam gewesen. Ich halte n paar Kilometer Entfernung aus. Du hast dich doch immer um den Sport gedrückt, wo es nur ging. Ich erinnere Dich nur mal an das Schwebebalkendesaster auf der Akademie.“

„Hey, du hast mich aufgefangen.“
„Du bist auf mich gefallen.“, korrigierte sie ihn, grinsend.
„Und dann hast Du mir eine geknallt.“
„Weil Du meintest, ich sei so weich.“
„Bist Du doch auch.“
Sie rollte mit den Augen: „2 Kilometer die Straße runter, ja?“
Und machte sich auf den Weg.



Als Ari Haswari die Augen öffnete, lag er auf einem Dach. Hinter ihm stand jemand und sagte Zahlen an.
Verwirrt rieb der Mann aus Israel die Augen und griff dann, in einem einfachen, jahrelang eintrainierten Automatismus, zu dem Gewehrkolben, der vor ihm lag.
Kurz blickte er über seine Schulter und schaute den Mann, der die Zahlen ansagte, an. Es war der Anzugtyp, der ihm befohlen hatte, ins Auto zu steigen.
„Beim nächsten Mal wär es schön, wenn Sie mir sagten…“
„Neuestes Gewehr.“, sagte der Mann im Anzug, in einem gelangweilten, fast schon mechanischen Duktus. Er spähte durch ein Fernglas: „Das sollten Sie sich vielleicht ansehen.“
Damit reichte er den Stecher an Ari weiter.
Dieser nahm das Gerät, blickte durch und verzog angewidert das Gesicht.
Tony DiNozzos nackter Oberkörper war zu sehen und gerade, als er sich fragte, warum er ihn beobachtete, tauchte ein dunkelbrauner Lockenkopf aus den Kissen auf.

Aris Blut gefror.
„Das ist…“, setzte er an und Anzugtyp sagte, in dem selben gelangweilten Sprechrhythmus: „Ihre Halbschwester. Korrekt.“
Ari griff nach dem Gewehrkolben und legte an.
In diesem Moment ließ Tony von Ziva ab, ging zu einem Handy und sprach mit jemandem.
Es war nicht schwer, zu erraten, mit wem.
„Noch nicht.“, sagte Anzugtyp und Ari schaute ihn verblüfft an: „Worauf soll ich noch warten?“
„Drei Sekunden.“
Innerlich zählte Ari bis 23 und drückte ab. Dann beobachtete er verwundert die Wirkung seiner Kugel. Tony wurde getroffen, ja. Aber es war kein Blut zu sehen.



Funken sprühten aus der Brust des Mannes.
 
Kapitel 10

Ziva beugte sich vor und tastete nach Cals Puls.



„Hast Du sie erreichen können, McGee?“, fragte ein ungeduldiger Leroy Jethro Gibbs seinen Untergebenen, der gerade einen traurigen Blick auf die Bahre warf, auf der Petty Officer Laura McConnaugh gerade aus dem NCIS-Hauptquartier getragen wurde.
Er hatte nicht einmal mehr Gelegenheit gehabt, sie näher kennen zu lernen.
Seufzend drehte er sich zu Gibbs um und schüttelte den Kopf: „Es ist so sinnlos, Boss. Ich verstehe es nicht. Warum sollte jemand Laura erschießen wollen? Sie hat doch niemandem etwas getan.“

Die eisblauen Augen Gibbs bohrten sich in seine Seele. Einerseits stand Mitgefühl in ihnen und zum anderen, quasi als Widerspruch, Wut auf ihn. Warum dem so war, bemerkte er erst jetzt. Gibbs hatte ihn etwas gefragt.
„Oh.“, riss er sich in die Jetztzeit zurück, „ Ich… ja, ich habe sie vor knapp 3 Minuten angerufen.“
„Na, dann versuchs nochmal.“
Die Ungeduld in Gibbs Stimme wurde immer deutlicher.



„Agatha? Ist es noch weit?“, fragte der Sternenflottenoffizier, was bei der hübschen Frau ein Gefühl, tiefsten, inneren Triumphes auslöste. Ein Lächeln bildete sich auf ihren vollen Lippen und sie wandte sich ihrem Freund und Captain zu: „Ich dachte, Du wolltest die Strecke zu Fuß bewältigen.“
„Ja, aber… ist es noch weit?“
„Eigentlich…“
Weiter kam sie gar nicht, als sie ein vertrautes Geräusch hörte. Ein lautes Fauchen, das sie schon ein paar Jahre nicht mehr vernommen hatte. Unangenehme Erinnerungen stiegen in ihr auf.





„Wir können die Position nicht länger halten, Commander!“, schrie die Stimme des älteren Herren, der sein Phasergewehr hob und versuchte, dem Commander Deckungsfeuer zu geben. Dies funktionierte nur suboptimal, denn eine der heranrasenden Entladungen riss ihn von den Beinen und ein weiterer Schuss beendete das Leben des Commanders.

Vollkommen verängstigt kauerten sich das 16-Jährige Mädchen und der apathisch wirkende 17-Jährige Mann in die Ecke, als direkt vor ihnen die Decke herunterkrachte und den Commander, sowie den anderen Offizier, beziehungsweise deren Leichen unter sich begrub.

Es war dunkel und in der 16-jährigen Agatha Silverbird kam der Gedanke hoch, das es das war. Sie spürte, wie ihr Herz raste, als plötzlich der apathische Cal, neben ihr, begann, sich zu regen. „Es… es ist so dunkel hier.“, begann er und Agatha, die die Hand ihres Freundes griff, merkte, dass sie sich kalt und klamm anfühlte. Sie war keine Ärztin, aber sie befürchtete, dass er einen Schock erleiden würde. Mit dieser Vermutung korrespondierten die klamme Haut, und die nächste, sie erschreckende Frage: „Gathy-chan, wo sind wir?“

„Cal“, raunte sie, mit aller ihr zur Verfügung stehenden Ruhe und Gelassenheit – was aufgrund der Situation nicht gerade einfach war - , „Wir sind auf der Starfleet Academy, erinnerst Du dich?“
„J … Ja.“, kam es gedämpft vom Teenager, „Aber, warum ist es so dunkel hier?“
Von draußen waren Schritte zu hören. Breen?
In einer schnellen, geistesgegenwärtigen Reaktion packte Agatha den Kopf Cals und presste ihm die Hand auf den Mund, was dieser durch ein lautes Schreien quittierte. Allerdings wurden diese Schreie durch die Hand auf dem Mund des jungen Mannes gedämpft.
„Wenn Du leben willst, hältst Du die Klappe.“, raunte sie ihm zu und neigte sich zu ihm: „Cal, wir wurden angegriffen. Erinnerst Du dich?“

Er schüttelte den Kopf, wurde unruhiger und der Fakt, dass sie draußen hörte, wie sich immer mehr Polaronengewehre – oder womit auch immer die Breen und Jem’Hadar so feuerten - entluden und die Antwort aus deutlich erkennbaren Föderationsphaserfeuerstößen bestand, lies auch sie mit der Ruhe ringen. Sie hörte die Schreie der Offiziere, die draußen ihr Leben gaben, um die Sternenflottenakademie vor den Invasoren aus dem Gamma-Quadranten zu beschützen und fürchtete, dass es ihnen nicht viel bringen würde. Wenn die Breen einen so starken Überraschungsangriff auf die Sternenflottenakadamie – auf Sektor 001 – auf die Erde – auf den innersten Kern der Föderation starten konnten und ihnen niemand im Weg zu stehen vermochte, dann waren sie wirklich verdammt.

Der immer schwächer werdende Widerstand Cals riss sie aus den Gedanken. Er wehrte sich nicht mehr gegen ihre Hand auf seinem Mund und wenn sie ehrlich war, tat er fast nichts mehr. Sein Kopf sank nach vorne, der Körper schien immer schwerer zu werden und dann sackte er gegen ihre Brust.
Und gerade, als sie ihm dafür eine knallen wollte, bemerkte sie, dass er das Bewusstsein verloren hatte.
„Mein Held.“, murmelte sie. Doch kaum, dass sie diesen Gedanken gefasst hatte, merkte sie, wie auch sie selbst eine nahezu unwiderstehliche Müdigkeit überkam. Das musste entweder der Schock sein, denn sie bezweifelte, dass sie von all diesen Ereignissen um sie herum komplett unbeeindruckt gewesen wäre, oder aber die Sauerstoffausbeute in diesem „Gefängnis“ war nicht gerade die Beste. Sie rollte die Augen, als sie hörte, das draußen das Phaserfeuer nachgelassen hatte. Nun vernahm sie vereinzelte Stimmen.

„Hier ist jemand.“, rief einer, nur um im nächsten Moment die Meldung zu machen, dass dieser jemand tot sei.
„Verdammte Monster.“, hörte Agatha die Stimme eines Mannes, die sie schon häufiger wahrgenommen hatte. William T. Riker.
Vorsichtig ließ sie Cals Kopf in ihren Schoß sinken und hämmerte dann mit beiden Fäusten gegen die Decke: „HIER SIND WIR!“
„Commander.“, erklang von draußen die gedämpfte Stimme einer Frau, „Ich empfange Lebenszeichen hinter dieser Decke.“
„JA!“, schrie Agatha, „WIR SIND HIER!“
„KÖNNEN SIE MICH HÖREN?!“, schrie Riker von draußen, „KLOPFEN SIE EINMAL , WENN SIE UNS HÖREN KÖNNEN!“

„JA!“, schrie Agatha , schaute sich nach etwas um, womit sie gegen die Decke hämmern konnte. Schließlich zog sie eines ihrer langen Beine an und dann den Schuh aus, um damit gegen die Decke zu hämmern.
„Sir, hinter dieser Decke sind die Lieutenants Agatha Silverbird und Calvin Nathan Cat verschüttet.“, erklang die leidenschaftslose Stimme des Androiden, den die Flotte als Data kannte und Agatha merkte, wie ihr, in Hinblick auf die baldige Rettung, Tränen über die Wangen rannen. Dann ergriff die Müdigkeit Besitz von ihr und sie sank in sich zusammen.

Sie öffnete die Augen, als sie das Geräusch von Steinen hörte, die gegeneinander rieben. Benommen öffnete sie die Augen und schaute sich um. In diesem Moment verschwand die Decke, die als ganzes herunterklappt war, von schneeweißen Händen getragen. Agatha blinzelte kurz gegen das grelle Licht an und atmete erleichtert aus, als sie die vertrauten Gestalten der Enterprise-E-Crew sah.




„Schatz?“, riss die Stimme Cals sie aus ihren Gedanken und sie schaute ihn verblüfft an: „Was?“
„Hast Du das gerade auch gehört?“, fragte ihr CO, die Augen zugekniffen und sie anschauend. Die Commander nickte: „Ja – ich glaube es war ein Phasergewehr.“
„Wer ballert im 21. Jahrhundert mit einem Phasergewehr rum?“, fragte der CO – und schaute sich überrascht um, als er einen lauten, frauenhaften Schrei hörte.
„Wo… kam das her?“, fragte er.



Agatha merkte, wie ihr Herz schneller schlug, als sie den Schrei hörte, zuckte zusammen und versuchte, die Quelle des Geräusches ausfindig zu machen. Es konnte nur aus diesem Gebäude kommen, vor dem sie gerade standen. Sie überlegte kurz, tippte Cal auf die Schulter und sagte: „Ich glaube von hier.“
Dann drehte sie sich um, las anhand der Klingelknöpfe, wer dort lebte und merkte, wie ihr übel wurde.
Temporale Paradoxie.
„Oh Gott, bitte nicht. , schoss es ihr durch den Kopf.



Es war eigentlich nicht Zivas Naturell zu schreien, doch sie merkte erst, dass er es getan hatte, als er es getan hatte.
Die Angst um den vor ihr ausgestreckten DiNozzo raubte ihr den Atem. Verblüffender weise floss zwar kein Blut aus dem durchtrainierten Körper des Halb-Italieners, aber die Gestalt lag hingestreckt dort und gab kein Lebenszeichen von sich.
„Verdammt.“, fluchte sie, ging neben ihm in die Knie und tastete nach seinem Puls. Er war vorhanden, aber er raste, wie ein ICE auf freier Strecke.
„Verdammt, DiNozzo, tu mir das nicht an.“, knurrte sie und…

In diesem Moment krachte die Tür aus den Angeln und mit schussbereit gemachten Waffen standen zwei Personen im Raum. Ein Mann und eine Frau – beide kamen ihr bekannt vor.
„Wer…“, setzte sie an und fand sich im nächsten Moment von ihm angesprungen und auf den Boden gepresst wieder.
„Agatha, Ziel sichern…“
Weiter kam der Mann nicht, in diesem Moment hatte Ziva einen Kampfschrei ausgestoßen und ihr Knie in die Lendenregion des Mannes gestoßen.
Dieser reagierte so, wie sie es von einem Mann vermutet hatte.
Er gab ein „GNNNNGH“ von sich, lies sich von ihr fallen und hielt sich die schmerzende Region.
„Ungh.“, machte er, „Das tat… weh.“



Cal rollte sich auf den Rücken, die Hände in in Schutzhaltung auf die nun vor schmerz pochenden Körperteile gelegt und staunte nicht schlecht, als plötzlich die dunklen Augen Ziva Davids – die er eigentlich nur hatte Schützen wollen – mit Amüsement, Schalk und einer Spur Mißbilligung funkelten, während sie die Waffe, die man durchaus auch als Baretta hätte identifizieren können, griff und sie auf ihn richtete.
„Eine Frau einfach so zu Boden zu reißen? Ganz schlechter Stil, Mister.“, sagte sie mit einem Hauch von Spott in der Stimme.


Jetzt, wo sie jemanden hatte, an dem sie ihre Agressionen ausleben konnte, war die Sorge um DiNozzo zwar noch vorhanden, aber das Gefühl der Ohnmacht, das sie empfunden hatte, war verschwunden.
Und dann, als sie Cal und Agatha anschaute, grinste sie ironisch.
„Sie sind … dieser Verrückte, oder?“
Cal schluckte.
„Sag mal.“, räusperte er sich dann und wandte sich, obwohl er auf den Lauf der Waffe blickte, an Agatha, „Hast Du ihnen nicht die neue Binford 4600 Amnesiegranate verpasst?“
Die angesprochene Frau lachte: „Schatz, offenbar ist Zivas Geist sehr – widerstandsfähig.“
„Man kann auch 'stur' sagen.“
„Okay,“, sagte Ziva, hob die Waffe und richtete sie auf Cals Stirn, „Captain, was zum Scharfrichter passiert hier?“


Hörbar schluckend schaute der Captain der USS Dragonfly zu Ziva herüber und die hübsche Israelin hatte das Gefühl, dass dieser Blick leicht gehetzt wirkte, als wüsste er nicht, was er ihr sagen könne, oder dürfe, aber der Gedanke „Wenn Sie mir nicht den Kopf wegblasen soll, lass ich mir besser eine glaubwürdige Erklärung einfallen“ war definitiv in diesem Blick zu erkennen. Dem gegenüber stand der Blick, den die hübsche Rothaarige dem Mann zuwarf, wenngleich dieser ihn nicht wirklich sehen konnte, da er ja Augenkontakt mit der Frau aus Israel hielt.

„Miss David.“, begann Cal und versuchte ein Lächeln, das aber mehr in Richtung „Karikatur“ ging, „Ich… ich weiß, dass Sie sich um Mister DiNozzo sorgen, aber – glauben Sie mir, es wird sich alles aufklären.“
Damit presste Ziva dem jungen Mann die Mündung des Phasers gegen die Stirn. „Ich warte.“, knurrte sie, mit zu Schlitzen verengten Augen.
„Er… er ist nur betäubt.“, sagte der Mann, der sich ihr als Cal vorgestellt hatte, hastig , „Er wird in einer Stunde wieder aufwachen.“
„Wollen Sie mich verarschen?“, zischte die Frau, packte ihn am Kragen und zog ihn mit sich auf den Boden: „Tasten Sie nach seinem Puls.“

Verwundert blickten die braunen Augen des jungen Mannes in ihre, was sie dazu nötigte, ihrer Forderung mit mehr Druck und einer größeren Lautstärke nahe zu kommen: „ TASTEN SIE NACH SEINEM PULS!!!“
„Agatha?“, fragte der Mann, dem sie die Waffe gegen die Stirn hielt, mit einer Stimme, die nichts Befehlsgewohntes mehr an sich hatte und die Frau, die im Türsturz stand und mit etwas in der Gegend herumfuhrwerkte, das sie von der Größe an eine Zigarettenschachtel erinnerte, zuckte mit den Schultern. Ohne aufzublicken sagte sie: „Vermutlich ist sie gerade gedanklich in ihrem Mossad- Ablauf. Was erwartest Du, wenn man vor ihren Augen ihren Freund abknallt?“

Mit zitternden Händen tastete der junge Mann nach dem Puls Tonys und schaute sie dann an: „F… für einen Phasertreffer ist dieser Puls vollkommen normal. M… meiner würde auch so rasen.“
„Beweisen sie’s.“
Cal schaute die Frau an: „Bitte?“
„BEWEISEN SIE’S!“, donnerte die Frau und Cal zuckte zusammen. Wenn sie deutlich hinsah, könnte Ziva schwören, dass in seinen Augen sogar kleine Tränen schillerten. Ob sie nun aus Angst, Zorn, oder Trotz dort auftauchten, wusste sie nicht.
„Okay, okay.“, machte der Mann, stand auf und ging zum Bett, drehte sich zu Agatha um und nickte: „Mach mal.“
„Bist du verrückt?“, war die Frage der hübschen Rothaarigen und der Captain zwinkerte ihr zu: „Ja - und?“
„Okay, auf deine Verantwortung. Du bist der Chef.“
Damit hob sie den Phaser und zielte auf seine Brust.
„Schatz?“, sagte er und lächelte schief: „Ich liebe dich.“
„Ich dich auch.“
Damit drückte sie ab.



Kaum, dass Cal von der Wucht des Treffers auf das Bett gefallen war, war Ziva auf den Beinen und tastete nach dessen Puls.
Agatha schüttelte den Kopf und lächelte: „Der Mann ist echt bekloppt.“
Dann fixierte sie Ziva: „Und, was sagen Ihre medizinischen Kenntnisse, Agent David?“
„Sein Puls rast.“
„Sagt er doch.“, meinte Agatha, steckte die Waffe weg und ging auf den am Boden liegenden Tony zu. Dann kniete sie sich neben ihn, tastete nach seinem Puls und nickte. „Japp – Phaserbetäubung, Stärke Drei. In knapp 40 Minuten wird er wieder wach werden – dann hat er zwar einen mordsmäßigen Kater, aber – es wird sich alles auflösen.“
Dann ging sie zu Ziva, tastete nach dem Puls des bewusstlosen Captains und lächelte befriedigt: „Sein Puls rast genau so – ich würde sagen, in spätestens einer Stunde kann ich mit ihm hier abhauen.“
Ziva schaute sie an: „Mo… moment mal, Sie können nicht einfach so abhauen. Wieso schießt jemand auf Tony und warum betäubt er ihn für eine Stunde?“
Agatha zuckte mit den Schultern: „Da fragen Sie mich was.“





„Ich bringe DiNozzo um.“, murmelte Leroy Jethro Gibbs, als er zum – zumindest gefühlten 10.000sten Mal versuchte , seinen Special Agent zu erreichen. Immer wieder lautete die Ansage, die die elektronische Stimme von sich gab: „The person, you have called, is temporally not available.“
Es gab weiß Gott genug Möglichkeiten, Gibbs zu nerven, und diese Bandansage gehörte definitiv dazu.
„Ich bring ihn um.“, sagte er zum wiederholten Male und schaute zu McGee herüber, der über seine Tastatur gebeugt stand und versuchte, eine Ortung des Handys DiNozzos zubekommen.
Als sein Computer die Meldung ausspuckte, dass das Handy Tonys in Zivas Wohnung war, konnte sich der Schriftsteller denken, wieso das Handy sich in der Wohnung befand.
Die Augen McGees wurden kurz beinahe untertassengroß, dann versuchte er, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Momentan kam er sich vor wie Q aus James Bond, wenn er wieder nach einem Auftrag per Satellit oder Kamera nach James Bond suchen sollte, der sich mit dem aktuellen Love Interest gerade durch die Kissen wühlte. Meistens schaltete dann Q die Übertragung ab, schob es auf einen technischen Defekt und – genau das wollte McGee nun auch tun. Er drückte eine Taste, die Meldung erlosch und er räusperte sich.

„Erm… Gibbs?“
Der Mann im Sakko drehte sich zu ihm um, seine eisblauen Augen fokussierten den Romancier und er musste kurz schlucken.
Er weiß, wenn ich lüge. Er weiß es immer., schoss es McGee durch den Kopf, Er weiß, wann ich schlafe, er weiß, wenn ich wach bin, er weiß, ob ich gut, oder böse gewesen… moment mal, das ist ein Weihnachtslied.
Und mit den Klängen zu „You better watch out“ im inneren Ohr –, nicht zu verwechseln mit dem Innenohr, ich meine sowas wie das Innere Auge – räusperte er sich erneut.
„Ich… meine Suchanfrage… sie war nicht erfolgreich. Ich glaube… Ich glaube Tony hat sein Handy ausgeschaltet.“
Der Special Agent fixierte ihn mit einem Blick, der bei McGee Herzrasen auslöste.
Verdammt, er weiß es. Er weiß es einfach. Ich kann ja auch meinen Chef nicht anlügen. Was denk ich mir dabei?
„Dann versuch wenigstens, Ziva zu erreichen.“, grummelte Gibbs und McGee nickte: „Geht klar, Boss.“
Damit ließ er sein Handy aufschnappen.



Gibbs ging ein paar Meter, stieg in den Aufzug ein und schloss die Tür, ehe er den Kopf schüttelte:
Denkt McGee eigentlich, ich bin komplett aus dem Mußtopf? Es ist ja wohl klar, dass Tony bei Ziva ist. Die beiden arbeiten vorzüglich miteinander und es würde mich nicht wundern, wenn er und sie einander nicht sogar attraktiv fänden. Wenn die beiden wirklich miteinander geschlafen haben, verstoßen sie zwar gegen eine meiner Regeln, aber – es gibt ja immer noch Regel 51. Manchmal liegst Du falsch, alter Hund.
Und damit fuhr er in den Keller, zu Ducky.



„Sie gehen nirgendwohin.“, sagte in diesem Moment Ziva zu der hübschen Frau, die sich ihr gegenüber zwar nicht vorgestellt hatte, von der sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund aber wusste, dass sie Agatha hieß.
„Kein Problem.“, lächelte diese, „Ich muss sowieso noch eine Stunde warten, bis er aufwacht. Oder glauben Sie im Ernst, ich schnapp ihn mir und schlepp ihn durch die Gegend? Der wiegt mindestens ne Tonne.“
„Danach sieht er aber nicht aus.“, stellte Ziva fest, was Agatha erneut zum Lächeln brachte: „Jedenfalls ist er schwer. Und wenn er bewusstlos ist, kann er mir nicht helfen, das heißt, ich muss sein ganzes Gewicht tragen, und – obwohl ich seinerzeit in der Academy gute sportliche Leistungen erbracht habe – das schaff ich nicht.“
„Ich kenn das.“, grinste Ziva nun, „Ich glaub auch nicht, dass ich Tony mal eben so anheben und wegtragen könnte.“

„À prospos Tony. Ist es schon soweit, ja?“,
Zivas Stimmung kippte. Von freundlicher Aufgeschlossenheit wandelte sich die Stimmung nun in leichtes Mißtrauen: „Ist es schon wie weit?“
Dies zu fragen, und dabei die Augen zu Schlitzen zu verengen, war für Ziva eine Handlung und Agatha zuckte mit den Schultern.
„Naja… den… wievielten haben wir denn heute?“
„Warum fragen Sie?“
„Naja“, machte Agatha, schaute sie an und legte den Kopf schief, „Ich meine nur – mir… ist als würde…“
Nein, sie konnte es nicht weiter aussprechen. Das würde nur das komplette Raum-Zeit-Gefüge durcheinanderbringen.

„Als… würde was?“, fragte die hübsche Israelin und Agatha schaute sie an: „Erm… naja… als würde es heute noch ein schöner Tag werden.“
„Nein, nein, nein, Sie haben etwas Anderes fragen wollen.“
Agatha seufzte und schaute ihr in die Augen.
„Nein.“, sagte sie mit entschlossener Bestimmtheit, „Ich habe nichts Anderes sagen wollen, und sie haben auch nichts gehört.“
„Natürlich habe ich.“
Innerlich schüttelte die hübsche Rothaarige über sich den Kopf. Bei Cal konnte sowas funktionieren, aber doch nicht bei dieser willensstarken Person.
Und gerade, als sie sich innerlich dazu bereit machte, Ziva entweder zu hypnotisieren – was sie bei Gina gelernt hatte, aber bezweifelte, dass Zivas Geist durch sowas zu beeinflussen wäre, oder erneut eine Binford-Amnesia zu zünden, klingelte Zivas Handy.
In einer gekonnten Bewegung ließ sie das Gerät aufschnappen.



In knapp 10 Minuten würden Gibbs und McGee hier sein, hatte der leitende Chefermittler sie wissen lassen und dabei hatte er alles andere als glücklich geklungen.
Mit einem Blick auf den bewusstlosen Halbitaliener stellte Ziva fest: „Vielleicht sollten wir ihm doch einen angenehmeren Liegeplatz zuteilen, oder, was meinen Sie?“
Agatha lächelte: „Ich hab das Gefühl, wir werden uns noch häufiger begegnen. Nenn mich ruhig Agatha.“
Damit hielt sie ihr die Hand hin, die die Israelin ergriff und das Lächeln mit einem „Ich bin Ziva“ beantwortete.
Das „Ich weiß“ schluckte Agatha schneller herunter, als sie es hätte aussprechen können.
Beide Frauen beugten sich nun vor, griffen je einen Arm des ohnmächtigen Halbitalieners und zogen ihn in eine stehende Position.
Während Agathas Hand über die festen Muskeln des rechten Oberarms DiNozzos glitt, stellte sie fest, dass sich sowas bei Cal nicht abzeichnete.

Lächelnd schaute sie zu Ziva herüber und dachte daran, dass diese Frau in knapp 4 Jahren diesen Mann heiraten und glücklich werden würde. „Glückskind“, dachte sie und half dann der attraktiven Israelin, ihren ohnmächtigen In-ein-paar-Jahren-Ehemann auf die Couch zu verfrachten, wo er wieder in sich zusammen sackte.
„Stur is er auch noch, hm?“, fragte Agatha fest und Ziva grinste: „Oh, Du hast ja keine Ahnung.“
„Kenn ich – meiner ist genau so.“, lachte die hübsche Rothaarige und warf einen Blick zurück ins Schlafzimmer: „Und was machen wir jetzt mit ihm? Ich meine – unsere Anwesenheit hier sollte nicht unbedingt…“
„Ich weiß, ich weiß… nicht unbedingt an den Großglockner gehängt werden.“
„… die großen Glo…“, setzte Agatha an, zu korrigieren, doch sie schüttelte den Kopf. Irgendwie klang es sogar richtig niedlich, wie Ziva mit den Idiomen kämpfte.
„Nun“, riss die Israelin die hübsche Deutsche aus den Gedanken, „Wir könnten ihn ja…“



Gibbs war nicht amüsiert.
Da lag einer seiner Top-Ermittler auf der schwarzen Couch Zivas, schlief den Schlaf der Gerechten und Ziva hatte nichts Besseres zu tun, als ihn zu fragen, ob er Tee wollte?
Vor ein paar Minuten waren sie eingetroffen, hatten geklingelt und Ziva hatte die beiden, freundlich lächelnd, empfangen.
„Gibbs, es ist schön zu sehen, das es Dir gut geht.“, sagte sie und deutete hinter sich: „Komm doch rein.“
Der Chefermittler und McGee betraten die Wohnung, schauten sich um und sahen dann DiNozzo, der auf der Couch lag.
Kurz war ein leichtes, amüsiertes Funkeln in Gibbs Augen wahrnehmbar.

Sein komplettes Team hielt ihn wohl für so alt, verkalkt und blind, dass er nicht mitbekam, wie seine Teammitglieder sich ineinander verliebten.
„Ich nehme an, er hat hier mit Dir einen Kaffee getrunken?“, fragte der Special Agent mit einem Hauch von Ironie in der Stimme, „Ich meine, eigentlich solltet Ihr direkt nach der Befragung der PFCs Turner, Riker und Troi wieder zurück zum Navy Yard kommen.“
Ziva merkte, wie ihr Herz aussetzte.
Ja, richtig – die Befragungen. Das hatte sie in dem Moment, in dem Tony mit der attraktiven Blonden, der Frau von Mister Troi, geflirtet hatte, komplett vergessen und eigentlich hatte sie ihm nur eine kleine Lektion erteilen wollen, in dem sie auf der Fahrt zum Yard mit ihm geflirtet hatte.

Das er so darauf einstieg, hatte sie überrascht und dann… dann gab es kein Halten mehr.
Es war, als habe sich ein Schleuse geöffnet und alle Emotionen, die sie für Tony empfand, wären von jetzt auf gleich in ihr Herz geflossen. Beinahe so, als wäre sie von den Wogen der Aufkeimenden Lust davon gespühlt worden – was ja mehr oder weniger auch zutraf.
Sie würde auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren, sie würde…
Und dann sah sie Gibbs Blick.
Ja, er war enttäuscht – persönlich, menschlich, tief verletzt. Aber, wenn sie Gibbs-Blicke in den letzten Jahren richtig zu deuten gelernt hatte, lag es weniger an dem Fakt, dass sie miteinander geschlafen hatten, sondern mehr daran, dass sie eine Ermittlung dafür unnötig in die Länge…



Bamm

Ziva hörte, wie etwas aus dem Inneren ihres Schlafzimmers klopfte.
Sie rollte mit den Augen, als Gibbs und McGee erschrocken herumfuhren und mit gezückten Waffen ins Schlafzimmer vorrückten.
So langsam kam sie sich übers Ohr gehauen vor. War heute Tag der offenen Tür?
Wieder klopfte es aus ihrem großen Kleiderschrank.
„Hast Du noch mehr Besuch, Ziva?“, fragte McGee und klang verunsichert, amüsiert, Vielleicht auch eine Spur neidisch. Wer weiß, was er sich gerade ausmalte. Einige nackte Models, die sich gerade… Oh Gott, ich verbringe zu viel Zeit mit DiNozzo. , schoss es Ziva durch den Kopf, zumal sie ja wusste, was…
In diesem Moment hatte Gibbs die Schranktür aufgeschoben und hatte gebrüllt: „Bundesbehörde, kommen Sie aus dem Schrank heraus.“
Just, als er das gesagt hatte, merkte er, wie dämlich das klang.
„Nicht schießen.“, erklang eine angenehme Frauenstimme und die hübsche Rothaarige, die sich Ziva als Agatha vorgestellt hatte, verließ den Schrank. Es schien, als hielte sie etwas fest.

„Hände hoch.“, sagte Gibbs und Agatha gehorchte schnell, nur um sich für diese Handlung den Bruchteil einer Sekunde später zu verwünschen.
Cal kam ihnen entgegengefallen, knallte mit dem Gesicht auf den Boden und blieb liegen.
„Hallo.“, lächelte die hübsche Rothaarige, „Ich nehme an, Sie erinnern sich an uns?“
Gibbs steckte die Waffe weg: „Sie sind Agatha Silverbird.“
„Die Technik der Sternenflotte ist wirklich nicht mehr das, was sie mal war.“, seufzte die Frau und schaute zum am Boden liegenden Cal, der sich zu allem Überfluss nun auch noch auf die Seite drehte und mit der linken Hand Agathas Wade umschloss.
„Manchmal kann er echt peinlich sein.“, stellte die Frau fest.
 
McGee nickte.

„Commander Silverbird.“, räusperte sich Gibbs in diesem Moment, „was ist hier los?“
Die junge Dame richtete ihren Blick zum grauhaarigen Chefermittler und lächelte ihn harmlos an: „Wir… wollten einfach mal Agent David besuchen?“
„Und verstecken sich dafür in ihrem Kleiderschrank.“, gab McGee zu bedenken, was ihm einen genervten Blick von Gibbs eintrug. Dies mit einem „’Tschuldige, Boss“ quittierend, schaute er zu Ziva, die gerade den Eindruck erweckte, vor Scham im Boden versinken zu wollen. Irgendwie war das klar. Man musste nur einmal bedenken, was dies für einen Eindruck machte.
„Gehörst Du etwa zu dieser Gruppe?“, sprach McGee dann auch prompt den Gedanken aus, den Gibbs hatte und Ziva befürchtete und Agatha zu einem Grinsen brachte.
„Aaber sicher.“, sagte die hübsche Rothaarige in einem Tonfall, den Cal grinsend als „von Jack O’Neill abgeguckt und kultiviert’ bezeichnet hätte, „Ihr Dienstrang ist ja auch nicht „Agent David“, sondern Captain David von der U.S.S. River Song .
Verblüfft blickte Tim zu Agatha herüber: „River Song?“

„‚Hello, Sweetie’.“, grinste der Rotschopf und Gibbs warf einen Blick zu seinem Agenten: „McGee? Rede mit mir.“
„Ahm“, holte der Angesprochene Luft und setzte sein berühmtes „Ich-erklär-mal-eben-die-simpelsten-Zusammenhänge-mit-möglichst-vielen-Fremdworten“-Gesicht auf, ehe er sich an Gibbs wandte: „Erm… es ist eine Fernsehserie.“
„Doctor Who“, schoss Ziva dazwischen und Agatha grinste: „Der Klassiker unter den Science-Fiction-Serien.“
„Das schaut man auch in der Zukunft noch?“, fragte McGee.
„Klar“, grinste die hübsche Rothaarige, „Es gibt eigene Holodeck-Programme für… sekunde mal, woher wissen Sie, dass wir aus der Zukunft kommen?“
Der Agent zuckte mit den Schultern, holte kurz Luft und schaute dann ein wenig uninspiriert in der Gegend herum – vielleicht um sich ein wenig Hilfestellung von Gibbs oder Ziva zu holen.

„Ich… habe keine Ahnung, aber ich glaube, dass diese Granate, die Sie Tony auf den Schreibtisch gelegt haben, etwas damit zu tun hatte.“, sagte McGee und der grauhaarige Chefermittler schaute Agatha an – mit einer Mischung aus Neugierde und Wut: „Granate?“
„Eine Binford 4600 Amnesia-Granate.“, erklärte die hübsche Rothaarige, „Sie … eigentlich sollte es Ihr Gedächtnis löschen und den Tag zurückspulen, aber… irgendwie hat es nicht funktiuoniert.“
Damit schaute sie entschuldigend in die Runde: „Tut mir leid – niemand sollte mehr über seine eigene Zukunft wissen, als absolut notwendig.“



Grelles Licht fiel in Aris Augen und er wunderte sich, wo er nun wieder war.
Er erinnerte sich daran, dass er auf Tony DiNozzo geschossen hatte und dass die Munition einen merkwürdigen Effekt auf den Körper des Halbitalieners gehabt hatte. Er war mit Funken, die aus der Brust gestoben waren, kollabiert. Niemand kollabierte mit Funken, die aus der Brust stoben. Aber, gerade, als er sich an Anzugtyp hatte wenden wollen, hatte dieser eine Art Waffe auf ihn gerichtet und abgedrückt.
Der Fakt, dass er nicht tot war, ließ sich nur dadurch erklären, dass der Anzugtyp eine Betäubungsmunition verwendet haben musste. Was er nicht verstand, war, warum jemand das tun sollte. Es war sinnlos. Und vor allem war es unprofessionell. Ein Auftragskiller wie er hätte, wenn er selbst für die Tat nicht einstehen wollte, einen Sündenbock verwendet, den er dann so unauffällig wie möglich selbst ausser Gefecht gesetzt hätte. Eventuell hätte er einen solchen Sündenbock betrunken gemacht und dann dafür gesorgt, dass die schöne englische Redewendung „To take the fall“ nicht nur eine Redensart gewesen war. Betrunken wäre er über die Dachkante gestürzt und ein paar Meter tiefer, mit gebrochenem Genick aufgefunden worden.
Aber nein. Sein Auftraggeber war anscheinend nicht unbedingt einer der Hellsten.

Er hatte ihn nicht nur am Leben gelassen, er hatte auch dafür gesorgt, dass er – Ari – seinen Auftraggeber im Zweifelsfall identifizieren könnte.
So jemand musste nicht unbedingt mit großer Intelligenz gesegnet sein, aber – solange er ihm half, Rache am NCIS-Team und vor allem an Gibbs zu nehmen, war ihm das eigentlich egal.
Es gab Schlimmeres, als für jemanden zu arbeiten, der das kleine Einmaleins der Auftragskiller nicht beherrschte. Solange er wusste, was zu tun war…



Grelles Licht fiel in Tony DiNozzos Augen und er fragte sich, was passiert war.
Vor seinem Inneren Auge sah er die nackten, weiblichen Vorzüge seiner Partnerin Ziva David, ihr hübsches Gesicht, verloren im Taumel der Lust, und…
Ein grelles Licht hatte ihn geblendet.
Was war passiert?
Während er darüber nachgrübelte, spürte er, wie sein Kopf zu platzen drohte.

„Was zum T…“, murmelte er, fasste sich an den Kopf und stockte, als er bemerkte, dass er gar nicht mehr in Zivas Schlafzimmer war, sondern auf der schwarzen Ledercouch im Wohnzimmer lag.
Was war denn nun passiert? Hatte er vor Lust das Bewusstsein verloren oder…
Oder war das grelle Licht doch etwas anderes gewesen?
Gerade, als er weiter darüber nachgrübelte, zuckte er zusammen, denn just in diesem Moment beugte sich ein ihm bekannter Mann in sein Blickfeld, mit einem leicht amüsierten Grinsen im Gesicht.
„Na, DiNozzo? Lange genug geschlafen?“
„Boss?!“, keuchte der der Mann auf und wollte sich gerade aufrichten, als er den Blick von Ziva wahrnahm.
Spiegelte sich da Sorge in ihren Augen wieder?

Genau in diesem Moment nahm er sich vor, nachzuforschen, was passiert war. Er wusste es einfach nicht mehr, er erinnerte sich nur daran, dass das, was er wirklich auf dem Schirm hatte, sich wirklich einfach nur gut angefühlt hatte. Aber was danach passiert war…
Das fiel ihm einfach nicht ein. Nur der Kopf schmerzte.
„Ich…“, setzte Tony an und Gibbs warf ihm einen Blick zu, der dem Halbitaliener durch Mark und Bein ging. Verdammt , schoss es ihm durch den Kopf, Er weiß etwas.
„Erzähl es mir später, DiNozzo“, raunte der Grauhaarige und Tony musste – beinahe schon gegen seinen Willen – schlucken. Gibbs warf ihm noch einen Blick zu, der sagte „Ich weiß, was los ist und wenn Du wieder auf dem Dampfer bist, reiße ich Dir den Arsch auf“, dann drehte er sich weg und ging zu einem, ausserhalb seines Wahrnehmungsbereiches stehenden McGee herüber.
Tonys Augen suchten den Raum ab und fanden den, auf ihn gerichteten Blick Zivas. Ihre braunen Augen gaben ihm Mut und Kraft, während er versuchte, ihr mit seinen Augen die simple Frage zu stellen: „Was zum Teufel war passiert?“



Agatha stand, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen im Raum, den Rücken gerade durchgestreckt und schaute sich die vor ihr bietende Szene an. Es war das Beispiel – das, man konnte fast schon sagen: Das Stereotyp – einer typischen Szene, wie sie Gibbs und Konsorten erlebten. Die Konfrontation fand statt. Ein leises Lächeln bildete sich auf den vollen Lippen der XO, als sie ein leises Stöhnen hörte.
Mit einem Blick zum auf dem Bett liegenden Cal, der gerade die Augen öffnete und sich anschließend über selbige wischte, stellte sie fest, dass ihr Freund gerade wieder zu sich gekommen war.
„Na, wach?“, fragte sie, ging zum Bett und half ihm in die sitzende Position.
„Schatz, hast Du die Nummer von dem LKW, der mich überfahren hat?“, grinste er, ehe er den Kopf schüttelte: „Junge, der Satz is’ ja mal dermaßen ein Klischee, das ist ja nicht mehr schön.“

Agatha lachte hell: „Ich würde sagen, er hatte die Maße 90-60-90, eine enganliegende Uniform an, feuerrote Haare, grasgrüne Augen und einen Phaser, der dich für eine Stunde ausgeknockt hatte.“
Schief grinsend erhob sich Cal und neigte den Kopf zur Seite: „Wie sieht es aus – haben wir was rausgefunden, was wir rausfinden könnten?“
„Naja“, zuckte die junge Frau mit den Schultern, „Eigentlich nicht viel – nur das Übliche. Was die Beiden nicht wissen – was hier keiner weiß – ist, dass Tony von einem Phasergewehr getroffen wurde. Beziehungsweise von etwas, das so ähnlich gebaut ist, wie ein Phasergewehr.“
Mit schiefgelegtem Kopf schaute Cal der Frau in die hübschen Augen: „W… was bitte schön?“
„Etwas, das ähnlich gebaut ist, wie ein Phasergewehr. Es hat DiNozzo von den Beinen gefegt.“
„Ach komm, erzähl keinen Schwachsinn.“, sagte Cal eine Spur lauter als es notwendig – oder noch besser - als es für ihn und seinen Kopf verträglich gewesen wäre, „Ich meine… wer ballert hier mit einem Phasergewehr rum?“
Agatha zuckte mit den Schultern: „Tracy-Boy?“
„Tracy-Boy?“, echote Cal und schaute sie beinahe schon ungläubig an.
Die XO nickte: „Es wird wohl auf ihn hinauslaufen, meinst Du nicht auch, Schatz?“



Tony schaute in die braunen Augen Zivas – sie hatten einen nachdenklichen, weltfernen Ausdruck und er räusperte sich. Kurz zuckte sie zusammen, blinzelte und schaute ihn an. Der NCIS-Agent lächelte. „Jetzt sag bloß, ich hab dich erschreckt. Dich – Ziva David, eiskalte Killerin des Mossad.“
„Du solltest eher versuchen, mir klar zu machen, wie Du in die Höhle der Löwin gekommen bist, DiNozzo“, hörte er plötzlich die Stimme Gibbs und spürte einen Klaps auf den Hinterkopf.
‚Eine Ohrfeige ist eine Beleidigung. Ein Schlag auf den Hinterkopf ist ein Weckruf’, war die Philisophie seines Chefs und der Italiener rollte mit den Augen. So schmerzvoll war er in den letzten Wochen nie geweckt worden.
„’Tschuldige, Boss.’, sagte er und wandte sich Gibbs zu, „Ich… ich weiß nicht wie ich es Dir erklären soll. Es war einfach…“
Er verstummte.
Er hatte Kismet sagen wollen – aber der Blick, den Gibbs ihm zuwarf, sagte eindeutig, dass, wenn er das sagen würde, Gibbs ihm den Allerwertesten noch weiter aufreißen würde.

Ja – el chefe war wütend. Vermutlich nicht nur ein wenig wütend, sondern so wütend, dass er…
Was? Leute umbringen würde? Vermutlich nicht. Zwar gab es Situationen, in denen Gibbs vor tödlicher Gewalt nicht zurückschreckte, aber dies war keine davon. Vermutlich würde er ihn nur strafversetzen – was auch schon schlimm genug war.
Himmel, er hatte nicht nur gegen eine Dienstanweisung, sondern gleich gegen eine von Gibbs fundamentalsten Regeln verstoßen. Genauso gut hätte er ihm den Kaffeebecher aus der Hand schlagen können.
„Boss“, setzte er an, „ich…“
Weiter kam er nicht.



Cal schaute seine XO an.
„Was willst Du machen? Hast Du einen Knall? Das hast Du doch nicht gelernt.“
„Gina hat es mir damals, nach der Sache auf Kaluna Prime beigebracht.“
„Um Gottes Willen, erinnere mich nicht daran.“
Agatha schluckte. Es war wirklich nicht gerade die Angenehmste, aller Erinnerungen.





Dämlich, dämlich, dämlich, dämlich.

Um sie herum spritzte Dreck auf und der Regen, der von oben kam war auch nicht gerade angenehm.Verdammte Kälte. Sie kroch durch die Kleidung, trotz dieser verdammten Thermounterwäsche und kälteabweisender Uniform.
Verdammt.
Die Explosionen um sie herum waren heiß und der kalte Regen… naja, man könnte sagen, dass rein rechnerisch die Temperatur eine Ausgeglichene war. Aber das war ein alter Witz und absolut nicht zutreffend. Mit erhobenen Phasern drangen Cal und Agatha in das Heiligtum des Priesters vor, der knapp 50 Prozent seiner Crew in seinen Bann geschlagen hatte. Könnte vielleicht daran gelegen haben, dass dieser Priester eine, in extrem sonnennahen Kleidungsstücken herumlaufende Priesterin war.

Agatha rollte mit den Augen.
Cal war doch auf der Erde gewesen – im SGC. Dort hätte er doch eigentlich diese dusslige Akte über die Hathor-Angelegenheit lesen müssen, als die Goa’Uld ihrerzeit das SGC übernommen und die Männer sexuell-willenlos gemacht hatte. Aber nein – offenbar hatte der Captain beschlossen, genau diesen Teil auszulassen.
Die braunen Haare des Captains lagen nun klatschnass am Körper, genau wie die feuerroten Haare der XO, die momentan ein wenig ihrer Leuchtkraft verloren hatten.
„Cal, denkst Du wirklich, dass wir sie kriegen können?“
Der Phaser des jungen Offizieres fauchte kurz auf, die braunen Augen schauten in ihre Grasgrünen und Optimismus funkelte in ihnen.

„Hab ich je aufgegeben? Ich kenn die Bedeutung dieses Wortes nicht.“
„Ich weiß schon, wer zum Geburtstag ein Wörterbuch geschenkt bekommt.“, grinste Agatha schief und dies musste sie wohl so ansteckend gemacht haben, dass auch der Captain grinsen musste.
„Diese Priesterin schnappen wir uns. Keine Sorge.“
Sie schaute ihn an, nickte und fuhr ihm sanft über die Wange: „Ich mach mir keine sorgen um mich. Du bist derjenige, der in ihr Beuteschema fällt.“
„Ach, wie kommst Du darauf. Weil ich der Captain bin? Das Alphamännchen? Weil mir das Schiff gehört?“
„Ich dachte eigentlich eher daran, das jeder andere Kerl ausser Dir gekascht wurde.“, sagte Agatha mit einem extrem trockenen Tonfall. Der junge Mann rollte mit den Augen: „Und was macht Dich sicher, dass sie mich auch kascht?“

„Sie ist gut.“, meinte Agatha nur und deutete auf den Tempel, aus dem gerade, mit schwingenden Hüften und einem extrem knappen Outfit die Priesterin kam.
„Meine Kinder, kommet zu mir.“
Und kaum, das sie dies gesagt hatte, traten, wie ein Mann – und nie hatte dieser Ausdruck besser gepasst – die männliche Crew der Dragonfly hinter ihr hervor.
Cal schluckte und deutete mit der Mündung der Waffe auf die gerade erschienenden Männer: „Okay, now, that's impressive.“
Damit schaute er zu Agatha: „Aber keine Sorge, ich bin nicht so blöd und falle in die Offensichtlichsten der Fallen.“

Agatha lächelte – und stockte plötzlich, als sich im Tempel etwas tat.
Verdammt.
Es war nicht so einfach wie seinerzeit im SGC.
Hier hatte Hathor nur starken Einfluss auf die Männer gehabt und war klug genug gewesen, die Frauen einsperren zu lassen. Aber diese Priesterin war… besser.

Sie hob ihre wohlmanikürte Hand, schnippte einmal und Agatha musste hart schlucken. Jemand näherte sich der Priesterin – Gina Intrupper, die Bordärztin.
Wenn diese Frau auch die Frauen manipulieren konnte, dann…
„Agatha?“, hörte sie die sanfte Stimme Ginas und schluckte hart. Bitte nicht, bitte nicht.
Damals, als sie auf der Academy in einem Zimmer als „Roommates“ genächtigt hatten, hatten sie einander für unterschiedliche Kursthemen herangezogen. Agatha hatte Gina immer wieder darum gebeten, mit ihr Kommandotechniken zu büffeln, während sie der angehenden Bordärztin für Sachen wie Referate in Autogenem Training, Counseling für Fortgeschrittene und eben auch „Hypnose für Anfänger“ geholfen hatte. Das heißt, Gina hatte versucht, sie in Trance zu versetzen, was ihr offenbar auch gelang, denn an einem Tag hatte sie einen ziemlichen Filmriss gehabt, nachdem die beiden miteinander trainiert hatten.
Sie wusste nicht mehr ganz, welches Wort Gina verwendet hatte, sie erinnerte sich nur daran, wie ihr Bewusstsein aussetzte…



Das Nächste, was sie wahrnahm, war die Deckenbeleuchtung der Krankenstation. Die sich über sie beugende Gina lächelte ihr sanft zu.
„Keine Sorge, Süße. Du brauchst keine Angst zu haben, es ist alles wieder in Ordnung.“
Sie richtete sich auf, blinzelte und schaute in die unglaublich nussbraunen Augen ihres Captains, die – leer wirkten.
„Was ist mit dem los?“, fragte Agatha und Gina zuckte mit den Schultern: „Das musst Du schon selbst wissen. Aber eines muss ich ihm lassen. Er hat Scotty mit einem schnellen Schlag auf die Bretter geschickt. Ich musste drei Stunden an seiner gebrochenen Nase rumfuhrwerken.“
„Gina, ich…“, setzte der erste Offizier an und die hübsche Ärztin zwinkerte ihr amüsiert zu: „Keine Sorge, Süße. Ich bin sicher, Cal wird es dir gerne erklären. Wenn Du ihn aus deinem Bann entlässt.“
„Bann?“
Damit wandte sie sich wieder zu dem, träumerisch vor sich hin lächelnden, Captain und rollte mit den Augen: „Naja, sein Versprechen hat er gehalten. Die Priesterin hat ihn nicht bekommen.“
Gina grinste: „Aber Du.“
„Meinst Du?“, fragte die XO, schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn: „Komm her, du.“
Der Captain blinzelte mit den Augen, schüttelte den Kopf und streckte sich: „Wow … hey, was ist… was ist passiert?“
„Diese Programmierung funktioniert perfekt.“, flüsterte Gina der XO zu und zwinkerte. Damit verließ sie die Krankenstation und ließ eine grinsende XO und einen verwirrten Cal zurück.




„Du willst die alle hypnotisieren?“, riss die geflüsterte Stimme Cal sie in die Jetztzeit zurück, „Das ist eine wirklich bekloppte Idee. Und ich hab in unserer Beziehung das Monopol auf die bekloppten Ideen.“

„Nein, das ist eigentlich ein Oligopol. Wir beide haben gern mal bekloppte Ideen.“, grinste Agatha, streichelte ihm über die Wange und hauchte ihm einen Kuss auf das Ohrläppchen.
„Du weißt, dass das bei den Ferengi zu etwas führen würde, das wir ob des Ratings der Fanfiction, in der wir uns befinden, nicht komplett ausspielen dürfen? Eigentlich schade.“ Mit einem liebevollen Lächeln streichelte sie ihm über das andere Ohr und schnurrte: „Ich weiß. Aber: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
„Was genau ist eigentlich passiert?“, raunte McGee dem grauhaarigen Chefermittler zu, der ihn mit einem genervten Seitenblick zum Schweigen brachte. Gut – „Schweigen“ war eine übetriebene Darstellung der Sachlage. In Wirklichkeit klappte den Mund auf und wieder zu, murmelte ein „’Tschuldigung, Boss“, ehe er sich an Ziva wenden wollte. Mitten in der Bewegung erstarrte er. An der Wand von Zivaas Wohnung erschien plötzlich ein Farbenspiel von unbeschreiblicher Schönheit. McGee hatte keine andere Wahl, als hinzuschauen.



Agatha hielt eine Glasperle vor den Phaser und ließ an der Wand zu Zivas Wohnzimmer ein buntes Regenbogenfarbspiel – sprich, die aufgefächerten Spektralfarben – tanzen.
Genervt rollte Cal mit den Augen, schaute sie an und schüttelte den Kopf: „Lass es.“
„Erste temporale Direktive Cal, es darf sich niemand an unsere Intervention erinnern.“
„Schatz, wir könnten ihre Hilfe brauchen.“
„Erste temporale Direktive, Cal.“, wiederholte die hübsche XO und wandte sich, mit einer ruhigen Sing-Sang-Stimme an die, im Wohnzimmer stehenden Agenten.
„Schaut auf das Licht. Es ist hell, klar, und schön. Je mehr ihr euch auf dieses Licht konzentriert, je mehr ihr versucht, Formen zu erkennen, um so entspannter, um so relaxter fühlt ihr euch. Eure Augenlider sind bleischwer, blei, bleischwer. Ihr werdet Müde und wollt schla…“

Sie stockte, als sie neben sich einen Plumpser hörte. Cal war umgekippt.
„Verdammt.“, murmelte die hübsche XO, ging neben ihrem Freund in die Knie und raunte ein: „Erwache, mein Liebling“ in seine Ohren.
„Was… wassis passiert?“, lallte der Captain, richtete sich auf und schaute zu Agatha herüber: „Ich wollte… ach was solls.“
Ziva räusperte sich, trat auf die beiden Offiziere zu und schüttelte den Kopf: „Was auch immer Du da gerade versucht hast, Agatha, so ganz hat es nicht geklappt.“

„Seh ich auch so.“, sagte Tony, der sich gerade von seinem Sitzplatz erhob und Gibbs, der Agatha amüsiert anschaute, lächelte: „Hypnose?“
„Die Frau ist gut“,grinste Cal, „Schafft es mit einem einzigen Wort – oder Satz – mich auszuschalten..Ich sag es Ihnen, Mister Gibbs, legen Sie sich in ihre fähigen Hände und sie schlafen, wie ein Baby. Ich spreche aus Erfahrung.“

Dann wandte sich der Captain an Ziva: „Aber – um mal etwas Anderes anzusprechen. Könnten… könnten Sie uns zu Misses Stone fahren, Miss David?“
Verblüfft blinzelte Agatha ihren Freund an: „Aber – ahm – Cal, hältest Du das für eine gute Idee? Ich meine… gut, es könnte mir egal sein. Da kann ich mehr üben. Ob ich Ziva nun einmal hypnotisieren muss, oder mehrmals, das macht keinen Unterschied.“
Der Captain zwinkerte ihr zu: „Schatz, du kannst es auch immer wieder an mir ausprobieren.“
Damit traten sie aufeinander zu, sie umrundete ihn und er schaute an ihr herauf und wieder herab. „Später.“, sagte sie, in einem flirtenden Unterton und Cal grinste wie ein Schuljunge.

Dann räusperte er sich und versuchte, die Gedanken, die offenbar in diesem Moment in seinem Kopf auftauchten, anders abzulenken. Er wirbelte um die eigene Achse und schaute wieder zu Ziva herüber. Diese starrte ihn verblüfft an, während er sich grinsend vor ihr aufbaute und begann, in einem rasend-schnellen Duktus zu sprechen: „Wo, war ich? Richtig… Captain Thaddeus Alexander Stones Frau. Was meinen Sie, warum wollen wir zu ihr? Warum wollen wir da…hin?“
„Schatz, wenn Du so sprichst, könnte man dich für Doc 11 halten.“, grinste Agatha und McGee schaute sie an: „Stimmt. Das macht Sie zu River, hm?“
Cal schaute zwischen Agatha und McGee hin und her, grinste und schaute zu Ziva.
„Das macht Sie zu Amy und ihn da“, damit deutete er mit seinem Kopf auf Tony, „zu Rory.“
Damit griff er ihre Hand: „Nun denn, come along Po…“

Weiter kam er nicht, denn Ziva hatte in diesem Moment seine Hand gegriffen, so fest zugedrückt wie sie konnte – was ihn zum Schreien brachte – und verdrehte seine Hand auf den Rücken.
„Ahaaaa“, machte Cal, „Lassen Sie mich los, Miss David.“
„Fassen Sie mich noch einmal an, ohne, dass ich meine Erlaubnis gebe, und ich breche Ihnen alle Knochen.“, zischte Ziva und stieß den Captain von sich weg, Richtung Agatha, die ihn auffing.
„Aua.“, machte der Captain, betrachtete seine Hand und bewegte sie probehalber.
„Und, Gebrochen?“, fragte die XO mit einem sehr trockenen Unterton.
„Nee.“, murmelte Cal und sein Gesichtsausdruck veränderte sich von amüsiert zu beinahe-beleidigt. Dann schaute er zu Ziva herüber, wollte einen Schritt auf sie zutreten, aber man konnte ihm ansehen, dass er sich dies offenbar noch zwei bis dreitausend Mal überlegte.
„Könn… könnten Sie uns eventuell zu Captain Stones Witwe fahren?“, fragte der Captain dann dennoch, wenngleich ein wenig kleinlauter.
 
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